Der Zweite Weltkrieg
Anders als der Erste Weltkrieg sah der Zweite an seinem Beginn die Front unmittelbar am Rhein. Aus dem Bereich der vorderen Linien des Westwalls wurde die Zivilbevölkerung in das Landesinnere evakuiert. Die Kampftätigkeit war aber bis zum Westfeldzug vom Mai 1940 kaum nennenswert und danach Südwestdeutschland den Kriegsschauplätzen fern. Schon 1940 machten sich die ersten, noch wenig spürbaren Ansätze zum Luftkrieg bemerkbar. Am meisten Erregung hatte freilich der irrtümliche Bombenabwurf deutscher Flugzeuge auf Freiburg während des Westfeldzugs, der natürlich als gegnerische Aktion ausgegeben wurde, hervorgerufen. Schon frühzeitig stellte man sich in den Großstädten durch Schutzraum- und Bunkerbau sowie durch Evakuation von Kindern und Frauen auf den sich ab Frühjahr 1943 deutlich verstärkenden Luftkrieg ein. Zunächst waren auch Mannheim, Stuttgart und Karlsruhe Hauptziele dieser Luftangriffe.
Trotz furchtbarer Bombardements, der Auslöschung der Stadtkerne und einer Vernichtung von weit mehr als der Hälfte des Wohnraums in Mannheim und Stuttgart konnten die Verluste der Bevölkerung in diesen Städten recht niedrig gehalten werden (Mannheim rd. 2.200, Stuttgart rd. 3.500), in Karlsruhe war das Ausmaß der Zerstörung nicht so groß (ca. 33% des Wohnraums, knapp 1.800 Tote). Im Lauf des Jahres 1944 trafen die Luftangriffe auch kleinere, meist auch nicht durch Luftabwehr geschützte andere Industriezentren wie Ulm, Friedrichshafen, Gaggenau und Orte in der Umgebung von Stuttgart sowie zahlreiche Bahnknotenpunkte.
Die Verluste waren hier schon zum Teil recht hoch, wurden aber weit in Schatten gestellt von den Städten, die gegen Ende des Krieges, zum Teil völlig überraschend durch jeweils einen einzigen Großangriff, hauptsächlich mit Phosphorbomben, auf die engen Altstädte vernichtet wurden und unverhältnismäßig viele Opfer zu beklagen hatten, wie Freiburg am 27. November 1944 (fast 3.000 Tote), Heilbronn am 4. Dezember 1944 (6.500 Tote), Pforzheim am 23. Februar 1945 (ca. 15.000 Tote), Bruchsal am 1.März 1945 (800 Tote). Trotz alldem wurden, teilweise mit harten Maßnahmen, Verkehr und Rüstungsproduktion weitgehend aufrechterhalten. Das Näherrücken der Front seit der Invasion vom Sommer 1944 brachte zusätzlich Jagdbomberangriffe auf Bahnlinien und Straßen, oft auch auf militärisch völlig bedeutungslose Ziele, und ab Herbst 1944 tatsächlich eine Lähmung des Verkehrs bei Tage.
Der meist nur in der Stille mögliche Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime, getragen von kirchlichen, sozialdemokratischen, liberalen und anderen Gruppen hat im Lande selbst, abgesehen vom Kirchenkampf und von einer durch die Gestapo unterdrückten kommunistischen Gruppe in Mannheim, kaum weithin sichtbare Formen angenommen.
Mit dem Durchbruch der Alliierten zum Rhein bei Kembs und bei Straßburg war die Front seit November 1944 wieder an die Westgrenze Badens herangerückt. Als wichtiger Übergang für den im Elsass noch gehaltenen Brückenkopf, dann als Frontstadt wurde Breisach durch Bomben und Granaten weitgehend zerstört, ein ähnliches Schicksal traf Kehl. Die Kämpfe selbst verlagerten sich seit dem amerikanischen Rheinübergang zwischen Oppenheim und Mannheim am 26. März 1945 auf rechtsrheinischen Boden. Die deutschen Truppen waren schon weitgehend angeschlagen, vor allem mit Treibstoff schlecht versorgt und bestanden vielfach aus nur beschränkt verwendungsfähigem Ersatz. Sie hatten der absoluten Material- und vor allem Luftüberlegenheit des Gegners nur noch hinhaltenden Widerstand entgegenzusetzen. Der VII. amerikanischen Armee gelang von ihrem Brückenkopf nördlich Mannheim aus am 28. März der Durchbruch in den fast unverteidigten Odenwald, so dass sie die deutsche Front bis zur Linie Schweinfurt-Mergentheim-Heilbronn aufriss. Mannheim und Heidelberg wurden besetzt. Südlich davon überschritt auf Weisung Charles de Gaulles und gegen ursprüngliche amerikanische Pläne die I. französische Armee den Rhein bei Speyer (31. März /1. April), um den Anspruch auf Gleichberechtigung mit den drei großen Verbündeten und eine eigene Besatzungszone anzumelden. Verhältnismäßig rasch gelang der Vorstoß in den Kraichgau und die Eroberung von Karlsruhe (4. April). Die Linie Speyer-Lauffen wurde zur Grenze zwischen Amerikanern und Franzosen. Vom 4. April an konsolidierte sich aber der deutsche Widerstand an Jagst, Neckar, Enz und südlich Karlsruhe. Ein bis Crailsheim vorgedrungener Panzerkeil der Amerikaner wurde abgeschnitten und musste sich den Rückweg nach Norden erkämpfen. Die Kampfhandlungen nahmen schärfere Formen an, und da wo sich der Widerstand verdichtete, etwa in Königshofen a. d. T., Waldenburg, Weinsberg, Löwenstein, Ilshofen, Mörsch, wurden ganze Ortschaften durch Artilleriefeuer und Flieger zerstört. Das war manchmal auch bei nicht mehr verteidigten Punkten der Fall, wie bei der zweiten Eroberung von Crailsheim, das völlig den amerikanischen Phosphorgranaten zum Opfer fiel. Während die Amerikaner langsam die deutschen Widerstandslinien - um Heilbronn wurde besonders heftig gekämpft - nach Süden drückten, gelang den Franzosen unter Konzentration aller Kräfte ein Vorstoß in den Nordostschwarzwald. Von dort aus wurde der Widerstand in der Rheinebene aufgerollt und am 17. April Freudenstadt von Norden und vom Renchtal durch jetzt an der Rheinfront freigewordene Kräfte erreicht. Vom Verkehrsknoten Freudenstadt aus gelang es rasch, nach Norden, Süden und Westen auszugreifen. Stuttgart wurde am 21./22. April zum Neckar hin von den Franzosen besetzt, die Amerikaner drangen gleichzeitig in Cannstatt ein. Aller Widerstand zwischen Schwarzwald und Neckar brach zusammen. Der Südschwarzwald wurde durch einen französischen Vorstoß über die Baar hinweg bis zur Schweizer Grenze eingeschlossen. Nur Teile des dort stationierten XVIII. SS-Armeekorps konnten bei Aasen einen nachher doch sinnlosen Durchbruch erzielen. Die Amerikaner griffen jetzt rasch nach Osten aus, drangen aber auch rechts des Flusses ins Neckarbecken vor. Am 24. April wurde von Norden durch die Amerikaner, von Westen durch die Franzosen Ulm erreicht. Damit waren die Reste der deutschen 19. Armee auf der Alb eingekesselt und zur Übergabe gezwungen. Die weitere Besetzung Oberschwabens vollzog sich bis zum 28./29. April fast ohne nennenswerten Widerstand.
Die Amerikaner wollten die Franzosen, wenn sie schon eine Besatzung stellten, ursprünglich auf die Rheinebene beschränken, dann auf den Raum westlich des Neckars, aber ohne Stuttgart. Der Durchbruch von Freudenstadt machte das alles hinfällig. In den letzten Kriegstagen zeichnete sich eine Respektierung der Eroberungen ab, wobei die Amerikaner allerdings vergebens Anspruch auf Stuttgart erhoben. Am 8. Juli wurden die von den Politikern ausgehandelten endgültigen Besatzungszonen bezogen. Gegen Beteiligung an der Besetzung Berlins und eine ausgedehnte linksrheinische Zone zogen sich die Franzosen nach Süden zurück und überließen den Amerikanern Karlsruhe wie Stuttgart, die Landkreisgrenzen südlich der Autobahnlinie Karlsruhe-Ulm wurden zur Demarkationslinie.
(Quelle: Bearbeitete Fassung aus dem Abschnitt Landesgeschichte, in: Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden, hg. von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg, Band I, Stuttgart, 2. Aufl. 1977)
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