Im Einzelnen wurden folgende Themen abgefragt:
- Namen von Orten, Fluren, Wegen, Bächen, Höfen etc.
- Familien- und Taufnamen
- Hausbau und Dorfanlage, Haus- und Hofmarken
- Volkstracht
- Nahrung (Art, Namen der Speisen, Häufigkeit der Mahlzeiten)
- Gewerbe und Gewerbezeichen
- Volkslieder, Kinderreime, Volkschauspiele, Sprichwörter, Schwänke, Ortsneckereien, Rätsel, Märchen, Sagen
- Sitten und Bräuche (z. B. bei Geburt, Hochzeit, Krankheit, Tod, Recht, Landwirtschaft, Schule)
- Mundartliche Bezeichnungen zum gesamten Lebensumfeld
Das Antwortmaterial des Fragebogens zur Sammlung der Volksüberlieferungen von 1894/1895 verblieb zunächst im Besitz des Freiburger Badischen Vereins für Volkskunde und dessen Rechtsnachfolger, dem Landesverein Badische Heimat. Der heutige Bestand an Originalbögen, die sich in der Außenstelle Südbaden befinden, wurde vom Landesverein Badische Heimat in den ersten Nachkriegsjahren dem Freiburger Volkskundler Prof. Dr. Johannes Künzig übergeben und von diesem in die Badische Landesstelle für Volkskunde verbracht (1960 in Freiburg gegründet, seit 2005 Außenstelle Südbaden des Badischen Landesmuseums Karlsruhe).
Der Fragebogen zur Sammlung der Volksüberlieferungen von 1894/1895 ist ein einmaliges historisches Quellenmaterial, das bislang in seiner Bedeutung für die regionale Kulturgeschichte und Landeskunde nicht umfassend berücksichtigt wurde. Als einziger der beteiligten Wissenschaftler hat Elard Hugo Meyer die Fragebögen aus seinen Schwerpunktthemen „Sitte“ und „Brauch“ ausgewertet und publiziert (1900, Reprint 1984). Einzelaspekte wie „Ortsneckereien“, „Hochzeitsbräuche“ oder „Sagen“ wurden zu einzelnen badischen Regionen oder Gemeinden in den ersten Jahren nach der Erhebung in Zeitschriften publiziert. Die meisten Themenbereiche blieben aber bis heute weitgehend unbearbeitet. In der Wissenschaft wurde die badische Fragebogenerhebung rasch bekannt und diente weiteren Projekten zur Erfassung regionaler Volkskultur als erprobte Vorgabe. Sie war wissenschaftliches Vorbild für Karl Bohnenbergers „Konferenzaufsätze“ in Württemberg und für die bayernweite Umfrageaktion von Friedrich von der Leyen zur bayerischen Volkskultur von 1908/09.
Heute wird das Fragebogenmaterial hauptsächlich für die Bearbeitung des „Badischen Wörterbuchs“ und bei der Erstellung von Ortsmonographien genutzt. Sein Nutzungspotential betrifft aber auch folgende Forschungsbereiche und ist somit über das Fach Volkskunde hinaus von wissenschaftlichem Interesse:
- Landesgeschichte sowie Landeskunde am Ende des 19. Jahrhunderts
- Allgemeine Wirtschafts- und Sozialgeschichte
- Sprachwissenschaft (Namensforschung, Mundartforschung etc.)
- Lebensverhältnisse im ländlichen Raum des 19. Jahrhunderts (Arbeits- und Wirtschaftsweisen, Wohnen, Volksfrömmigkeit, geschlechtsspezifische Aspekte, Kommunikationsstrukturen, Verhaltens- und Brauchmuster)
- Wissenschaftsgeschichte und Methodenkritik
Literatur
- Assion, Peter, Volkskunde in Baden. Versuch einer Standortbestimmung, in: Badische Heimat 64 (1984), S. 463-490.
- Heck, Brigitte, Volkskunde Ü 100. Interdisziplinäre Fach(er)findung im 19. Jahrhundert, in: MAXIMILIANSTR. 15: 50 Jahre Institut für Volkskunde in Freiburg – Ein Erinnerungsalbum (Freiburger Studien zur Kulturanthropologie), hg. von Jörg Giray, Markus Tauschek, Sabine Zinn-Thomas., Münster/New York 2017, S. 93-106.
- Mezger, Werner, „Badisches Volksleben im 19. Jahrhundert“. Die volkskundliche Umfrage von 1894/95 in Baden und ihre Verwertung durch Elard Hugo Meyer, in: Volksleben im 19. Jahrhundert. Studien zu den bayerischen Physikatsberichten und verwandten Quellen, hg. v. Peter Fassl und Rolf Kießling (= Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft, Reihe 10: Quellen zur historischen Volks- und Landeskunde, Bd. 2), Augsburg 2003, S. 143 – 168.
Zitierhinweis: Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Außenstelle Südbaden), Der „Fragebogen zur Sammlung der Volksüberlieferungen“ in Baden, in: Alltagskultur im Südwesten, URL: [...], Stand: 19.11.2020