Esslingen am Neckar
Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 18), Stuttgart 1966.
Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1966. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.
In Esslingen waren Juden schon vor 1209 ansässig. Da sie 1241 eine Steuer von 30 Mark Silber entrichteten, dürften sie damals die größte israelitische Gemeinde im Gebiet des heutigen Württemberg gebildet haben (die Gmünder Juden zahlten in jenem Jahr 12, die Ulmer Juden 6 Mark Silber). In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts werden erstmals jüdische Einwohner namentlich erwähnt: Saeildmann (1266); Isaac, Benedict und Fidel (1279). Im Jahr 1280 bestellte der Markgraf von Burgau beim Verkauf von Gütern in Esslingen neben anderen Personen die drei Juden Adam, Benedict und Videl zu Schiedsrichtern für den Fall, dass aus dem Verkauf Streitigkeiten entstehen sollten. Die Berufung zu Schiedsrichtern lässt vermuten, dass die Juden damals eine angesehene Stellung in der Stadt innehatten, auch wenn es sich, wie Haffner annimmt, bei den drei Juden um Gütermakler gehandelt haben sollte. 1327 befand sich im Besitz der jüdischen Gemeinde ein vier Morgen großes, vor dem oberen Tor bei der Ziegelhütte gelegenes Friedhofsareal, das aber offensichtlich schon zu klein war. Aus der gleichen Zeit ist eine Synagoge bezeugt. 1333 und 1340 wird eine Judengasse genannt. Während der Pestepidemie von 1348/49 kam es auch hier zu furchtbaren Ausschreitungen: Die jüdischen Einwohner flohen vor ihren Verfolgern in die Synagoge, wo sie, jung und alt, verbrannt wurden. Im April 1349 verglich sich die Reichsstadt „umb alles der Juden gut, die bie in ze Ezzelingen seshaft waren, lebenden und toten" mit den Grafen Eberhard und Ulrich von Württemberg. Ein Teil der Juden hatte wahrscheinlich dem Feuertod durch die Flucht aus der Stadt entrinnen können.
Obwohl Kaiser Karl IV. der Stadt erst 1375 erlaubte, Juden aufzunehmen, lebten dort keine zwanzig Jahre nach der Vernichtung der israelitischen Gemeinde wieder Juden: 1365 ist von „Hans Crämer, Judinun man" die Rede. 1366 zahlten die beiden Juden Lazarus und Josef Pfeffer 140 Pfund Steuer an die Stadt. 1368 entrichteten vier Juden zusammen 100 Pfund Steuer, 1378 elf Juden 13313 Pfund. 1380 besaß die neue jüdische Gemeinde zwei „schuolmeister" oder Rabbiner: Josef von Geislingen und Joel. Die meist vermöglichen Juden waren aus Frankfurt, Stuttgart, Wertheim, Rothenburg, Rottweil, Kirchheim, Lauingen und anderen Orten zugezogen. 1387 und 1388 erscheinen 21 Juden in den städtischen Steuerlisten, 1389 dagegen nur zwei, 1391 wieder sechs. Es ist nicht bekannt, ob 1388 eine Ausweisung erfolgte. Möglicherweise hat auch die Stadt, die die Juden schon 1384 zu einer Zwangsanleihe heranzog, nach der Niederlage von Döffingen (1388) so hohe finanzielle Forderungen gestellt, dass die Juden abwanderten. Neben der Besteuerung durch die Stadt zog der König seine Kammerknechte weiterhin zu Steuern und Abgaben heran. So forderte 1414 König Sigmund von den Esslinger Juden als eine Art Sondersteuer 300 Gulden zur Deckung seiner Unkosten „im Welschland", d. h. zur Vorbereitung des Konstanzer Konzils.
In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts hatten nachweisbar zwei Juden das Esslinger Bürgerrecht: 1385 Süßkind von Straßburg, 1391 Hirsch von Ravensburg. Während die Juden in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wohl ausnahmslos im Ghetto, in der Judengasse, gelebt hatten, wohnten sie in der zweiten Hälfte vereinzelt in Christenhäusern. Nach 1414 scheinen keine Juden mehr in Esslingen ansässig gewesen zu sein. 1437 wird als Einzelperson eine Augenärztin, die Jüdin Genevlin, als Einwohnerin genannt. 1448, nach dem Städtekrieg, beabsichtigte der Rat, „unser Notdurft wegen" wieder Juden aufzunehmen, und setzte sich deshalb mit Heilbronn in Verbindung, das damals seine jüdischen Einwohner ausweisen wollte. Kurz darauf erhielt der Heilbronner Jude Löw das städtische Bürgerrecht. Zwei weitere Juden aus Heilbronn und Moses aus Giengen nahm die Reichsstadt in ihren Schutz. Moses, dem einschließlich Familie und Gesinde der Schutz für sechs Jahre gewährt worden war, hatte eine jährliche Abgabe von 6 Gulden für Steuer, Wacht und andere Dienste zu leisten. Die wenigen Juden wanderten jedoch bald wieder nach Heilbronn ab. 1457 war auch der oben erwähnte Moses dort wohnhaft. 1467 bekam Meister Johann von Huffeld, „getöffter Jude", wohl ein Arzt, das Esslinger Bürgerrecht.
1529/30 erlaubte der Rat nach mehrjährigen Verhandlungen mit Simon von Schwabach einer Anzahl jüdischer Familien (1530 waren es 7) die Niederlassung in der Stadt. Den Rat hatten auch diesmal bei seiner Entscheidung vornehmlich fiskalische Gründe bestimmt. Die Juden, deren Aufenthalt zunächst auf acht Jahre beschränkt war, hatten zu festgelegten Bedingungen den Bürgern und Einwohnern der Stadt sowie den Spitaluntertanen Geld und Pfänder zu leihen. Für Wein, Bier und Met mussten sie das übliche Ungelt entrichten. Im Unterschied zu den Bürgern hatten sie aber auch ihren Haustrunk zu versteuern (Hausungelt). Sie waren wie die anderen Einwohner verpflichtet, Frondienste zu leisten, bei Feuerbrünsten und bei Alarm (bewaffnet) zur Stelle zu sein. Bei Kriegen, für die die Stadt Knechte anwarb, musste jedes Judenhaus eine Sondersteuer von 5 Gulden entrichten. Der Rat verlangte von den Juden ein Geldgeschenk in Höhe von 1.200 Gulden und für später ein zinsloses Darlehen von 2.000 Gulden Er erklärte sich bereit, für die Juden vier Häuser zu errichten. Doch sollten sie die Baukosten mit 5 Prozent verzinsen und jährlich 300 Gulden Hauszins („zu pension") leisten. Statt der vier Häuser begann der städtische Werk meister bereits 1529 ein dreistöckiges Gebäude, 133 Schuh lang, 50 Schuh breit, mit 12 Kramläden, 12 Küchen und ebenso viel Kammern zu erstellen. Seit 1537 wies die Stadt unter württembergischem Druck ihre als „nagende Würmer" apostrophierten Juden wieder aus. Da jedoch zahlreiche Bürger an die Juden verschuldet waren, geschah dies erst nach und nach. In den Jahren 1541 und 1542 verließen die letzten jüdischen Familien die Stadt; sie wandten sich nach Geislingen, Bretten, Wimpfen und Eppingen. Abgesehen von den jüdischen Ärzten Salomon aus Stetten und Salomon aus Hechingen, die 1557 und 1575 hier Aufnahme fanden, durften sich bis zum Ende der Reichsstadt keine Juden mehr in Esslingen niederlassen. Jüdische Händler, die die hiesigen Märkte besuchten, mussten einen Leihzoll bezahlen und durften nur in Schildwirtshäusern einkehren. 1752 befreite der Rat allerdings jüdische Viehhändler für zwei Tage vom Leihzoll in der Hoffnung, dass dadurch dem städtischen Viehmarkt aufgeholfen würde.
1806 erlaubte König Friedrich fünf jüdischen Familien aus Wankheim, sich unter seinem Schutz in Esslingen anzusiedeln. Der König verlangte je Familie ein jährliches Schutzgeld von 12 Gulden, das später herabgesetzt und schließlich ganz beseitigt wurde. Jede Familie hatte ein Vermögen von 5.000- 6.000 Gulden nachzuweisen. Die Juden erhielten die Konzession für eine Quincailleriefabrik. Sie durften Privatgottesdienst halten, mussten Geburts-, Heirats- und Totenregister anlegen und diese wie ihre Handelsbücher in deutscher Sprache führen. Der Esslinger Rat versuchte zwar die Handelstätigkeit der Juden zu beschränken, vermochte sich aber gegen den Willen des absolutistischen Herrschers nicht durchzusetzen. 1807 legte die israelitische Gemeinde einen Friedhof vor dem Beutautor an, 1817/19 erbaute sie eine Synagoge. Die jüdischen Bürger machten im 19. und 20. Jahrhundert nur einen sehr geringen Bruchteil der Esslinger Bevölkerung aus und traten daher im öffentlichen Leben der Stadt kaum hervor. Am Lehrerseminar erhielten bereits seit 1821 auch jüdische Schüler ihre Ausbildung. Den ersten israelitischen Seminaristen gewährte König Wilhelm I. eine jährliche Unterstützung von 75 Gulden aus seiner Privatkasse. Anfang 1933 waren im Besitz von Juden einige Geschäfte und Industrie unternehmen: u.a. die 1879 gegründete Württembergische Handschuhfabrik Moritz Feigenheimer, das Schuhhaus Gold, die Ölhandlung Löwenthal, Viehhandlung Oppenheimer, Wäscherei Dawid. Die Esslinger Niederlassung der Fa. Volksbedarf leitete als Geschäftsführer Karl Blandowsky. Bis 1932 war Josef Walter Eisenbruch kaufmännischer Direktor der Maschinenfabrik Esslingen. Viktor Steiner unterhielt bis 1938 eine Rechtsanwaltspraxis. 1831 lebten hier 101 Juden, 1843 115, 1854 118, 1869 145, 1886 150, 1900 133, 1910 163 und 1933 142. In diese Zahlen sind auch die Zöglinge des 1842 gegründeten Israelitischen Waisenhauses „Wilhelmspflege" und die jüdischen Patienten der Privatklinik Kennenburg eingerechnet. Im Ersten Weltkrieg starben Fritz Lauchheimer und Theodor Lindauer den Soldatentod.
Mit der Geschichte der Jüdischen Gemeinde Esslingen im 19. und 20. Jahrhundert ist die Geschichte des Israelitischen Waisenhauses „Wilhelmspflege" aufs engste verbunden. Das Waisenhaus verdankt seine Gründung vornehmlich dem Ellwanger Buchhändler Isaak Heß (1789-1866), dessen lebenslange Bestrebungen darauf gerichtet waren, das soziale und kulturelle Niveau des württembergischen Judentums zu heben. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts lebte ein Großteil der Juden Württembergs in Not und Armut. Zahlreiche jüdische Kinder kannten kein Zuhause, wuchsen in Unbildung, seelischer und körperlicher Verwahrlosung auf. Dieser Not wollte Heß abhelfen und gründete 1831 mit Zustimmung der württembergischen Regierung den Verein zur Versorgung armer israelitischer Waisen und verwahrloster Kinder. König Wilhelm von Württemberg steuerte zum finanziellen Grundstock des Vereins 300 Gulden aus seiner Privatkasse bei. Zunächst brachte der Verein, der die Unterstützung vieler gebefreudiger Männer und Frauen fand, seine Pfleglinge bei geeigneten Familien, meist Lehrerfamilien, unter, überwachte die Erziehung der Kinder und beschaffte die erforderlichen finanziellen Mittel für Verpflegung und Unterkunft. Schon in den ersten zehn Jahren seines Bestehens vermochte der Verein auf diese Weise 57 Kinder (die jährlichen Aufnahmen schwankten zwischen 4 und 8) dem Elend zu entreißen. Da die Form der offenen Waisenpflege viele Nachteile hatte, entschloss sich der Verein für die geschlossene Waisenfürsorge. Er erwarb zu diesem Zweck in Jahr 1842 in der Enten Grabenstraße in Esslingen ein Anwesen und richtete es als Waisenanstalt ein. Am 30. Oktober 1842 bezogen 26 Zöglinge mit ihrem Hausvater Leopold Liebmann das neue Heim, dem König Wilhelm I. von Württemberg erlaubte, den Namen „Wilhelmspflege" anzunehmen. Den Vorsitz des Vereins hatte bis 1853 Dr. Samuel Dreifuß inne, dann bis 1883 der Stuttgarter Privatgelehrte Adolf Levi, dem König Karl 1876 für seine Verdienste um das Israelitische Wohlfahrtswesen den Titel eines Hofrats verlieh. Unter Adolf Levi wurde das Anstaltsgebäude vergrößert und umgebaut. Es konnte seit 1880 40 Zöglinge aufnehmen. Levis Nachfolger im Amt des Vereinsvorstands waren M. H. Goldschmidt (1883-1907), Landgerichtsdirektor Ludwig Stern (1907-34) und Rechtsanwalt Dr. Alfred Schweizer (1934-39). 1913 konnte in Anwesenheit des württembergischen Königspaares das von den Stuttgarter Architekten, den Regierungsbaumeistern Bloch und Guggenheimer, neuerrichtete Anstaltsgebäude hinter der Burg in der Mülbergerstraße eingeweiht werden. Im Ersten Weltkrieg stellte der Verein das halbe Gebäude der Militärverwaltung als Lazarett zur Verfügung. Die Satzungsänderung vom 7. Mai 1914 ermöglichte die Aufnahme von Reichsdeutschen nichtwürttembergischer Staatsangehörigkeit und von Ausländern. Bis dahin war die Aufnahme auf württembergische Juden beschränkt gewesen. Außerdem wurde eine Kleinkinderabteilung gebildet, in die Kinder schon von drei Jahren an aufgenommen wurden. Die Inflation der zwanziger Jahre vernichtete nahezu das ganze Anstaltskapital. Erst allmählich konnte wieder ein bescheidener finanzieller Grundstock gebildet werden.
Die „Wilhelmspflege" nahm unter den Fürsorgeanstalten Württembergs im 19. und 20. Jahrhundert einen wichtigen Platz ein. Der erste Lehrer und Hausvater Leopold Liebmann (geb. 1805 in Aufhausen, gest. 1893 in Esslingen) hatte als einer der ersten Juden das Lehrerseminar Esslingen durchlaufen und war dann Lehrer an der 1824 gegründeten israelitischen Konfessionsschule Esslingen geworden. Er besaß ein reiches Wissen und ein großes pädagogisches Geschick.
Unter seiner Leitung wurde die Schule der „Wilhelmspflege", der bis zu ihrer Aufhebung im Jahre 1873 auch die israelitische Volksschule Esslingen angegliedert war, eine der besten israelitischen Schulen Südwestdeutschlands. Liebmann sah auf strenge Zucht und eine gründliche schulische Ausbildung. Doch legte er auch schon Wert auf Turnen. Durch Lehrgänge und größere Ausflüge suchte er den Unterrichtlebens nah zu gestalten. Sein Nachfolger, Leopold Stern (Hausvater 1873-1899), verstand es, unterstützt von seiner Frau, aus der Anstalt ein wahres Heim zu machen und den Kindern das Elternhaus zu ersetzen. Die fünf Kinder Sterns saßen mit den Zöglingen am gleichen Tisch und besuchten mit ihnen zusammen die Schule des Waisenhauses, die sich ihren alten guten Ruf wahrte. Hausvater Stern räumte den Kindern größere Freiheiten ein. Er lockerte, wo er konnte, das Anstaltsleben auf und bemühte sich, die Zöglinge zur Selbständigkeit zu erziehen. Nach seinem plötzlichen Ableben (1899) erhielt sein Schwiegersohn Theodor Rothschild, der seit 1896 als zweiter Lehrer an der Anstalt tätig war, das Amt des Hausvaters. Rothschild war eine bedeutende Erzieherpersönlichkeit, unter dessen Leitung die Anstalt einen weiteren Aufschwung nahm. Die Schule des Waisenhauses wurde dreiklassig. Der Unterrichtsplan umfasste neben den Fächern der Volksschule auch eine Fremdsprache und Kurse in Kurzschrift. Seit 1917 war der Anstalt ein kleiner landwirtschaftlicher Betrieb angegliedert, in dem die Kinder bäuerliche und gärtnerische Arbeiten erlernen konnten. 1931 besaß die „Wilhelmspflege" 120 Ar Ackerland, 3 Kühe und 50 Hühner. Die Hundertjahrfeier des Waisenvereins im Jahr 1931 wurde feierlich begangen. Damals lebten in der Anstalt 57 Kinder, von denen 38 aus Württemberg stammten. Der Präsident des Israelitischen Oberrats, Ministerialrat Dr. Otto Hirsch, stellte in seinem Glückwunsch der „Wilhelmspflege" das Zeugnis aus, dass in ihr stets ein „echt jüdischer und echt schwäbischer Geist" geherrscht habe. Der in Stuttgart im Ruhestand lebende frühere Esslinger Oberbürgermeister, Dr. von Mülberger, rühmte die „Fülle von Arbeit und Menschenliebe", die sich in der Anstalt widerspiegle.
Nach der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus wurde die „Wilhelmspflege" ein Zentrum jüdischen Lebens in Württemberg und darüber hinaus. Sie hat in größerer Zahl jüdischen Jugendlichen eine gute Schulausbildung vermittelt und auf ein verantwortungsbewusstes tätiges Leben im Ausland vorbereitet. Theodor Rothschild, der später in der Deportation ums Leben kam, hat sein Werk, wenig behindert durch den nationalsozialistischen Staat, bis 1938 fortführen können. Im Juni 1938 beherbergte die Anstalt 78 Kinder. Während der sogenannten Kristallnacht demolierten SA-Männer die Inneneinrichtung des Hauses, bedrohten und beraubten die Kinder, misshandelten die Lehrer, verbrannten auf dem Hof wertvolle Bücher und Thorarollen. Die Anstalt durfte im Januar 1939 nochmals eröffnet werden, wurde aber mit Kriegsbeginn endgültig geschlossen.
Die jüdische Gemeinde Esslingen bestand bis zum August 1939 und wurde dann mit der israelitischen Gemeinde Stuttgart vereinigt. Die Synagoge wurde am 10. November 1938 von einer zu einer Protestkundgebung versammelten Menschen menge demoliert. Dies geschah gegen den Willen des Kreisleiters, der sich dem Befehl, die Synagoge in Brand zu stecken, mit den Worten widersetzt hatte: „So etwas Narrets machen wir nicht". Die meisten jüdischen Bürger vermochten bis 1941 auszuwandern, ein kleiner Teil, der in der Stadt zurückgeblieben war, fand in der Deportation den Tod. Genaue Zahlen liegen bis jetzt nicht vor.
Die Synagoge ist heute städtisches Jugendhaus, das Gebäude der „Wilhelmspflege" beherbergt das staatliche Waisenhaus.[1] Die Erinnerung an die israelitische Gemeinde bewahren der Beutau-Friedhof mit seinen wenigen Grabsteinen und die israelitische Abteilung auf dem Ebershalden-Friedhof. Auf dem Ebershalden-Friedhof sind in einem Massengrab 85 Juden aus verschiedenen Ländern beigesetzt, die im Außenlager Bernhausen des Konzentrationslagers Natzweiler/Elsaß in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs starben.
In dieser Studie nachgewiesene Literatur
- Bilder vom Haus des Betsaals und vom Alten Friedhof, in: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe, 1932, S. 73f.
- Festschrift aus Anlass des 100jährigen Bestehens der israelitischen Waisen- und Erziehungsanstalt in Esslingen a. N. 1831-1931.
- Haffner, Erwin, Geschichte der Juden in Esslingen, in: Württ. Jahrbücher 1938/39, S. 39-52.
- Maier-Leonhard, F., Jüdisches Kinderleid in Württemberg, in: Stuttgarter Zeitung, 27. Oktober 1962, S. 33.
- Overdick, Renate, Die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Juden in Südwestdeutschland im 15. und 16. Jahrhundert dargestellt an den Reichsstädten Konstanz und Esslingen und der Markgrafschaft Baden. Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen, Band XV., hg. vom Stadtarchiv Konstanz, Konstanz 1965.
- Pfaff, Karl, Die früheren Verhältnisse und Schicksale der Juden in Württemberg, Württ. Jahrbücher 1857.
- Zum Gedächtnis der Israelitischen Wilhelmspflege Esslingen, Festschrift der Israel. Kultusvereinigung Württemberg und Hohenzollern zu Pesach 5721, April 1961, S. 27f.
Anmerkungen
[1] Diese Informationen beziehen sich auf das Jahr 1966, als die Studie erschien.
Ergänzung 2023:
Die Synagoge diente von 1949 bis 1986 als städtisches Jugendhaus. Danach war in dem Gebäude eine Galerie ansässig. Seit 2012 wird die Synagoge von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg wieder in ihrem ursprünglichen Sinn als Gotteshaus genutzt.
Zitierhinweis: Sauer, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1966, Beitrag zu Esslingen am Neckar, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.11.2022
Lektüretipps für die weitere Recherche
- Germania Judaica, Bd. 3, 1. Teilband, hg. von Arye Maimon/Mordechai Breuer/Yacov Guggenheim, Tübingen 1987, S. 334ff.
- Hahn, Joachim, Jüdisches Leben in Esslingen. Geschichte, Quellen und Dokumentation, (Esslinger Studien, Bd. 14), Sigmaringen 1994.
- Kögel, Eberhard, Habt ihr scho gedeild? Erinnerungen an den jüdischen Viehhandel in Esslingen, hg. von Denk-Zeichen e.V. Esslingen, Haigerloch 2006.
- Lang, Stefan, Ausgrenzung und Koexistenz. Judenpolitik und jüdisches Leben in Württemberg und im „Land zu Schwaben“ (1492-1650), (Schriften zur Südwestdeutschen Landeskunde, Bd. 63), Sigmaringen 2008.
- Schild, Thomas, Jüdisches Esslingen. Einladung zu einem Rundgang, Haigerloch 2003.
- „Tröstet Euch, uns geht es gut“. Theodor Rothschild. Ein jüdischer Pädagoge zwischen Achtung und Ächtung, hg. Kulturreferat der Stadt Esslingen und Stadtmuseum Esslingen, Plochingen 1998.