Grafschaft und Herzogtum Württemberg

Die Stammburg der Württemberger auf dem Rotenberg, Kiesersches Forstlagerbuch, um 1685 (HStAS H 107/15 Bd 7 Bl. 24)
Die Stammburg der Württemberger auf dem Rotenberg, Kiesersches Forstlagerbuch, um 1685 (Landesarchiv BW, HStAS H 107/15 Bd 7 Bl. 24)

Später als andere territoriale Gebilde und aus unscheinbareren Anfängen entwickelte sich die Herrschaft Württemberg. Ihre edelfreien Herren, ursprünglich vielleicht fränkischer Herkunft aus der Gegend von Luxemburg, nannten sich nach der um 1080 erbauten Stammburg rechts über dem Neckartal bei Untertürkheim. Von ihrem Kernbesitz um Cannstatt und im unteren Remstal ausgehend begannen sie, seit 1135 nachweislich Grafen, nach dem Untergang der Staufer im 13. Jahrhundert die zielsichere Erweiterung ihres Herrschaftsbereiches, in der sie auf schwäbischem Boden alle ihre Standesgenossen zuletzt überflügelten. Durch den Erwerb von einstigem Reichsgut und von Gebieten benachbarter Dynasten (der Herzöge von Teck, der Pfalzgrafen von Tübingen, der Grafen von Aichelberg, von Urach, von Calw, von Vaihingen, von Helfenstein, der Herren von Neuffen und anderer) schufen die Württemberger, auch in das einstige fränkische Stammesgebiet ausgreifend, in weniger als anderthalb Jahrhunderten die größte Grafschaft des Heiligen Römischen Reiches, geographisch das geschlossenste aller südwestdeutschen Territorien. Seinen Aufstieg verdankte das Haus einer Reihe besonders tatkräftiger und umsichtiger Herren, die jede politische Chance klug wahrnahmen, dynastische Landesteilungen meist zu vermeiden wussten und mit ihren Einkünften, vornehmlich aus Zöllen an Fernhandelsstraßen, planvoll wirtschafteten. 

Das württembergische Wappen neben zwei Reitersiegeln, 1259 (HStAS A 514 U 638)
Das württembergische Wappen neben zwei Reitersiegeln, 1259 (Landesarchiv, HStAS A 514 U 638)

Graf Ulrich I. (um 1240-1265) „mit dem Daumen" steht an der Spitze der urkundlich belegbaren Geschlechterfolge des Hauses. Seinen späteren Beinamen „der Stifter" erhielt er als Neubegründer des Chorherrenstifts in Beutelsbach mit der Familiengruft. Er erheiratete um 1247 die von den badischen Markgrafen gegründete Stadt Stuttgart und erwarb 1254/65 die Grafschaft Urach. Sein Sohn Eberhard I. der Erlauchte (1279-1325) verdoppelte den Umfang des ererbten Besitzes durch Backnang, Neuffen, Marbach, Asperg, Hohenstaufen mit Göppingen, Brackenheim, Winnenden, Calw, Neuenbürg mit Wildbad, Dornstetten und Rosenfeld. Bei seiner Expansion nach Süden stieß er freilich auf König Rudolf von Habsburg, der das alte Reichsgut zurückzugewinnen und seine Hausmacht nach Norden vorzuschieben suchte. Zweimal kam es zum Krieg, Rudolf belagerte 1286 Stuttgart, Eberhard unterlag militärisch, konnte jedoch sein Land behaupten. Seit dieser Zeit wurde das Verhältnis zu Habsburg ein Jahrhunderte überdauerndes zentrales Problem für den württembergischen Landesstaat. König Albrecht übertrug dem Grafen 1298 die Landvogtei in Niederschwaben und eröffnete ihm damit Eingriffsmöglichkeiten in den Reichsstädten. Auf Grund ihrer Beschwerden und mit ihrer Hilfe unternahm es König Heinrich VII. 1310, durch einen Reichskrieg Eberhard als Hauptgegner seiner böhmischen Hausmachtpolitik auszuschalten. Der Graf verlor sein ganzes Land, Stuttgart und die Mehrzahl seiner anderen Städte gerieten in Abhängigkeit von der Reichsstadt Esslingen, die bis ins 15. Jahrhundert zu den entschiedensten Gegnern Württembergs gehörte. Nach dem plötzlichen Tod des Königs gewann Eberhard jedoch alles zurück.

Das württembergische Wappen mit Reichssturmfahne, evangelische Johanneskirche, Weinsberg (FaBi Bildbestand Landkreis Heilbronn)
Das württembergische Wappen mit Reichssturmfahne, evangelische Johanneskirche, Weinsberg (Landesarchiv BW, Bildbestand Landkreis Heilbronn)

Unter Eberhards Sohn Ulrich III. (1325-1344) erwarb Württemberg die Reichsstadt Markgröningen mit dem Lehen der Reichssturmfahne. Vor allem aber drängte Württemberg nun über die Schwarzwaldbarriere hinüber in das fruchtbare und hochentwickelte Oberrheingebiet. Schwiegersohn des Grafen von Pfirt, kaufte Ulrich die elsässische Herrschaft Horburg-Reichenweier, wurde kaiserlicher Landvogt im Elsass, legte auch schon die Hand auf die rechtsrheinische Feste Sponeck mit ihrem Fährrecht über den Rhein. Die Stoßrichtung des innerschwäbischen Territoriums nach Westen und Südwesten war nicht zuletzt wohl darin begründet, dass ihm eine Ausdehnung nach Osten und Norden seit dem 14. Jahrhundert durch die großen Reichsstädte und die Kurpfalz verwehrt war.

Schloss Dampierre in Mömpelgard, Zeichnung von Claude (?) Flamand, 1614 (HStAS N 220 B 13 01)
Schloss Dampierre in Mömpelgard, Zeichnung von Claude (?) Flamand, 1614 (Landesarchiv BW, HStAS N 220 B 13 01)

Ulrichs Sohn, Eberhard II. der Greiner (1344-1392), führte die ausgreifende Westpolitik fort. Er verlobte seine Tochter mit dem minderjährigen Herzog von Lothringen und stand selbst mehrere Jahre an der Spitze der vormundschaftlichen lothringischen Regierung. Seine Kernlande erweiterte er durch zahlreiche Herrschaften und Besitzungen (Beilstein, Heubach, Sindelfingen, Böblingen, Kirchheim unter Teck, Bietigheim, Lauffen am Neckar, Nagold, Ebingen, Tuttlingen, Dornhan, Herrenberg). Die Unteilbarkeit und Unveräußerlichkeit des Territoriums wurde erstmals 1361 mit kaiserlicher Zustimmung durch ein Hausgesetz bestimmt. Die lange Regierungszeit des Greiners war reich an Fehden, an Rückschlägen und an wirtschaftlichen Krisen. Vor allem erreichte jetzt der seit einem Jahrhundert sich verschärfende Gegensatz zwischen der Expansionspolitik Württembergs und den wirtschaftlich erstarkten Reichsstädten seinen Höhepunkt. Der Sieg des Greiners über den Schwäbischen Städtebund bei Döffingen 1388 sicherte nicht nur den Bestand Württembergs, sondern die politische Zukunft des vordringenden Territorialfürstentums in Südwestdeutschland überhaupt. Der Enkel und Nachfolger, Graf Eberhard III. der Milde, 1392-1417, Ehemann der reichen Antonia Visconti aus Mailand, hatte sich weiterhin mit den Städten, dazu auch mit der um ihre Selbständigkeit kämpfenden Ritterschaft auseinanderzusetzen. Er besiegte die Adelsgesellschaft der „Schlegler" (Heimsheim 1395), doch konnten die Ritter meist ebenso wie die Reichsstädte ihre Unabhängigkeit gegenüber dem dynastischen Territorium behaupten. Zur gleichen Zeit vermochte Württemberg seine überrheinische Stellung weiter auszubauen. Indem Eberhard der Milde 1397 seinen minderjährigen Sohn (Eberhard IV.) mit der ebenfalls noch minderjährigen Erbtochter Henriette der aussterbenden Grafen von Mömpelgard (Montbéliard) verlobte, fasste er über den elsässischen Besitz hinaus Fuß in der „Reichsromania". Er erwarb die Stadt und die reichslehenbare Grafschaft Mömpelgard, außerdem drei burgundische Lehenherrschaften und – erst viel später realisierbare – Ansprüche auf weitere Besitzungen in der burgundischen Pforte.

Kloster Bebenhausen, Kiesersches Forstlagerbuch, um 1685 (HStAS H 107/18 Bd 52 Bl. 17)
Kloster Bebenhausen, Kiesersches Forstlagerbuch, um 1685 (Landesarchiv BW, HStAS H 107/18 Bd 52 Bl. 17)

Unter den Erwerbungen Eberhards III. in Schwaben war die wichtigste der Kauf der zollerischen Herrschaft Schalksburg-Balingen. Mit Erfolg setzte er auch die Politik seines Hauses fort, die Schirmherrschaft über benachbarte Klöster an sich zu bringen; da die Schirmherrschaft Württembergs wirklichen Schutz bot, wurde sie von manchen bedrängten Abteien freiwillig gesucht. Mehr als 20 Klöster standen schließlich unter württembergischer Schirmherrschaft, ihr Gebiet war zusammengenommen etwa doppelt so groß wie das eigene Territorium der Grafen. Württemberg war nun eine in Südwestdeutschland allgemein anerkannte Macht; welches Ansehen es im Reich besaß, erhellt daraus, dass Eberhard III., ein Graf von fürstengleicher Macht, unter den Kandidaten für die deutsche Krone war, als König Wenzel 1400 abgesetzt wurde. Mit diesem Höhepunkt zu Beginn des 15. Jahrhunderts endet der erste Abschnitt der württembergischen Geschichte, eine Periode des zweihundertjährigen unaufhaltsamen Aufstiegs.

Bald nach dem Tode des nur zwei Jahre regierenden Grafen Eberhard IV. (1419) folgte seit der vormundschaftlichen Regierung seiner unruhigen Witwe Henriette (1419-1426) und eines stark vom Adel bestimmten Vormundschaftsrates ein Zeitalter schwerer Rückschläge, die bisweilen die Form der Staatskrise annahmen. Die Gründe dafür lagen vor allem im Grafenhause selbst, das im 15. Jahrhundert – mit einer Ausnahme – keine tüchtigen Regenten hervorbrachte. Die Dynastie zeigte Anzeichen des Verfalls; durch Henriette von Mömpelgard offenbar wurde eine erbliche Belastung vermittelt, die einige Generationen lang das Herrscherhaus heimsuchte. Ein halbes Jahrhundert lang war Württemberg geschwächt durch ständigen Zwist im Grafenhause. Die seit 1433 gemeinsam regierenden Söhne der Henriette, Ludwig I. und Ulrich V., schritten zu der verhängnisvollen Landesteilung von 1441/42, die den Machtverfall Württembergs einleitete. Graf Ludwig, vermählt mit Mechthild von der Pfalz, regierte die südwestliche Hälfte des Landes mit der Hauptstadt Urach, Graf Ulrich der Vielgeliebte die nordöstliche mit der Hauptstadt Stuttgart. Württemberg-Urach erhielt nach Ludwigs frühem Tod 1450 für dessen beide minderjährigen Söhne abermals eine vormundschaftliche Regierung. Vormund wurde der Stuttgarter Graf Ulrich, er musste aber seinen Einfluss auf die Uracher Lande weitgehend mit dem dortigen Adel teilen, bald auch mit dem Pfalzgrafen Friedrich, dem Bruder der Grafenwitwe Mechthild. 1453 wurde der ältere der jungen Uracher Grafen, Ludwig II., mündig. Da er als Epileptiker nicht regierungsfähig war, musste eine Regentschaft eingerichtet werden, in der Pfalzgraf Friedrich das Übergewicht gewann; die adeligen Uracher Räte neigten, misstrauisch gegen Ulrichs zerfahrene und glücklose Politik, auf die pfälzische Seite. Erst der Tod Ludwigs II. 1457 hatte in Urach einen Rückschlag gegen die pfälzische Politik zur Folge: Ulrich wurde alleiniger Vormund des jungen Uracher Grafen Eberhard V.

Diesen Umschwung bewirkte das Eingreifen der „Landschaft", d.h. der unter Führung der bürgerlichen Oberschicht, der „Ehrbarkeit", stehenden Korporationen der gräflichen „Städte und Ämter". Die Untertanen des vom Dynastenhause geschaffenen Territoriums hatten inzwischen ein Gemeinschaftsbewusstsein entwickelt, das die Landesteilung überdauert hatte und nun die Pfälzer Einmischung ausschaltete. Seit dem Leonberger Landtag von 1457, der diese Wende herbeiführte, wurde die aktive Teilnahme der Landschaft an der Staatsführung ein sich immer schärfer ausprägender Grundzug der inneren Geschichte Württembergs. Der in den Vormundschaftszeiten bestimmend gewordene Einfluss des Adels begann zurückzutreten. Die von den Grafen schärfer als in anderen Territorien betriebene „Entadelung" ihres Herrschaftsgebietes hat dazu beigetragen, dass die Ritterschaft nie im eigentlichen Sinne „landsässig" wurde. Die Verbindung des Territoriums zu den unter württembergischer Schirmvogtei stehenden großen Männerklöstern war noch so locker, dass deren Prälaten zunächst außerhalb der landständischen Entwicklung blieben.

Münsinger Vertrag, 1482 (HStAS A 602 Nr. 303)
Münsinger Vertrag, 1482 (Landesarchiv BW, HStAS A 602 Nr. 303)

Gegen den Willen seines Stuttgarter Vormunds gelangte der vierzehnjährige Eberhard V. durch einen Staatsstreich der Uracher Räte mit Hilfe eines Tübinger Landtags 1459 offiziell zur Herrschaft. Sobald er die Regierung selbständig führen konnte, steuerte er Württemberg-Urach mit Vorsicht und Geschick durch die großen Parteikämpfe der Zeit. Er wurde der bedeutendste der mittelalterlichen Landesherren Württembergs. 1477 gründete er die Universität Tübingen. Württemberg-Stuttgart kam unterdessen durch Ulrichs V. Niederlage gegen Pfalzgraf Friedrich (Seckenheim 1462) in ernste Bedrängnis, musste Bottwar und Waiblingen als Pfand für das Lösegeld des gefangenen Grafen einsetzen und Marbach der Pfalz als Lehen auftragen. Nach Ulrichs Tod (1480) erreichte Eberhard V. (im Bart) im Münsinger Vertrag (1482) die Wiedervereinigung des Landes. Ulrichs unfähigen Sohn Eberhard VI. hierbei und in der Folgezeit auszuschalten, gelang nur mit Hilfe der Landstände, zu denen jetzt auch die Prälaten gehörten.

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Eberhard im Bart wurde 1495 zum württembergischen Herzog erhoben und nahm ein neues Wappen an (Landesarchiv BW, HStAS A 602 Nr. 373 d)

Die Erhebung Württembergs zum Herzogtum 1495 war der krönende Abschluss im Lebenswerk Eberhards im Bart († 1496 als Herzog Eberhard I.), zugleich aber auch durch die im Herzogsbrief festgelegte Anwartschaft des Kaisers Auftakt neuer Krisen, die Jahrzehnte hindurch abermals die selbständige Existenz des Landes bedrohten. Der Neffe Eberhard VI. (als Herzog Eberhard II.) wurde nach zweijähriger Missregierung 1498 in einem revolutionären Akt von den Landständen abgesetzt und verbannt. Fünf Jahre lang führte ein landständischer Regimentsrat (4 Prälaten, 4 Edelleute, 4 Städtevertreter) die Regierung für den minderjährigen Herzog Ulrich. Dessen Regierung (1503-1550) war zunächst vom Glück begünstigt; die Teilnahme am Landshuter Krieg 1504 brachte Württemberg nicht nur das 1462 an die Pfalz Verlorene zurück, sondern auch einen stattlichen Landgewinn: die Städte und Ämter Besigheim, Weinsberg, Neuenstadt, Möckmühl und Heidenheim, die Landeshoheit über die Grafschaft Löwenstein, die Schutzherrschaft über die Klöster Maulbronn, Anhausen und Herbrechtingen.

Bericht über den Aufstand des Armen Konrad in Württemberg, 1514 (HStAS A 45 Bü 9)
Bericht über den Aufstand des Armen Konrad in Württemberg, 1514 (Landesarchiv BW, HStAS A 45 Bü 9)

Die seit Ende des 15. Jahrhunderts zunehmenden sozialen Spannungen entluden sich, als Ulrich zur Sanierung der hochverschuldeten Staatskasse eine die ärmeren Schichten besonders hart treffende Verbrauchssteuer auf Getreide, Fleisch und Wein einzuführen suchte. 1514 brach im Remstal der Aufstand des „Armen Konrad" los. Im Tübinger Vertrag (8. Juli 1514), der „Magna Charta" Altwürttembergs, erhielt der Herzog die Unterstützung der Landstände gegen den Aufruhr und erreichte die Übernahme seiner Schulden durch die Landschaft. Den Ständen wurde dafür das Recht der Steuerbewilligung, das Vetorecht bei Veräußerung von Landesteilen, Mitsprache über Krieg und Frieden, Rechtssicherheit in Strafsachen, das Recht freier Auswanderung und eine gewisse Mitwirkung bei der Gesetzgebung zugestanden.

Tübinger Vertrag, 1514
Tübinger Vertrag, 1514 (Landesarchiv BW, HStAS A 37 PU 1 a)

Der blutigen Unterdrückung des „Armen Konrad" folgte die Auseinandersetzung zwischen der landschaftlichen Ehrbarkeit und dem Herzog, der durch die Ermordung des Stallmeisters Hutten und die Flucht der Herzogin Sabine schwer belastet war. Als die Landstände im Bunde mit dem Kaiser im Blaubeurer Vertrag von 1516 den Herzog zu entmachten suchten, ließ dieser 1516/17 die Landschaftsführer Konrad und Sebastian Breuning sowie Konrad Vaut hinrichten. Nach dem Tod Kaiser Maximilians (1519) eroberte und annektierte Ulrich die Reichsstadt Reutlingen. Der Schwäbische Bund vollstreckte gegen den Landfriedensbrecher die Reichsacht militärisch und vertrieb ihn außer Landes; Ulrich verblieben nur Mömpelgard und der 1521 erworbene Hohentwiel. Württemberg ging vom Schwäbischen Bund 1520 an Kaiser Karl V. über. Für vierzehn Jahre wurde Württemberg ein tragender Pfeiler in der habsburgischen Landbrücke zwischen Österreich und seinem Besitz jenseits des Oberrheins. Die österreichische Regierung Württembergs (seit 1522 unter einem Statthalter Erzherzog Ferdinands) stützte sich wesentlich auf die mit Ulrich verfeindeten Stände (Prälaten, Ritterschaft und Landschaft). Ihre Privilegien wurden erweitert und ihre Organe (Landschaftsausschüsse) erstmals institutionalisiert. Die Finanzverwaltung ging an die Landschaft über; damals entstanden als eine der wichtigsten Grundlagen der Verwaltung die großen Lagerbücher für die Mehrzahl der 45 Ämter des Landes. Die solide Verwaltung konnte indessen nicht verhindern, dass die wirtschaftliche und politische Unzufriedenheit des gemeinen Mannes wuchs, zumal unter dem Einfluss der seit 1524 durch Habsburg unterdrückten lutherischen Reformationsbewegung. Im Bauernkrieg von 1525 war das österreichische System aufs höchste gefährdet, bis das Heer des Schwäbischen Bundes unter Truchsess Georg von Waldburg durch den Sieg bei Böblingen den Aufstand niederwarf. Vergeblich hatte 1525 auch Herzog Ulrich das Land im Handstreich wieder einzunehmen versucht.

Flugschrift aufständischer Bauern, 1525. (HStAS J 9 Bü 12 Nr. 1)
Flugschrift aufständischer Bauern, 1525 (Landesarchiv BW, HStAS J 9 Bü 12 Nr. 1)

Die Auflösung des Schwäbischen Bundes ermöglichte es Ulrich, mit hessischer Hilfe 1534 Württemberg zurückzuerobern. Der Vertrag von Kaaden brachte die reichsrechtliche Anerkennung des mit den Waffen Gewonnenen, machte aber das Land, das seit dem Herzogsbrief Reichslehen war, zum österreichischen Reichsafterlehen. Der wichtigste Vorgang in Ulrichs zweiter Regierungsperiode war die evangelische Kirchenreformation. Dadurch wurden die ausgedehnten Gebiete der landsässigen Klöster unmittelbarer Bestandteil des Territoriums. 1536 trat Württemberg dem Schmalkaldischen Bunde bei; angesichts des drohenden Religionskrieges suchte Ulrich das Land durch den Bau moderner Festungen zu sichern. Die Niederlage der Schmalkaldener und das Interim von 1548 machten dann die Ergebnisse der Reformation noch einmal zunichte. König Ferdinand leitete gegen den Herzog wegen seiner Teilnahme am Kriege einen Felonieprozess ein. Ulrich war zum zweiten Mal völlig gescheitert und hinterließ bei seinem Tod 1550 das von spanischen Besatzungstruppen des Kaisers bedrängte Württemberg in schwierigster Lage.

Chor der Tübinger Stiftskirche, 1556 (HStAS G 47 Bü 24 Nr. 18)
Chor der Tübinger Stiftskirche, 1556 (Landesarchiv BW, HStAS G 47 Bü 24 Nr. 18)

Sein Sohn Herzog Christoph (1550-1568), der bedeutendste Landesherr seit Eberhard im Bart, hat nach den Wirren der Ulrichszeit Staat und Kirche feste, Jahrhunderte überdauernde Ordnungen gegeben. Die zweite Kirchenreformation Württembergs wurde nach der Aufhebung des Interims 1552 behutsam begonnen und mit Hilfe von Johannes Brenz nach dem Augsburger Religionsfrieden 1555 zu Ende geführt (Große Kirchenordnung 1559). Ein von der herzoglichen Rentkammer abgesondertes Landeskirchengut diente den Bedürfnissen von Kirche und Schule, hatte aber auch zu den landständischen Steuern und anderen weltlichen Zwecken beizutragen. Die 14 landständischen Klosterherrschaften blieben als besondere Verwaltungsbezirke erhalten, an die Stelle der katholischen Klosterkonvente traten evangelische Klosterschulen. Neben den älteren städtischen Lateinschulen wurden in Städten und Dörfern deutsche Schulen eingerichtet, das Tübinger Stift als theologische Ausbildungsstätte erhielt seine endgültige Ordnung. Die zerschlagene mittelalterliche Diözesan- und Landkapiteleinteilung wurde durch eine stark obrigkeitlich geprägte Organisation der neuen Kirche ersetzt (4 Generalsuperintendenzen und zunächst 28 Dekanate).

Plan der herzoglichen Klosteranlage Maulbronn von Johann Michael Spaeth, 1761 (HStAS N 1 Nr. 65)
Plan der herzoglichen Klosteranlage Maulbronn von Johann Michael Spaeth, 1761 (Landesarchiv BW, HStAS N 1 Nr. 65)

Die staatliche Zentralverwaltung wurde in die üblichen Kollegialbehörden (Oberrat, Rentkammer, Kirchenrat) gegliedert; die Einrichtung des Kirchenregiments wurde beispielhaft für viele protestantische Territorien. Das Landrecht (von 1555 und 1567) orientierte sich, die althergebrachten Gewohnheitsrechte übergehend, weithin am römischen Recht. Die Landesordnungen (von 1552 und 1567) regelten das Leben der Untertanen bis ins einzelne. Dass die seit dem frühen 16. Jahrhundert sich abzeichnende Lösung der Ritterschaft vom Lande nun endgültig wurde, vermochte Christoph nicht mehr zu verhindern. Die von ihm durch die Erneuerung der Ausschussverfassung (1554) reorganisierten Landstände bestanden nur aus einer Kurie, der die 14 evangelischen Prälaten und (damals) etwa 50 Vertreter aus Städten und Ämtern (Landschaft) angehörten. Die Führung des zu neuer Blüte aufsteigenden Ständetums ging in erster Linie auf die Prälaten als Kern der bürgerlichen Führungsschicht über. Durch den Landtagsabschied von 1565 wurde die Erhaltung des evangelischen Bekenntnisses und des selbständigen Landeskirchenguts Bestandteil der Landesverfassung. Auf Herzog Christophs Anregung geht die von dem Tübinger Kanzler Jakob Andreae entworfene Konkordienformel von 1577 zurück, die die lutherischen Reichsstände einigte, aber auch schärfer gegen die Calvinisten abgrenzte. Um die Verbreitung des Protestantismus im Ausland und um den Schutz der Hugenotten in Frankreich war Christoph ohne nachhaltigen Erfolg bemüht. Den linksrheinischen Besitz konnte er 1561 durch drei burgundische Allodialherrschaften erweitern, doch blieb das durch Württemberg lutherisch reformierte Mömpelgard mit seinen Nebenlanden stets eine politisch und militärisch schwache Außenstellung, die seit Ludwig XIV. ganz in den Machtbereich Frankreichs geriet.

Dreizeilenplan, Entwurf Heinrich Schickhardts für Freudenstadt, 1599/1600 (HStAS N 220 B 2, Bl. 1)
Dreizeilenplan, Entwurf Heinrich Schickhardts für Freudenstadt, 1599/1600 (Landesarchiv BW, HStAS N 220 B 2, Bl. 1)

Das politische Werk Christophs hat die Umbildung Württembergs vom mittelalterlichen Territorium zum frühneuzeitlichen Territorialstaat in den Grundlagen vollendet. Seinem kinderlosen Sohn Ludwig (1568-1593), der sich als Förderer der Renaissancekunst einen Namen machte und die Politik meist seinem Geheimen Rat Melchior Jäger überließ, folgte Herzog Friedrich I. aus der Mömpelgarder Linie (1593-1608). Beeinflusst von den Ideen der Staatsräson französischer Prägung, wurde er in Württemberg der erste Vertreter eines neuen europäischen Fürstentyps. Ihm gelang die Ablösung der österreichischen Afterlehenschaft (1599) und der Erwerb der Ämter Besigheim, Mundelsheim, Altensteig und Liebenzell sowie des jetzt erst reformierten Priorats Klosterreichenbach; vom Hochstift Straßburg konnte er, die Westpolitik der Dynastie fortsetzend, das rechtsrheinische Amt Oberkirch als Pfand an sich bringen. Zur Förderung des Bergbaus wie zur Aufnahme protestantischer Exulanten aus den Alpenländern wurde Freudenstadt gegründet (1599). Die merkantilistische Wirtschaftspolitik des Herzogs stieß auf Unverständnis der Landstände. Zum offenen Konflikt mit ihnen führte sein Streben nach Aufstellung eines stehenden Heeres, dem der Tübinger Vertrag entgegenstand. Mit Hilfe seines Geheimen Rats Matthäus Enzlin und unter Rechtsbrüchen gelang Friedrich die Einschränkung der ständischen Macht. Sein Tod machte den unvollendeten Umbau der Landesverfassung jedoch zunichte; unter seinem Sohn und Nachfolger Johann Friedrich (1608-1628) gewannen die Landstände alle vorherigen Rechte sogleich zurück. Friedrichs I. Regierung blieb daher nicht mehr als ein frühabsolutistisches Intermezzo; sein Helfer Enzlin wurde 1613 hingerichtet.

Belagerung des Hohentwiels, Zeichnung von Johann Ebermaier, 1649 (HStAS J 1 Bd. 98)
Belagerung des Hohentwiels, Zeichnung von Johann Ebermaier, 1649 (Landesarchiv BW, HStAS J 1 Bd. 98)

Im Dreißigjährigen Krieg erzwang die Einquartierung Wallensteinischer Truppen die Durchführung des Restitutionsedikts von 1629, das die evangelisch gewordenen Klosterherrschaften den Katholiken zurückgab. Nur vorübergehend machte das Bündnis mit Gustav Adolf (1632) diesen Verlust rückgängig; mit der Nördlinger Schlacht kam 1634 die größte Katastrophe über Württemberg. Herzog Eberhard III. (1628-1674) flüchtete nach Straßburg, die Kaiserlichen besetzten (außer dem von Konrad Widerholt gehaltenen Festung Hohentwiel) das ganze Land. 1638 erhielt Eberhard III. wenigstens einen Teil unter einengenden Bedingungen zurück. Im Westfälischen Frieden 1648 wurde Württemberg dank schwedischer Hilfe in alle Rechte und Besitzungen wiedereingesetzt; württembergischer Diplomat bei den Friedensverhandlungen war der hervorragende Geheimrat Johann Konrad Varnbüler. Der wirtschaftliche Wiederaufbau nahm Jahrzehnte in Anspruch, die Bevölkerungsverluste waren erst nach einem Jahrhundert aufgeholt. Unter dem Einfluss des Theologen Johann Valentin Andreae (1586-1654) wurde die Landeskirche erneuert und der Besuch der Deutschen Schule vorgeschrieben (1649). Die Landstände, die schon 1629 mit der Verpflichtung des als oberste herzogliche Behörde neu gebildeten Geheimen Regimentsrats auf die Landesverfassung ihre Macht ausgebaut hatten, konnten sich in der Nachkriegszeit noch fester etablieren. Jetzt wurde endgültig der Grund gelegt dafür, dass der heraufziehende absolutistische Obrigkeitsstaat in Württemberg nie völlig durchdringen konnte. Zum Selbstbewusstsein und Selbstverständnis des Volkes hat das nicht wenig beigetragen, wenngleich der Dualismus von Fürst und bürgerlich-bäuerlichen Ständen die Behauptung des Staates nach außen erschweren und seine Stoßkraft hemmen konnte; im Gegensatz zu anderen größeren Reichsfürsten dieses Zeitalters blieb den Württembergern Machterweiterung und Rangerhöhung versagt.

Die Franzosenkriege erlebte Württemberg unter der Vormundschaftsregierung des Herzogadministrators Friedrich Karl aus der Linie Winnental (1677 bis 1693). Zu wirksamer Verteidigung gegen die Franzosen fehlten die Kräfte, zumal über die Frage des stehenden Heeres wiederum ein Verfassungskonflikt ausbrach, der bis zur Klage der Landstände gegen den Administrator beim Reichshofrat führte. In dem Gefecht bei Ötisheim 1692 geriet Friedrich Karl in französische Gefangenschaft. Im Jahr darauf erfolgte wieder ein Franzoseneinfall, der das Land riesige Kontributionen kostete, auch die durch ihre Zeughandelscompagnie wirtschaftlich bedeutende Stadt Calw und das Kloster Hirsau verwüstete.

Schloss Ludwigsburg, Fassadenentwurf des Nordflügels (HStAS N 200 P25/1)
Schloss Ludwigsburg, Fassadenentwurf des Nordflügels (Landesarchiv BW, HStAS N 200 P25/1)

Um 1700 beginnt jene letzte Periode altwürttembergischer Geschichte, in der alte und neue Kräfte um die Fortbildung des durch Christophs Reformation geschaffenen Staatsbaus rangen. Barocke Kraftnaturen wie die Herzöge Eberhard Ludwig, Karl Alexander und Karl Eugen vermochten im Sinne des Hochabsolutismus die landesfürstliche Gewalt gegen ihre Landstände zu Zeiten sehr viel stärker zur Geltung bringen als ihre Vorgänger. Am erfolgreichsten war hierin Eberhard Ludwig (1693-1733), der 34 Jahre lang ohne Landtag regierte und auch den Landschaftsausschüssen schließlich nur noch ein Schattendasein beließ. Im Spanischen Erbfolgekrieg zeichnete sich der Herzog gegen Franzosen und Bayern militärisch aus; nach Kriegsende konnte er (1724) der Landschaft auch eine kleine stehende Haustruppe abtrotzen. Den auf die Landesverfassung verpflichteten Geheimen Rat schaltete Eberhard Ludwig 1717 durch die Errichtung eines „Konferenzministeriums" aus. Mittelpunkt des glänzenden Hofes, der zwanzig Jahre lang unter dem verderblichen Einfluss der herzoglichen Mätresse Wilhelmine von Grävenitz stand, wurde das seit 1704 auf dem Boden des Kirchenguts erbaute Schloss Ludwigsburg. Die dabei gegründete Stadt wurde zeitweise Haupt- und Residenzstadt. Unter Eberhard Ludwig fiel die 1617 begründete Mömpelgarder Sekundogenitur nach dem Aussterben der dortigen Linie 1723 an die Stuttgarter Hauptlinie zurück.

Neben dem fürstlichen Absolutismus gehört zu den neuen Kräften dieses Zeitalters der Pietismus, der sich in Württemberg nicht gegen die Kirche, sondern vorwiegend in ihr und im Zusammenwirken mit dem Pfarrstand entfaltete. Auf pietistischen Einfluss ging die Einführung der Christenlehre 1681 und der Konfirmation 1722 zurück. Neu waren aber auch die religiös begründeten Widerstände, die der Pietismus in seiner volkstümlichen Ausprägung dem Anspruch des Fürstentums auf absolute Gewalt entgegensetzte. Neu war schließlich, dass gegenüber der erstarrenden und korrumpierten Oligarchie der Stuttgarter Landschaftsausschüsse draußen in den Städten und Ämtern der Unterbau des Ständetums an Breite und Volksnähe zunahm. Der Eintritt der Dörfer in die Wahlkörperschaften (Stadt- und Amtsversammlungen) gewann dem Staatsleben Volksschichten, die ihm zuvor ferngestanden hatten. Diese Umbildungen an der kirchlichen und sozialen Basis haben die politische Entwicklung bis ins 19. Jahrhundert mitbestimmt.

Einer von zwei Protokollbänden mit Zeugenaussagen im Prozess gegen Joseph Süß Oppenheimer (HStAS A 48/14 Bd. 64)
Einer von zwei Protokollbänden mit Zeugenaussagen im Prozess gegen Joseph Süß Oppenheimer (Landesarchiv BW, HStAS A 48/14 Bd. 64)

Karl Alexander, Sohn des Administrators Friedrich Karl, in österreichischen Diensten 1712 zum Katholizismus konvertiert, hochverdient als kaiserlicher Feldmarschall und Statthalter in Serbien, musste beim Regierungsantritt 1733 durch die von den protestantischen Mächten Preußen, England und Dänemark garantierten „Religionsreversalien" sich zur Aufrechterhaltung der kirchlichen Verfassung verpflichten. Im polnischen Thronfolgekrieg ergriff er gegen Frankreich die Partei Österreichs und verstärkte die Landesfestungen; als er nach Friedensschluss die Aufstellung eines großen stehenden Heeres betrieb, kam es zum Konflikt mit den Landschaftsausschüssen. Da diese ausreichende Mittel nicht bewilligten, ließ sich der Herzog auf neuartige und gewagte Finanzoperationen seines jüdischen Hoffaktors Joseph Süß Oppenheimer ein, die bei der Landschaft und im Land auf Widerstand stießen. In dem Streit mit den Ständen suchte Karl Alexander Rat und Unterstützung bei dem Fürstbischof von Würzburg Friedrich Karl von Schönborn. Das scharfe Vorgehen gegen die Pietisten trug weitere Unruhe ins Volk. Der Herzog beabsichtigte offenbar die Beseitigung der ständischen Macht und die rechtliche Gleichstellung des Katholizismus mit der evangelischen Landeskirche. Der unerwartete Tod Karl Alexanders 1737 vereitelte derartige Pläne und führte während der Vormundschaftsregierung über den minderjährigen Karl Eugen (1737-1744) zu einer ständigen Restauration. Gegen führende Mitarbeiter des verstorbenen Herzogs leitete man Strafprozesse ein, Joseph Süß wurde gehenkt.

Schloss Hohenheim mit Gartenanlage, 1772 (HStAS N 5 Nr. 19)
Schloss Hohenheim mit Gartenanlage, 1772 (Landesarchiv BW, HStAS N 5 Nr. 19)

Unter Herzog Karl Eugen (1744-1793), einem glänzend begabten und überaus selbstherrlichen Fürsten, erlebte Württemberg schwerste innere Kämpfe, entwickelte sich aber während langer Friedensjahre zu kultureller Blüte. Ein Subsidienvertrag mit Frankreich gab dem Herzog seit 1752 Mittel zur Vermehrung des Heeres in die Hand. Am Siebenjährigen Krieg nahm Württemberg an der Seite Österreichs und Frankreichs gegen Preußen teil. Die politische Konstellation der Kriegsjahre gab dem Herzog freie Hand zur Willkürherrschaft im Innern. Unter dem Minister Graf Montmartin wurden verfassungswidrige Militärsteuern erhoben, hohe Summen mit Gewalt der Landschaftskasse entnommen und der Landschaftskonsulent Johann Jakob Moser ohne rechtliches Verfahren fünf Jahre auf dem Hohentwiel eingekerkert. Der Friedensschluss von 1763 ermöglichte den Gegenangriff der Stände, die nun Klage beim Wiener Reichshofrat erhoben. Nach Wechsel vollen Auseinandersetzungen musste sich Karl Eugen unter dem Druck der die Religionsreversalien garantierenden Mächte, namentlich Preußens, zu dem „Erbvergleich" von 1770 verstehen. Die landständische Verfassung war damit wiederhergestellt. Nach diesem auch außerhalb des Landes vielbeachteten Triumph nahm freilich die Korruption der landschaftlichen Ausschussoligarchie wieder überhand.

Zusammensetzung des Landtags, 1763 (HStAS A 203 Bü 142)
Zusammensetzung des Landtags, 1763 (Landesarchiv BW, HStAS A 203 Bü 142)

Durch aufgeklärte und landesväterlich-fürsorgliche Regierungsmaßnahmen wurde unterdessen der „Karl Herzog" überaus volkstümlich. Der Glanz seiner Schlossbauten und seines Hofes, seine Förderung von Kunst und Wissenschaft, insbesondere durch die 1770 gegründete Hohe Karlsschule, die Einrichtung von Manufakturen und der Bau von Chausseen, die Modernisierung der Gemeindeverwaltung (Kommunordnung 1758) und gemeinnützige Anstalten wie die Witwen- und Waisenkasse oder die Brandversicherungsanstalt – durch all das hat das zu Ende gehende Ancien Regime in Württemberg bleibende Spuren hinterlassen. Das Herzogtum vergrößerte sich durch eine Reihe kleinerer Erwerbungen, unter denen die Herrschaft Justingen, die Herrschaft Bönnigheim und Teile der Grafschaft Limpurg die bedeutenderen waren. Der allgemeine Wohlstand nahm zu, das rasche Wachstum der Bevölkerung ließ aber auch schon die Zahl der Auswanderer empor schnellen.

Festung Hohenasperg, Zeichnung von Matthias Weickler, 1669 (HStA N 200 P 44)
Festung Hohenasperg, Zeichnung von Matthias Weickler, 1669 (Landesarchiv BW, HStAS N 200 P 44)

Unter den nur kurz regierenden Brüdern des erbenlosen Karl Eugen geriet Württemberg in den Sog der Französischen Revolution. Während Ereignisse und Ideen der Revolution das Volk in allen Schichten bewegten, schloss sich Herzog Ludwig Eugen (1793-1795) im Ersten Koalitionskrieg eng an Österreich an und wandte erhebliche Mittel auf die militärische Rüstung durch Wiederbelebung der alten Landmiliz und Vermehrung des stehenden Heeres. Um in der Notzeit zu sparen, hob er die Stuttgarter Hohe Karlsschule auf. Unter Herzog Friedrich Eugen (1795-1797), der schon 1791 von den Franzosen aus dem von ihm als Statthalter verwalteten Mömpelgard vertrieben worden war, warf der Einfall der Revolutionsarmee Moreaus 1796 Württemberg nieder. Im Sonderfrieden zu Paris musste Württemberg seine linksrheinischen Besitzungen an Frankreich abtreten. Zur Aufbringung der Kriegsentschädigung und Kriegskosten wurden die Stände einberufen, die im „Reformlandtag" (1797-1799) zunächst die entartete Ausschussoligarchie stürzten. Über die Umbildung der altständischen Korporationsverfassung zu einer zeitgemäßen Repräsentativverfassung und über die Kriegsschadensumlage beriet man noch, als Herzog Friedrich II. (1797-1816) die Regierung übernahm, seit 1733 wieder der erste evangelische Landesherr. Im Zweiten Koalitionskrieg auf Österreichs Seite getreten, schloss er den Landtag zwangsweise. 1802 schwenkte Friedrich auf die profranzösische Politik seiner Stände ein; im Tauziehen mit der Landschaft um die Gunst Frankreichs blieb er Sieger und erreichte im Pariser Sonderfrieden für die linksrheinischen Verluste eine stattliche Landentschädigung, das absolutistisch regierte Neuwürttemberg. In den Stammlanden dauerten die Konflikte zwischen Landesherrn und Landständen an, bis nach abermaligem Landgewinn und Aufstieg von der Kur- zur Königswürde im Preßburger Frieden 1805 die altwürttembergische Verfassung durch Machtspruch des Herrschers aufgehoben wurde.

 

(Quelle: Bearbeitete Fassung aus dem Abschnitt Landesgeschichte, in: Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden, hg. von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg, Band I, Stuttgart, 2. Aufl. 1977)

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