Baden - Liberalismus und Vormärz

"Reichs-Parlaments-Dampf-Maschine", 1848. (GLAK J-S Karikaturen Nr. 191)
„Reichs-Parlaments-Dampf-Maschine", 1848 [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK J-S Karikaturen Nr. 191]

Der erste Landtag war hauptsächlich mit Anhängern der neuen Ideen besetzt, und so kam es, dass Baden die Hoffnungen der Liberalen in ganz Deutschland trug, denn nirgends wurden so freimütig die Forderungen nach Schwurgerichten, Pressfreiheit und deutscher Einheit aufgestellt wie im Karlsruher Ständehaus. Der Streit mit der Regierung blieb nicht aus, vor allem um das Adelsedikt, weshalb der Großherzog schließlich auf dem Verordnungswege die Rechte der Standes- und Grundherrn teilweise erneuerte, und den Militäretat. Diesen Widerstand konnte Großherzog Ludwig durch Wahlbeeinflussung und Verfassungsänderungen teilweise lahmlegen. Wortführer waren inzwischen vor allem drei Männer geworden, von denen nur einer aus Baden stammte. Es waren die beiden Freiburger Professoren Karl von Rotteck, zunächst bis 1830 als Vertreter der Universität in der ersten Kammer, und Karl Theodor Welker aus Oberhessen, sowie der aus mainzischen, dann leiningischen Diensten nach Baden übergewechselte Johann Adam von Itzstein als Mannheimer Abgeordneter.

1840 wurde in Heidelberg der von Friedrich Eisenlohr entworfene Kopfbahnhof in Betrieb genommen (GLAK G Technische Pläne II EB 1 Nr. 2)
1840 wurde in Heidelberg der von Friedrich Eisenlohr entworfene Kopfbahnhof in Betrieb genommen [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK G Technische Pläne II EB 1 Nr. 2]

Zu Anfang der Regierung des Großherzogs Leopold (1830-1852) aus der Hochbergischen Seitenlinie, dessen Regierungsantritt mit überschwänglichen Hoffnungen begrüßt wurde, setzte unter Auswirkung der Julirevolution tatsächlich eine freiheitliche Gesetzgebung ein. 1831 wurde die erst in den Jahren nach 1803 vollendete staatliche Kuratel über die Gemeinden beseitigt und mit der Selbstverwaltung Ernst gemacht; mit Ausnahme der Israeliten war die Gleichheit der Ortsbürger hergestellt. Eine Reihe von Verordnungen und das Gesetz über die rechtliche Stellung der Volksschullehrer und den Schulaufwand sorgten 1834/35 für eine einheitliche Ausprägung des noch immer konfessionellen Schulwesens. Die ebenfalls gewährte Pressfreiheit musste unter dem Druck Österreichs und des Bundestages zurückgenommen werden. Etwas verspätet, wobei auch die Liberalen in der Kammer wegen ihres Misstrauens gegen Preußen und der badischen Wirtschaftsbeziehungen nach Westen und Süden teilweise opponierten, trat das Großherzogtum 1835 dem Zollverein bei. 1838 erfolgte ein Landtagsbeschluss für den Bau einer staatlichen Eisenbahnlinie von Mannheim bis Basel. Die auf das Hambacher Fest folgenden Gegenmaßnahmen hatten auch in Baden die konservativen Kräfte wieder zum Zuge gebracht, zunächst Reitzenstein und danach Friedrich Karl Landolin von Blittersdorf. Dieser sorgte für Beschneidung der im Gemeindegesetz von 1831 gewährten Rechte. Sein Versuch, den Beamten keinen Urlaub mehr für die Sitzungen des Landtags zu gewähren, führte zum offenen Konflikt, zu Landtagsauflösung und Neuwahlen, bei denen die Regierung 1841 unterlag; der Landtag wurde damit radikalisiert und ging zur ausgesprochenen Oppositionshaltung über. Blittersdorf trat 1843 zurück. Nach einer Übergangszeit, unter der die ersten konfessionellen Gegensätze aufbrachen, folgte 1846 das Reformministerium Johann Baptist Bekk, der durch Verfassungstreue den Landtag und durch Hilfsmaßnahmen für die Notleidenden das Volk zu gewinnen suchte. Unter ihm zeigte sich erstmals deutlich eine Spaltung der fortschrittlichen Landtagsmehrheit in Radikale und Liberale.

Arbeiter aus der Griesbachschen Fabrik in der Mittagspause unter den Kolonnaden der Karlsruher Stadtkirche, 1836 (GLAK Karlsruhe S Thomas Kellner 1/84)
Arbeiter aus der Griesbachschen Fabrik in der Mittagspause unter den Kolonnaden der Karlsruher Stadtkirche, 1836 [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK Karlsruhe S Thomas Kellner 1/84]

Dies ist auch von der Entwicklung der Bevölkerungs- und Sozialstruktur her zu sehen. Die Einwohnerzahl war in den Jahren 1816 bis 1846 von 1 Mio. auf knapp 1,4 Mio. gewachsen. Sie wäre weit höher gewesen, wenn nicht in den Notjahren um 1817 und seit 1845 große Auswandererströme hauptsächlich nach Amerika, nochmals in den Osten und seit 1830 auch nach Algier das Land verlassen hätten. Die Freiteilbarkeit hatte zu einer Überbesetzung mit Kleinlandwirten und Kleingewerbetreibenden geführt. Der Landwirtschaft brachte zwar die Ablösung der Feudallasten zwischen 1809 und 1849, vor allem des Zehnten 1833, eine merkliche Befreiung, zahlreiche neue Existenzen wurden möglich, aber durch die Ablösungskapitalien wuchs auch die Schuldenlast. Die Rheinkorrektion nach den Plänen des Obersten Tulla, durch einen Staatsvertrag mit Bayern 1817 in Angriff genommen und 1876 vollendet, diente wie zahlreiche andere Kulturmaßnahmen in erster Linie der Hebung der Landwirtschaft und nur in zweiter dem Verkehr. Die Industrie war bis zur Mitte des Jahrhunderts noch unterentwickelt und beschäftigte 1844 erst 5 % der Bevölkerung, obwohl sie seit dem Zollverein einen bedeutenden Aufschwung genommen hatte. 1847 wurde sie durch eine vom Ausland ausgehende Bankkrise schwer getroffen. So war eine gewisse Unruhe und Unzufriedenheit im Lande durchaus vorhanden, der Anstoß zur Revolution kam von außen.

(Quelle: Bearbeitete Fassung aus dem Abschnitt Landesgeschichte, in: Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden, hg. von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg, Band I, Stuttgart, 2. Aufl. 1977)

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