Der Bodenseehaufen

von Yannick Diezel

Bewaffnete Formationen der Bauern stehen vor dem Kloster Weißenau. [Vorlage: Weißenauer Chronik des Abts Jakob Murer über den Bauernkrieg von 1525, Kopie von Sebastian Abt, 1725. Quelle: Landesarchiv BW, HStAS B 523 Bd.58 Bl.5]
Bewaffnete Formationen der Bauern stehen vor dem Kloster Weißenau. [Vorlage: Weißenauer Chronik des Abts Jakob Murer über den Bauernkrieg von 1525, Kopie von Sebastian Abt, 1725. Quelle: Landesarchiv BW, HStAS B 523 Bd.58 Bl.5]

Am Bodensee kam es wohl bereits im Januar 1525 zu ersten Versammlungen der Bauern. Dies führte zum Zusammenschluss von etwa 8.000 Rapperstweiler Bauern, die am 24. Februar einen Haufen gründeten und das Kloster Langnau überfielen. Zu ihrem Anführer wählten sie den Lindauer Kaufmann Dietrich Hurlewang. Zum Haufen, der sich ursprünglich vor allem aus Untertanen des Grafen von Montfort zusammensetzte, gesellten sich schnell auch Bauern aus den nahe gelegenen Besitzungen der Klöster Weißenau und Weingarten, der Reichsstadt Ravensburg und den habsburgischen Ländereien. Nach Vorbild des Rappertsweiler Haufens formierten sich weitere, kleinere Haufen im Bodenseeraum wie der Bermatinger oder der Meersburger Haufen, die sich lose zum Bodenseehaufen zusammenschlossen. Zum Anführer des Haufens wählte man den Junker Hans Jakob Humpis von Senftenau, den Sohn einer Ravensburger Kaufmannsfamilie, der mit einem kleinen Schloss bei Lindau belehnt worden war.

Motivation der Seebauern und Zusammenschluss zur Christlichen Vereinigung

Die Motivation der Seebauern ist aufgrund der großen territorialen Zersplitterung des Bodenseeraums im frühen 16. Jahrhundert nur schwer zu verallgemeinern, weitestgehend scheinen die Bauern aber ähnliche Beschwerden wie auch in anderen Gebieten gehabt zu haben: Bevölkerungswachstum und steigende Getreidepreise trieben immer mehr Bauern in Armut und Tagelöhnerwesen. Auch vergaben die Grundherren in den meisten Fällen Land nur noch an leibeigene Bauern und beraubten diese zugleich um lang etablierte, zumeist aber nur mündlich überlieferte Rechte.

Vom 6. bis 8. März trafen sich Vertreter des Bodenseehaufens, des Baltringer Haufens und des Allgäuer Haufens in Memmingen und schloss sich zur Christlichen Vereinigung zusammen. Am 16. März verabschiedete man dort gemeinsam die Zwölf Artikel.

Aufeinandertreffen mit dem Schwäbischen Bund

Als die Bundesarmee unter Leitung des Truchsessen Georg von Waldburg, später auch „Bauernjörg“ genannt, Anfang April von Ulm aus gegen den Baltringer Haufen zog, begann man am Bodensee mit der Konsolidierung des Haufens und drängte die Städte dazu, sich ihnen anzuschließen.

Nachdem die Bundesarmee noch am 14. April den 7.000 Mann starken Wurzacher Haufen ohne nennenswerte Verluste besiegt hatte, trafen sie bei Gaisbeuren auf 7.000 Seebauern. Zum ersten Mal im Bauernkrieg gelang es den Bauern, dort einen ganzen Tag lang dem Beschuss des Bundes standzuhalten, bevor sie sich Richtung Weingarten zurückzogen.

Der Truchsess zögerte bis Ostermontag damit, den Bauern nachzuziehen, denn Vertreter aus Ravensburg waren an ihn herangetreten und boten an, als Vermittler zwischen der Armee und den Bauern zu dienen. Der Feldherr nahm dieses Angebot an, die Bauern lehnten es aber ab, ihre Waffen auszuliefern und der Truchsess zog ihnen doch bei Weingarten entgegen.

Damit hatte sich die Bundesarmee in eine sehr ungünstige Lage begeben: ihren 7.000-8.000 Mann standen etwa 12.000 Seebauern, davon mindestens 5.500 gut ausgerüstete Landsknechte gegenüber. (Die Landsknechte waren zum Teil angeworben worden, hatten sich aber auch teils freiwillig den Bauern angeschlossen.) Aus dem Osten rückten weitere 6.000 Allgäuer Bauern an und aus dem Westen 10.000 Hegauer und Schwarzwälder.

Eine Niederlage des Bundes schien absehbar und so bot man den Bauern an, zu verhandeln.

Weingartener Vertrag

Vom 17. bis 22. April handelte man schließlich den Weingartener Vertrag aus. Der Vertrag entsprach zu großen Teilen den vom Bund als Grundlage für eine Kapitulation verfassten Bundesartikeln, enthielt aber eine Reihe von Zugeständnissen an die Bauern. Durch Annahme des Vertrags erhielten die Bauern weitestgehend Straffreiheit, mussten sich aber entwaffnen, ihre Haufen auflösen und wieder ihren Pflichten gegenüber der Obrigkeit nachkommen, im Gegenzug sollte über ihre Beschwerden durch ein Schiedsgericht geurteilt werden. Unterzeichnet wurde der Vertrag allein von den Bodenseebauern; die Oberallgäuer Bauern weigerten sich, während die Unterallgäuer ihn zwar unterzeichneten, aber wieder brachen, nachdem sie von den bayerischen Herzögen angegriffen worden waren.

Folgen des Bauernkriegs im Bodenseeraum

Am Bodensee bliebb ein unruhiger Frieden zurück, es kam aber nur noch zu kleineren Aufständen.

Während die Bundesarmee weiterzog und in anderen Teilen des Reichs die Aufständischen mit Waffengewalt unterwarf, weigerte sich die Obrigkeit, am Bodensee ihren Teil des Weingartener Vertrags gegenüber den entwaffneten Bauern einzuhalten. Zu den vereinbarten Schiedsgerichten kam es nur in den Territorien des Reichsklosters Irsee und des Truchsessen von Waldburg.

Während viele der Hauptleute des Bodenseehaufens aus Angst vor der Rache der Obrigkeit das Land verließen, kamen die Anführer des Aufstands am Bodensee glimpflich davon. Waren sie vor Beginn des Konflikts schon Teil der sozialen Elite, so hatten sie auch nach dessen Ende nur mit wenig Einbußen zu rechnen. Dietrich Hurlewang, Anführer des Rappertsweiler Haufens, floh zwar, wurde aber nach kurzer Gefangenschaft durch den Bund 1527 schnell wieder freigelassen. Junker Hans Jakob Humpis von Senftenau, nominell Anführer des Bodenseehaufens, arbeitete nach dem Krieg ohne große Repressionen wieder für die Obrigkeit. Eitelhans Ziegelmüller, der Hauptmann des Bermatinger Haufens, trat sogar in den Dienst des Truchsessen und schaffte es in den Folgejahren, zu einem der reichsten Männer der Region zu werden.

Von den Landsknechten, die für den Haufen gekämpft hatten, boten viele an, sich der Bundesarmee anzuschließen und gegen die Bauern in anderen Gebieten zu ziehen.

Letztlich hatten die Bauern des Bodenseeraums durch die Annahme des Weingartener Vertrags nur wenig gewonnen und stattdessen die Chance verpasst, dem Bund eine potentiell empfindliche Niederlage zuzufügen.

Literatur

  • Blickle, Peter, Der Bauernjörg. Feldherr im Bauernkrieg, München 2022.
  • Greiner, Christian, Die Politik des Schwäbischen Bundes während des Bauernkriegs 1524/1525 bis zum Vertrag von Weingarten, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben, Bd. 68, 1974, S. 7-94.
  • Kuhn, Elmar L, Der Seehaufen, in: Der Bauernkrieg in Oberschwaben, hg. von Elmar L. Kuhn, Tübingen 2000, S. 97-139.

Zitierhinweis: Yannick Diezel, Der Bodenseehaufen, in: Bauernkrieg, URL: […], Stand: 07.06.2024.

Suche

Logo der Abteilung Landesgeschichte des Historischen Instituts der Universität Stuttgart