»Ach wenn die Siege nur nicht so furchtbar viel Blut kosten würden!«

Briefe aus dem Deutsch-Französischen Krieg

Legitimations-Schein der Freiwilligen Krankenpflege. Vorlage: LABW, HZAN La 140 Bü 130.
Legitimations-Schein der Freiwilligen Krankenpflege. Vorlage: LABW, HZAN La 140 Bü 130. Zum Vergrößern bitte klicken.

Schmachvolle Niederlage für die einen, Gründungsmythos eines neuen Reiches für die andern. Der Deutsch-Französische Krieg von 1870 / 71 ging in das kollektive Gedächtnis beider Nationen ein und wirkte sich nachhaltig auf die späteren Beziehungen der Nachbarstaaten aus. Die private Korrespondenz und die Tagebücher des Fürsten Hermann zu Hohenlohe-Langenburg (1832–1913) während des Krieges bieten besondere Einblicke in das konkrete Geschehen. Der Fürst stand als Corpsdelegierter der badischen Division im Dienst der Freiwilligen Krankenpflege und war demnach mit der Versorgung verwundeter und kranker Soldaten betraut, wobei ihm vor allem organisatorische Aufgaben zukamen. Sein gesellschaftlicher Status und familiäre Verbindungen ermöglichten ihm zugleich Kontakte zu den kommandierenden Offizieren. So erwähnt Fürst Hermann in seinen Aufzeichnungen verschiedene Unterredungen mit dem preußischen Kronprinzen und späteren deutschen Kaiser Friedrich III. (1831–1888), der die III. Armee befehligte.

Jenseits dieser Feldherrensicht und der unverkennbar patriotischen Haltung des Schreibers enthalten die Briefe des Fürsten an seine Gemahlin Leopoldine, geb. Prinzessin von Baden (1837–1903) vor allem lebensnahe Ein- und Ansichten von den Schlachtfeldern und aus den Lazaretten. So schrieb er ihr am 10. August 1870: So viele Frauen zittern ja jetzt um das Leben ihrer Ernährer u. Beschützer. Wieviel besser sind wir dran, wo für unser geistiges und leibliches Wohl so viel besser gesorgt ist als bei so vielen andern.

Über seinen Einsatz nach der Schlacht bei Wörth (6. August 1870) hielt er fest: ich war bis 9 Uhr Nachts auf dem Verbandsplatz bei Gunstett, wo Feind u. Freund bunt durcheinander lag u. der Jammer ein großer [war]. Die Aufgabe ist nicht ganz leicht, da überall die richtige u. rasche Hülfe zu schaffen. Unsere Ärzte thaten das Möglichste, aber es war zu viel. Bis Nachmittags 3 Uhr den andern Tag wurden Verwundete hereingeschafft, z. Th. unverbunden und mancher arme Kerl wird im Wald unbemerkt liegen geblieben sein.

In rund 100 Briefen berichtete der Fürst seiner Gattin vom Kriegsschauplatz. Ergänzt werden diese durch die gleichfalls zahlreichen Antwortschreiben der Fürstin Leopoldine und Hermanns Tagebücher der Jahre 1870 und 1871. Besonders lebensnah und menschlich wirken seine Briefe, wenn ganz persönliche Gedanken zum Ausdruck kommen, so etwa angesichts des Bombardements von Straßburg: Ach Schneck, es drückt einen gewaltig das Elend so stündlich vor Augen zu haben und einer solchen Beschießung anzuwohnen, als ob man ins Theater ginge und doch weiß man, daß namenloses Elend durch dies grausam schöne Schauspiel entsteht.

Bewegt zeigte sich Fürst Hermann nicht zuletzt von der Weihnachtsfeier in einem Lazarett: Gestern hatte ich Weihnachten im VI. Feldlazareth. Ich ging zuerst von Bett zu Bett der schwer Kranken und Verwundeten u. gab ihnen ihr Geschenk, dann ging ich mit den Aerzten u. einigen Offizieren in einen großen Saal, wo ein richtiger Tannenbaum aufgestellt war. Für jeden Leichtverwundeten war ein Teller mit Äpfeln und Lebkuchen aufgestellt. Die armen Kerls humpelten von allen Seiten heran, setzten sich still mit ihren hohlen Augen u. den blassen Gesichtern um den Baum, während der Geistliche eine schöne Andacht hielt. Das war dann beinahe zu viel für meine Fassung.

Jan Wiechert

Quelle: Archivnachrichten 61 (2020) S. 30.

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