Religion und Migration

Von Karina Beck

Bibel der Waldenser
Französische Bibel der Waldenser aus Neuhengstett, 1705 [Quelle: Landesmedienzentrum Baden-Württemberg]

In Europa gab es schon immer Menschen, die ihre Heimat verließen, weil sie hofften, das gelobte Land anderswo zu finden. Die Gründe dafür sind vielgestaltig: Krieg, Hungersnot, Überbevölkerung, aber auch religiöse Unterdrückung brachten Menschen dazu, aufzubrechen. Im 19. Jahrhundert erreichten diese Wanderbewegungen einen Höhepunkt. Manche der religiös motivierten Wanderbewegungen haben bis heute ihre Spuren hinterlassen – in Baden-Württemberg und darüber hinaus.

Einwanderung nach Baden und Württemberg: Hugenotten und Waldenser

Gedenktafel Neuhengstett Waldenser
Auf einem Waldenser-Gedenkstein in Neuhengstett ist das Waldenserwappen mit den sieben Sternen, die einen Leuchter umgeben, zu erkennen [Quelle: Landesmedienzentrum BW]

Die reformierten Christen Frankreichs wurden als religiöse Minderheit in ihrer Heimat bedrängt und verfolgt. 1685 untersagte Ludwig XIV. den sogenannten Hugenotten die Ausübung ihres Glaubens. Daraufhin suchten um die 200.000 Hugenotten eine neue Heimat in anderen Ländern. Viele gingen in die Schweiz und zogen von dort aus weiter. Einige kamen auch nach Württemberg und Baden und ließen sich dort nieder.

Neben den Hugenotten, die sich aus dem katholischen Frankreich ins protestantische Württemberg aufmachten, kam um 1699 eine Gruppe Waldenser ins Land. Der Ursprung dieser Glaubensgemeinschaft liegt im 12. Jahrhundert in Lyon. Dort gab der Kaufmann Petrus Valdes eine Bibelübersetzung in das dort gebräuchliche provencalisch in Auftrag und zog als Laienprediger durch die Lande. Die Bewegung verbreitete sich schnell in ganz Europa, wurde dann aber von der Inquisition verfolgt. In einigen Bergtälern im Piemont fanden die Waldenser eine Heimat. Die Französisch Sprechenden unter ihnen wurden 1699 ausgewiesen und durften sich in Württemberg in der Gegend um Mühlacker und im heute badischen Palmbach und Mutschelbach ansiedeln. Sie sprachen ihren eigenen Dialekt (Patois) und wählten ihre Pfarrer selbst. Im 19. Jahrhundert gingen die Waldenser in die Landeskirchen ein. Die Waldensergemeinden im Land pflegen bis heute den Austausch mit den Waldensern im Piemont. Ihr Wappen (sieben Sterne umgeben einen Leuchter auf einer Bibel) sieht man noch an Gebäuden und auf Kreisverkehren. Auch ihre französisch klingenden Nachnamen verweisen auf ihre Herkunft. Die deutschen Waldenser sind organisiert in der deutschen Waldenservereinigung.

Auswanderung

Im 18. und 19. Jahrhundert warben manche Länder um Auswanderungswillige. Dazu gehörten Preußen, Russland, Amerika, aber auch südosteuropäische Länder. Dabei wurde meist darauf geachtet, dass sich in protestantischen Gebieten Protestanten, in katholischen Gebieten Katholiken ansiedelten. Im Jahre 1717 wanderten einige aus der Schweiz stammende Mennoniten von Mannheim nach Pennsylvania aus. Ihnen folgten in den kommenden Jahrzehnten weitere, darunter auch die „Amischen“, die als „Amish People“ noch heute einen (kur)pfälzischen Dialekt sprechen.

Der aus Iptingen stammende Johann Georg Rapp lehnte die lutherische Amtskirche ab. Er und seine Anhänger verweigerten den Gottesdienst- und Schulbesuch. Sie tauften ihre Kinder selbst. Dies zog eine Untersuchung nach sich. Doch Rapp kam den Konsequenzen zuvor, indem er 1803 mit seinen Anhängern nach Pennsylvania auswanderte und dort den Ort Harmony gründete.

Binnenwanderung: Gelobte Länder im eigenen Land

Einige fromme Christen wollten im Land bleiben und als fromme Gemeinschaft auf die Wiederkunft Christi warten. So wurden 1806 Königsfeld im Schwarzwald, 1819 Korntal und 1824 Wilhelmsdorf gegründet, alle nach dem Vorbild Herrnhuts in Sachsen. Alle drei Gemeinden lagen zur Gründungszeit auf württembergischem Gebiet. Königsfeld und Wilhelmsdorf wurden daher nach dem zur Gründungszeit herrschenden Fürsten Württembergs benannt. Seit 1810 gehörte Königsfeld dann zum Großherzogtum Baden.

Alle drei Gründungen erhielten besondere Privilegien von der jeweiligen Landesregierung, die zum Teil noch heute gelten: So wählen die drei Brüdergemeinden ihre Pfarrer selbst und sind auch finanziell weitgehend unabhängig von der Württembergischen beziehungsweise Badischen Landeskirche.

Schon früh gründeten die Brüdergemeinden soziale Einrichtungen wie die Zinzendorfschule in Königsfeld (heute eine Privatschule in evangelischer Trägerschaft) und Kinder- und Jugendheime in Wilhelmsdorf und Korntal (heute werden diese und weitere Einrichtungen gemeinsam betrieben von der Diakonie der evangelischen Brüdergemeinde Korntal gGmbH) .

 

Zitierhinweis: Karina Beck, Religion und Migration, in: Alltagskultur im Südwesten, URL: […], Stand: 08.08.2020

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