„Urfehde", Versöhnungsakt und Treueschwur

Zusammengefaltete Urfehde des Hans Fryenmut mit Rückseitenbeschriftung „Urfedt Hans Fryenmuts von Betzingen Kirchhaim 1442
Zusammengefaltete Urfehde des Hans Fryenmut mit Rückseitenbeschriftung „Urfedt Hans Fryenmuts von Betzingen Kirchhaim 1442". Alle Vorlagen: Landesarchiv HStAS A 44 WR 3932

In einer schlichten Urkunde bekannte 1442 Hans Fryenmut aus dem Dorf Betzingen (heute Ortsteil von Reutlingen) sein Zerwürfnis mit Graf Ulrich von Württemberg. Er habe eine Feindschaft (vigentschaft) gegen ihn gehegt und sei schließlich von ihm gefangen genommen und in den Turm von Kirchheim eingekerkert worden. Wie lang die Kerkerhaft dauerte, berichtet er nicht, ebenso wenig Näheres über Art und Ausmaß der Feindschaft. Nach einiger Zeit war Graf Ulrich bereit, ihn aus der Fehde und dem Zustand der Gnadenlosigkeit zu entlassen. Hans Fryenmut schwor daraufhin Urfehde (schwäbisch Urfeche). Außerdem versicherte er eidlich, für die Gefangenschaft in Kirchheim keine Rache zu üben und im Falle eines neuen Zerwürfnisses mit dem Grafen sich auf Aufforderung hin freiwillig wieder in die Gefangenschaft nach Kirchheim zu begeben. Da er kein eigenes Siegel besaß, bat er Heinrich Spätt den Jüngeren um Besieglung der dar- über ausgestellten Urkunde. Nach diesem Schwur und der Beurkundung wurde Hans Fryenmut aus der Gefangenschaft entlassen.

Die Beschwörung der Urfehde durch Hans Fryenmut gegenüber Graf Ulrich war kein Einzelfall, sondern typisch für die Beendigung von Fehden, die im späten Mittelalter sehr häufig waren. Urfehde bedeutet Nicht Fehde, den Zustand ohne Fehde, sie war also ein Friedensschwur. Das Friedensversprechen der Urfehde sollte eine dauerhafte Aussöhnung der Parteien bewirken.

Ohne den eidlichen Verzicht auf Rache hätte die Haft wegen des Freiheitsentzugs und der oft damit verbundenen Härten eigenständiger Grund für eine weitere Fehde sein können. Mit der Urfehde verzichtete der Inhaftierte verbindlich auf Vergeltung. Auch das Bekennen der Tat, die eidliche Zusicherung, sie nicht zu wiederholen und die Anerkennung der Rechtmäßigkeit der Haft sind wesentliche Elemente der Urfehde. In späterer Zeit findet sich auch die Verpflichtung des Täters, das Land zu verlassen und/ oder keine Waffen mehr zu tragen. Der Bruch einer Urfehde galt als Eidverletzung und wurde hart bestraft.

Mit Urfehde war ursprünglich der Schwur zum Frieden gemeint. Der Begriff weitete sich bald auf die darüber ausgefertigte Urkunde aus. Die kleine Papierurkunde des Hans Fryenmut wird daher auf der Rückseite als Urfedt Hans Fryenmuts von Betzingen Kirchhaim 1442 bezeichnet. Auch die Beurkundung diente der Dauerhaftigkeit des Friedens. Mit dem Niedergang des Fehdewesens zu Beginn der Neuzeit endete nicht die Zeit der Urfehde. Die Landesherren nutzten das Instrument weiterhin, um sich gegenüber inhaftierten Straftätern bei deren Haftentlassung gegen mögliche Rachehandlungen abzusichern.

Peter Schiffer

Quelle: Archivnachrichten 49 (2014), S. 10-11.

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