Schicksal eines Württembergers im US-amerikanischen Bürgerkrieg

Johann Jakob Beck (1833–1864), Mitglied der Waterhouse Battery, Aufnahme vom 21. April 1864 (Landesarchiv HStAS J 300 NR 663).
Johann Jakob Beck (1833–1864), Mitglied der Waterhouse Battery, Aufnahme vom 21. April 1864, Vorlage: Landesarchiv BW, HStAS J 300 NR 663)

Seit seinen Anfängen 1806 unterhielt das Königreich Württemberg als souveräner süddeutscher Mittelstaat ein Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, welches auch nach der Reichsgründung 1871 mit eingeschränkten Funktionen bis zum Ende der Monarchie 1918 Bestand hatte. In den Beständen des Ministeriums befinden sich nicht nur Unterlagen zur allgemeinen Außenpolitik, sondern auch zu innerwürttembergischen Ereignissen und Maßnahmen, über die das Ausland unterrichtet wurde.

Neben der hohen Diplomatie ermöglichen zahlreiche Einzelfallakten gerade beim Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Schicksale von Personen aller Gesellschaftsschichten zu rekonstruieren. So finden sich bei der Allgemeinen Außenpolitik Familiennachrichten aus den europäischen Fürstenhäusern, bei der Kanzleidirektion sind Personalunterlagen von Mitarbeitern des Ministeriums überliefert und im Geschäftsbereich Innere Angelegenheiten erwuchsen Unterlagen zu polizeilichen Maßnahmen, Ausstellung von Reisepässen, Abzugssachen, Auswanderung und Wechsel der Staatsbürgerschaft. Gerade über die gesellschaftlichen Unterschichten ist in diesem Bereich recht viel zu finden, hatte sich das Ministerium doch sowohl um die Heimatverhältnisse von Menschen ohne festen Wohnsitz, den Vaganten, zu kümmern wie auch um den Rücktransport von Kranken, darunter insbesondere Geisteskranke, aus dem Ausland.

So beschäftigte sich das Ministerium des Weiteren mit Nachlässen und Soldguthaben von im amerikanischen Bürgerkrieg gefallenen Württembergern, wenn mögliche Erben im Land verblieben waren. Einer dieser württembergischen Abenteurer, die ihre Teilnahme am amerikanischen Bürgerkrieg schließlich mit ihrem Leben bezahlten, war der aus Unterbrüden im Oberamt Backnang stammende Johann Jakob Beck, von dem sich nicht nur einige persönliche Briefe an seine Familie, sondern sogar ein Foto erhalten haben. Aufgrund der Aussage seiner Mutter vom 3. März 1866 vor dem Oberamtsgericht Backnang, dem sie auch die Privatbriefe ihres Sohns übergab und von dem diese über das Justizministerium in die Bestände des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten gelangten, lässt sich dessen Kurzbiografie rekonstruieren.

Johann Jakob Beck, geboren am 19. April 1833, war der Sohn des Bauern Georg Friedrich Beck aus Unterbrüden und seiner Frau Marie Agnes geb. Baier. 1853 wanderte er in die Vereinigten Staaten aus. Er folgte wohl seinem älteren Bruder David Beck nach Pittsburgh, bei dem er eine Zeit lang wohnte; später war er Dienstknecht bei einem Bauern in Petersburg. Ab 1861 lebte er bei seiner ebenfalls ausgewanderten Schwester Caroline Maier in Richland Growe im Bundesstaat Illinois. Anfang 1862 trat er ins Militär der Nordamerikanischen Union ein, diente dort erst als Landwehrtrainsoldat, später in der Artillerie.

Vordergründig betrachtet handelt es sich bei den Unterlagen zu Johann Jakob Beck lediglich um einen Vorgang innerhalb einer Sammelakte, der die Übermittlung des bescheidenen Nachlasses eines früh verstorbenen jungen Manns behandelt; die darin enthaltenen Privatbriefe sind jedoch ein beredtes Zeugnis eines württembergischen Einzelschicksals im 19. Jahrhundert.

Auch wenn dem jungen Abenteurer ein tragisches Ende beschieden war, sorgt die äußerst individuelle Rechtschreibung, die aus den Briefen Johann Jakob Becks ersichtlich ist, aus heutiger Sicht doch immer wieder für erheiternde Momente. So erbat sich der offensichtlich in finanziellen Nöten befindliche junge Soldat einmal finanzielle Unterstützung von seiner Familie: ins besondere schicke du das Gelt nur über Neujorg, so hatt es keine Gevahr, schüke du mir so vill wie du kanst, den ich bin satt für andre leute zu ahrbeiten, den hir zu land dun deine nächste Verwandten nichts one nutzen (undatiert). Er kämpft aber auch immer wieder mit Gewissensbissen gegenüber seiner in der Heimat zurückgelassenen Mutter: … und Ich sehe Jetzt erst Ein, was ich gethann habe, und mein Gewissen macht mir sehr fühl zu Schaffen, daß Ich möchte dir dein Leben ferkürzt haben, wo Ich dir so ville unruige Stunden verursachte, den Ich hoffe, du wirst mir verzeihen und der jugend zu geben. Ich bereue es, aber es ist ver immer zu Schbäth.25. März 1862.

Auch sonst erfährt man aus den Briefen einiges über die Gedankenwelt dieses jungen Manns, wenn er zum Beispiel über das Thema Familiengründung schreibt: ich hab mir noch niemand auserwalt und hab auch keine bekandschaft, den ich bin ganz gleichgiltig, ob ich bekand bin mit einem Frauenzimer oder nicht, den wen ich einmahl mich verheirathen will, so will ich mich schon bekand machen, aber es währe bößer [besser] vor mich gewesen, hätte ich in meinen jungern Jahren geheirath, den hätt ich weiter erschbart, aber doch es ist nicht in meiner hand, was daß böste ist vor mich, den wie es mir bestimt ist, so komt es doch. Diese Zeilen stammen bereits aus seinem letzten Brief vom 20. April 1864. Etwa zwei Monate später starb Johann Jakob Beck an den Folgen einer in einem Rückzugsgefecht am 10. Juni 1864 erlittenen schweren Verwundung.

 Johannes Renz

Quelle: Archivnachrichten 41 (2010), S.26-27.

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