Die Linde zu Neuenstadt am Kocher

Die alte Lindenanlage in Neuenstadt am Kocher, 1909 - Quelle LMZ BW
Die alte Lindenanlage in Neuenstadt am Kocher, 1909 - Quelle LMZ BW

Vor dem Oberen Tor zu Neuenstadt am Kocher stand einst eine überaus mächtige Linde, die bereits im hohen Mittelalter, das heißt lang vor der Gründung der Stadt, als Gerichts- und Versammlungsstätte diente. Diesem Zweck entsprechend waren ihre unteren Äste mittels steinerner und hölzerner Pfeiler geleitet und überdachten eine kreisförmige Fläche von mehr als 35 m Durchmesser. Die Zahl der Stützen belief sich bereits 1392 auf 62, um 1600 angeblich sogar auf 160 und 1856 immerhin noch auf 104. Herzog Christoph von Württemberg ließ 1558 den Platz mit einer knapp meterhohen Steinmauer einfrieden. Seinerzeit nutzte man das Gelände, das mit zahlreichen steinernen Tischen ausgestattet war, als Lustgarten. In die Säulen, auf denen die Äste und Zweige ruhten, hatten Fürsten, Grafen und Ritter ihre Wappen, Namen und allerlei Sprüche meißeln lassen. Die ganze Anlage war derart eindrucksvoll, dass man die Stadt über dem Kocher oft als Neuenstadt an der Linde bezeichnete. Im Lauf der Jahrhunderte schwach und morsch geworden, fielen die Reste des großen Baums, dessen Stamm 1867 einen Durchmesser von rund 3,8 m und einen Umfang von etwa 14 m, dazu eine Höhe von knapp 40 m hatte, bei Kriegsende 1945 Kampfhandlungen und einem anschließenden Gewittersturm zum Opfer. Mit neu gepflanzten Bäumen und rund hundert zum Teil wappengeschmückten Säulen besteht die Lindenanlage glücklicherweise noch heute und beeindruckt den Besucher mit ihrem ganz eigenartigen Reiz.

Kurt Andermann

Veröffentlicht in: Der Landkreis Heilbronn. Hg. v. der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Heilbronn (Kreisbeschreibungen des Landes Baden-Württemberg). Ostfildern 2010, Bd. 2, S. 256.

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