Erbverbrüderung statt Mauerfall

Wiedervereinigung der Markgrafschaften Baden­-Baden und Baden-­Durlach vor 250 Jahren

 

Titelblatt des Erbvertrags von 1765 in der baden-durlachischen Ausfertigung. Vorlage: Landesarchiv BW, GLAK 47 Nr. 499 a. Zum Vergrößern bitte klicken.
Titelblatt des Erbvertrags von 1765 in der baden-durlachischen Ausfertigung. Vorlage: Landesarchiv BW, GLAK 47 Nr. 499 a. Zum Vergrößern bitte klicken.

Ab 1535 war die Markgrafschaft Baden zwischen den beiden überlebenden Söhnen von Markgraf Christoph, Bernhard III. und Ernst, real geteilt. Die Residenz der katholischen Markgrafschaft Baden-Baden (Bernhardinische Linie) wurde 1705 von Baden-Baden nach Rastatt verlegt. Karl II., Sohn von Markgraf Ernst, residierte in Durlach und führte die Reformation in der Markgrafschaft Baden-Durlach ein, die ab 1717 von dem neu gegründeten Karlsruhe aus regiert wurde. Nicht nur in religiöser Hinsicht, sondern auch außenpolitisch und wirtschaftlich entwickelten sich die Markgrafschaften auseinander. Mitte des 18. Jahrhunderts drohte die Linie Baden-Baden auszusterben. Beide Söhne von Markgraf Ludwig Georg waren im Kindesalter verstorben, die erwachsene Tochter nicht nachfolgeberechtigt. Nach Ludwig Georgs Tod 1761 übernahm sein jüngerer Bruder August Georg im Alter von 55 Jahren die Regentschaft. Dessen langjährige Ehe mit der 47 Jahre alten Maria Viktoria, geborene von Arenberg, war kinderlos.

In Karlsruhe wurden daraufhin Gutachten zur rechtlichen Situation beim eventuellen Aussterben der Linie Baden-Baden erstellt und ein reger Schriftverkehr zwischen Karlsruhe und Rastatt begann. Schließlich wurde ein aus 54 Artikeln bestehender Vertrag aufgesetzt, der am 28. Januar 1765 von Markgraf August Georg von Baden-Baden und seiner Nichte Elisabeth beziehungsweise von Markgraf Karl Friedrich von Baden-Durlach, einigen Verwandten sowie auf beiden Seiten von Geheimen Räten unterzeichnet wurde. Es handelt sich dabei um eine Erbverbrüderung, einen Hausvertrag, nachdem beim Aussterben einer Linie die andere automatisch deren Besitzungen erben soll. Neben dem Ausschluss der weiblichen Erbfolge wurden Fragen der Schuldentilgung, der Übernahme der Beamtenschaft und des Militärs und die heikle Frage der Konfessionsverhältnisse geregelt. Galt es doch die Rechte der Katholiken gegenüber der protestantischen Markgrafschaft Baden-Durlach, in die sie eingegliedert würden, sicherzustellen. In Karlsruhe wurden diverse Dokumente und Formulare für das Ableben August Georgs vorbereitet. In der Dienerakte des baden-badischen Hofkammerrats Karl Bidermann befindet sich beispielsweise eine geheim zu haltende Instruktion Karl Friedrichs vom April 1767, was Bidermann bei Krankheit und Ableben August Georgs zu tun habe. Der Erbfall trat am 21. Oktober 1771 ein. Karl Friedrich begab sich noch am selben Tag zur Besitzergreifung der Markgrafschaft Baden-Baden nach Rastatt.

In der frühneuzeitlichen deutschen Geschichte ist Baden der einzige Fall einer staatlichen Wiedervereinigung.

Gabriele Wüst

Quelle: Archivnachrichten 62 (2021), Seite 56.