Aus den Anfängen der Bundesdienstflagge

Bundesdienstflagge zur Befestigung als Kfz- Stander, Muster in den Beschaffungsunterlagen der Staatskanzlei Württemberg-Hohenzollern. Vorlage: LABW, StAS Wü 2 T 1 Nr. 435.
Bundesdienstflagge zur Befestigung als Kfz- Stander, Muster in den Beschaffungsunterlagen der Staatskanzlei Württemberg-Hohenzollern. Vorlage: LABW, StAS Wü 2 T 1 Nr. 435.

In einer Staatskanzlei laufen bekanntlich die Fäden von Politik und Verwaltung zusammen. Für die Staatskanzlei des kleinen Landes Württemberg-Hohenzollern mit ihrem Sitz in Tübingen kann die Redewendung sogar im wörtlichen Sinne Geltung beanspruchen, denn in Ermangelung eines größeren behördlichen Unterbaus musste sich die Spitze der Landesverwaltung auch eher banalen Angelegenheiten wie der Beschaffung von einfachen Gebrauchsgegenständen widmen. In den Verwaltungsakten finden sich deshalb neben Prospekten und Werbebroschüren auch Proben der benötigten Produkte, etwa Stoffmuster für Arbeitskleidung oder Sitzschonbezüge von Dienstkraftfahrzeugen.

Nach der Festlegung der Farben der deutschen Bundesflagge durch den Parlamentarischen Rat wehten im Mai 1949 – noch vor der Verkündigung des Grundgesetzes – die ersten Offerten von Fahnenfabriken für das neue Nationalsymbol in die Tübinger Regierungszentrale. Stoffproben aus reinwollenem Marine-Schiffsflaggentuch angefertigt und garantiert licht-, luft- und wasserecht lagen den Angeboten bei und sollten die Kaufentscheidung erleichtern. Eines der Muster kam sogar als voll ausgebildete Bundesdienstflagge im Format 20 cm Höhe x 30 cm Breite inklusive Seitenverstärkung und eingenähtem Seil für die Befestigung als Kfz-Stander daher. In ihrer Ausgestaltung entspricht die Flagge mit Ausnahme des Seitenverhältnisses genau den Vorgaben der Anordnung des Bundespräsidenten über die deutschen Flaggen vom 7. Juni 1950: Die Dienstflagge der […] Bundesbehörden […] hat die gleichen Querstreifen wie die Bundesflagge, darauf, etwas nach der Stange hin verschoben, in den schwarzen und den goldfarbenen Streifen je bis zu einem Fünftel übergreifend, den Bundesschild, den Adler nach der Stange gewendet, Verhältnis der Höhe zur Länge des Flaggentuches wie 3 zu 5.

Die schwarz-rot-goldene Bundesflagge traf bei den Westdeutschen anfangs auf eher wenig Gegenliebe. Die meisten der vom Allensbacher Institut für Demoskopie im Dezember 1948 zur Gestaltung der künftigen deutschen Fahne befragten Bürgerinnen und Bürger zeigten sich desinteressiert oder gar ablehnend. Haben die Herren schon wieder die Sorgen? meinte eine Bäuerin lakonisch. Skepsis gab es auch auf der politischen Ebene. Der Balinger Landrat und spätere Stuttgarter Regierungspräsident Friedrich Roemer wagte in einem Gutachten die Vorhersage: Die Westdeutsche Bundesfahne wird sicher nicht häufig in Erscheinung treten, da die Länder ihre eigenen Flaggen führen und bei dem sehr föderativen Charakter des Bundes auch dessen Farben nur bei seltenen Gelegenheiten zu sehen sein werden.

Des ungeachtet veranlasste die Staatskanzlei eine gemeinsame Sammelbestellung aller Landesministerien und des nachgeordneten Bereichs für die Bundesfahne. Bundesdienstflaggen wurden keine beschafft. Ob eine solche an der Dienstlimousine des Bundeskanzlers Adenauer mitgeführt wurde, als dieser im Juli 1951 auf der Durchfahrt in die Schweiz seine Schwiegereltern in Tübingen besuchte, ist nicht überliefert. Man dürfte auch kaum Gelegenheit gehabt haben, den Stander zu erkennen. Schon die Kradfahrer des landespolizeilichen Begleitkommandos konnten dem rasenden Wagen nur mit größter Mühe folgen. Eine Beschwerde von Ministerialrat Theodor Eschenburg über das erheblich verkehrsgefährdende Verhalten des Kanzler-Chauffeurs beim Chef des Bundeskanzleramts Hans Globke blieb unbeantwortet.

Franz-Josef Ziwes

Quelle: Archivnachrichten 59 (2019), S. 18–19.

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