Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Jahr 1817

Situations Plann über den Englischen Garten auf Eichler Weg und die von da aus angelegte Chausse durch den Haag Berg biß ins Schloß. Erbaut […] um den armen Leuten bey dermahligen harten Zeit […] Verdinst zu verschaffen. Den 20.ten Januar 1817 – Quelle LABW (StAWt-F K 62)
"Situations Plann über den Englischen Garten auf Eichler Weg [...] Erbaut […] um den armen Leuten bey dermahligen harten Zeit […] Verdinst zu verschaffen". Quelle LABW (StAWt-F K 62)

Als am 14. April 2010 der isländische Vulkan Eyjafjallajökull ausbrach, kam es durch die Einstellung des europäischen Flugverkehrs nur zu volkswirtschaftlichen Schäden in Milliardenhöhe. Weit schlimmer 200 Jahre zuvor: der Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora am 5. April 1815 erzeugte eine gewaltige Eruptionssäule bis in die Stratosphäre, wo der Ascheschleier die Sonnenstrahlen reflektierte. Im darauffolgenden Jahr ohne Sommer kam es weltweit zu Missernten und Hungersnöten.

Die badische Regierung vertraute auf die Selbstregulierungskräfte des Marktes und reagierte eher zögerlich. Dies forderte Fürst Georg zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg (1775–1855), seit Februar 1816 zwar Familienoberhaupt, jedoch durch die Mediatisierung der Grafschaft Wertheim 1806 der direkten Verantwortung für die Wertheimer ent- hoben, wohl geradezu heraus: Er richtete lokal Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ein. Bereits im Frühjahr 1816 hatte er begonnen, das Schlösschen im Eicheler Hofgarten im Stil der Zeit umzugestalten. Aus der Barockanlage wurde in fünffacher Größe ein englischer Landschaftsgarten, die sogenannten Birkenanlagen. Ein neuer Weg sollte die Wertheimer Burg mit dem Sommerschlösschen verbinden. Die notwendigen Arbeiten wurden nun ausdrücklich an die Wertheimer Bevölkerung vergeben" [...] um den armen Leuten bey dermahligen harten Zeit, wo 6 Pfundt Brod 38 Xr im Preiß gestanden, Verdinst zu verschaffen [...]", wie es auf einem zeitgenössischen Situationsplan heißt. Am 15. Januar 1817 werden durch öffentliches Ausschellen alle Taglöhner auf diese Verdienstmöglichkeit, die bereits am folgenden Tag beginnen sollte, hingewiesen. Für diese Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gab Fürst Georg "[...] als besondere Kosten auf Fertigung der Chausee von f. Residenz Schloße aus, über das alte Schloß durch den Birkenschlag bis zum Hofgarten [...]"allein vom 16. Januar bis 29. März 1817 für Maurer, Taglöhner und Fuhrleute 2.014 Gulden aus.

Die Maßnahmen wirkten. Nach der überstandenen Hungerkrise wurde die neue, gute Ernte des Jahres 1817 mit einem Erntedankfest Anfang August gefeiert. Aus Dankbarkeit für die fürstliche Unterstützung wurde sogar eigens ein Verein gegründet, der Dankbarkeitsverein. Einziger Vereinszweck war die Errichtung und der Erhalt eines Denkmals zur Erinnerung an diese Leistung Fürst Georgs. Das Denkmal wurde am 13. April 1819 in Anwesenheit des Fürstenpaares am Fürstenweg in den Birkenanlagen eingeweiht. Alljährlich versammelte sich der Verein am 23. April, dem Namenstag des Fürsten, bei dem Denkmal, um mit dem Birkenfest dessen Wohltaten zu gedenken.

Auch in der Folgezeit engagierten sich Fürst Georg und Fürstin Ernestine immer wieder, wenn es galt, Not zu lindern. So wurde auf ihre Anregung hin am 9. Dezember 1824 der Frauenverein Wertheim gegründet. Vereinszweck sollte sein, die durch das Hochwasser 1824 entstandene Not lindern zu helfen und der allgemein zunehmenden Verarmung der niederen und Mittelklasse entgegenzuwirken. Das Fürstenpaar ist bis heute in der Stadt in so guter Erinnerung, dass während des Stadtjubiläums 2006 bei allen offiziellen Veranstaltungen Fürst Georg und Fürstin Ernestine als historische Persönlichkeiten auftraten.

 Monika Schaupp

Quelle: Archivnachrichten 46 (2013), S.10-11.

 

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