Der Baltringer Haufen

von Tobias Weber

Jacob Murers Weißenauer Chronik des Bauernkrieges von 1525 Jacob Murer, Abt des Klosters Weißenau [Quelle: Landesmedienzentrum Baden-Württemberg]
Jacob Murers Weißenauer Chronik des Bauernkrieges von 1525 Jacob Murer, Abt des Klosters Weißenau [Quelle: Landesmedienzentrum Baden-Württemberg]

Seinen Anfang hatte der Bauernkrieg bereits 1524 im Hegau und Schwarzwald genommen. Um den Jahreswechsel 1524/25 begann sich in Oberschwaben ein weiteres Zentrum des Aufstands zu bilden.

Gründung des Baltringer Haufens

Wie die Heggbacher Chronik berichtet, fand die erste Zusammenkunft des Baltringer Haufens in einem Wirtshaus statt. Laut Peter Blickle muss dieses Treffen um das Ende des Jahres 1524 stattgefunden haben. Eine Datierung in der zeitgenössischen, von Johannes Kessler verfassten Chronik ‚Sabbata‘ auf Ende Februar 1525 ist nachweislich zu spät, da die Baltringer Bauern bereits am 16. Februar 300 Beschwerdeschriften an den Schwäbischen Bund übergeben und damit mit dem Bund über ihre Forderungen zu verhandeln begonnen hatten.

Mehrere tausend Bauern aus der Gegend um Biberach waren es, die sich immer wieder in Baltringen und umliegenden Dörfern trafen und ihre Forderungen formulierten. Diese richteten sich gegen die durch ihre Herren hervorgerufenen Missstände: die Ausweitung der Leibeigenschaft, die von der Obrigkeit erlassenen Steuern, die Höhe der grundherrlichen Abgaben sowie die Folgen der Territorialisierung von Herrschaftsgebieten.

Berufung auf das Göttliche Recht

Sprachrohr, Organisator und Anführer der Bauern im Baltringer Raum war Ulrich Schmid von Sulmingen (auch Huldrich Schmid genannt). Als der Schwäbische Bund den Baltringer Bauern eine Verhandlung über ihre Beschwerden vor dem Reichskammergericht vorschlug, lehnte Ulrich Schmid dies entschieden ab. Auf die Frage der Gesandten des Bundes, nach welcher Rechtsprechung Ulrich Schmied ein Urteil stattdessen akzeptieren würde, antwortete er: „das göttliche recht, das iedem stand ußspricht, was in gebürt.“[1]

Mit der Berufung auf das auf dem Evangelium basierende „Göttliche Recht“ schufen sich die Baltringer Bauern eine neue Rechtsgrundlage für ihre Forderungen. Dabei verließen sie jedoch den Rahmen der von der Obrigkeit akzeptierten Rechtsprechung, was einen rechtlichen Austrag mit Schlichtung oder Kompromisslösung erschwerte.

Zusammenschluss zur Christlichen Vereinigung

Nahezu zeitgleich bildeten sich im Allgäu und der Bodenseeregion weitere Zentren bäuerlichen Aufruhrs. Die in diesen Regionen entstandenen Bauernhaufen unterschieden sich jedoch hinsichtlich ihrer Gewaltbereitschaft von den Baltringern: Vor allem die Allgäuer wollten „dapfer mit dem Schwert hindurch tringen“[2], wohingegen sich der Baltringer Haufen lange um eine friedliche Übereinkunft mit der Obrigkeit bemühte.

Dennoch beschlossen die drei oberschwäbischen Haufen im März 1525 ihr weiteres Vorgehen gemeinsam zu organisieren und zu koordinieren. Als ihr Planungs- und Beratungszentrum bestimmten die Bauern die Reichsstadt Memmingen. Am 6. März versammelten sich insgesamt 50 Vertreter der drei Haufen in der Kramerzunftstube in Memmingen und berieten über ihr weiteres Vorgehen.

Als Resultat dieser Zusammenkunft entstand mit der Christlichen Vereinigung ein neues, gegen die Obrigkeit gerichtetes Bündnis in der oberschwäbischen Aufstandsregion. Die schriftliche Grundlage dieser Vereinigung war die Memminger Bundesordnung, in welcher sich die drei Bauernhaufen zur Zusammenarbeit und zu gegenseitigem Beistand verpflichteten.

Darüber hinaus wurde in Memmingen mit den Zwölf Artikeln ein zweites Dokument verabschiedet, mit dem die Bauern ihre zahlreichen und je nach Herrschaft variierenden Forderungen zu einem konkreten politischen Programm zusammenfassten; im Februar hatten die Baltringer Bauern noch 300 einzelne Beschwerden beim Schwäbischen Bund eingereicht.

An der Formulierung der Bundesordnung und der Zwölf Artikel hatten die nach Memmingen entsandten Vertreter des Baltringer Haufens einen ganz wesentlichen Anteil.

Der Baltringer Haufen im Bauernkrieg

Als Reaktion auf die Gründung der Christlichen Vereinigung in Memmingen entschied sich der Schwäbische Bund, seine Bemühungen zu intensivieren, ein Heer für ein militärisches Vorgehen gegen die Aufständischen in Oberschwaben aufzustellen. Die Truppen des Bundes, die bis Anfang März noch gegen Herzog Ulrich im Feld gestanden waren, machten sich nun auf den Weg nach Ulm. Dies blieb von den Bauernhaufen nicht unbemerkt, das Misstrauen gegenüber der Obrigkeit wuchs an, sodass zunehmend auch die Baltringer Bauern von ihrer Position, den Konflikt friedlich auszutragen, abrückten.

Nachdem am 25. März bei einem letzten Verhandlungsversuch zwischen den Baltringer Bauern und den Räten des Schwäbischen Bundes zunächst noch ein einwöchiger Waffenstillstand vereinbart werden konnte, kam es Ende März zu ersten Gewalttaten, aufgrund der unmittelbaren Nähe zu Ulm vor allem im Gebiet des Baltringer Haufens.

Es scheinen zunächst Truppen des Schwäbischen Bundes gewesen zu sein, die einzelne Dörfer plünderten, ehe der Baltringer Haufen das dem Kloster Salem gehörende Schloss in Schemmerberg stürmte und niederbrannte. Vermutlich am 27. März wurde auch das Schloss in Laupheim gestürmt. Mehrere Klöster, allen voran Ochsenhausen, wurden von den Aufständischen geplündert und zur Annahme der Zwölf Artikel gezwungen.

Ende des Baltringer Haufens

Nach ersten kleineren Scharmützeln rückte das Bundesheer unter Georg Truchsses von Waldburg ab dem 2. April entlang der Donau gegen den Baltringer Haufen vor. Am 4. April erlitten die Bauern bei Leipheim eine empfindliche Niederlage, die das Ende des Baltringer Haufens einleitete.

Nach der Schlacht konnte das Bundesheer beinahe ungehindert in das Kernland der Baltringer vordringen, der Baltringer Haufen hatte sich aufzulösen begonnen. Baltringen selbst wurde am 12. April eingenommen und Ulrich Schmids Heimatort Sulmingen niedergebrannt. Der Anführer des Baltringer Haufens war zu diesem Zeitpunkt bereits in die Schweiz geflohen. Wie die Weißenauer Chronik schildert, gingen die Bundestruppen auch in Ummendorf, das dem Weißenauer Abt Jakob Murer gehörte, brutal gegen die Bauern vor.

Trotz seiner schnellen Auflösung hatte der Baltringer Haufen wesentlich dazu beigetragen, dass sich der 1524 am Hochrhein begonnene Aufstand nach Oberschwaben ausbreitete. Zudem hatten Ulrich Schmid und die Baltringer Bauern wesentlichen Anteil an der Formulierung der Zwölf Artikel und der Bundesordnung, die weit rezipiert und nachgeahmt wurden.

Anmerkungen

[1] Kessler, Sabbata, S. 147.

[2] Blickle, Bauernkrieg, S. 22.

Quellen

  • Niederbrennung des ersten Schlosses, des Kloster Salemschen Schlosses Schemmerberg bei Biberach, in: Quellen zur Geschichte des Bauernkrieges, hg. von Günther Franz, Darmstadt 1963, S. 205.
  • Kessler, Johannes, Sabbata, in: Die Berichte von Peter Harer und Johannes Keßler vom Bauernkrieg 1525, hg. von Willi Alter, Speyer 1995, S. 139-178.

Literatur

  • Bähr, Matthias, Liebe, Friede, Einigkeit Gewalt im Bauernkrieg 1525, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 74, 2015, S. 55-69.
  • Blickle, Peter, Der Bauernkrieg. Die Revolution des Gemeinen Mannes, München 42012.
  • Blickle, Peter, Der Bauernjörg. Feldherr im Bauernkrieg. Georg Truchsess von Waldburg 1488-1531, München 2015.
  • Buszello, Horst, Der deutsche Bauernkrieg von 1525 als politische Bewegung, in: Der Deutsche Bauernkrieg von 1525, hg. von Peter Blickle, Darmstadt 1985 (Wege der Forschung, 460), S. 110-115.
  • Diemer, Kurt, Der Baltringer Haufen, in: Der Bauernkrieg in Oberschwaben, hg. von Elmar L. Kuhn, Tübingen 2000, S. 67-95.
  • Franz, Günther, Der deutsche Bauernkrieg (Auszug), in: Der Deutsche Bauernkrieg von 1525, hg. von Peter Blickle, Darmstadt 1985, S. 1-16.
  • Vogler, Günther, Der revolutionäre Gehalt und die räumliche Verbreitung der oberschwäbischen Zwölf Artikel, in: Historische Zeitschrift, Beihefte 4 (1975), S. 206-231.

Zitierhinweis: Tobias Weber, Der Baltringer Haufen, in: Bauernkrieg, URL: […], Stand: 07.06.2025.

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