Die Aufstände im Hegau und im Schwarzwald

von Aaron Bauer

Bericht des österreichischen Statthalters über den Bauernaufstand im Hegau, Klettgau, der Baar und am Wald, Tübingen 1525 [Quelle: Württembergische Landesbibliothek]
Bericht des österreichischen Statthalters über den Bauernaufstand im Hegau, Klettgau, der Baar und am Wald, Tübingen 1525 [Quelle: Württembergische Landesbibliothek]

Im südwestdeutschen Raum nahmen die bäuerlichen Erhebungen bereits Mitte des Jahres 1524 in der Region zwischen Oberrhein, Schwarzwald und Bodensee ihren Anfang. Als wesentliche Ursachen des Aufruhrs sind die von den Obrigkeiten eingeforderten Abgaben und Frondienste zu nennen, die von der bäuerlichen Bevölkerung als schikanös und ungerecht empfunden wurden und durch als willkürlich wahrgenommene Herrschaftsakte verstärkt wurden.

Stühlinger Aufstand 1524

Erste Klagen der bäuerlichen Bevölkerung über diese Zustände äußerten sich im Mai des Jahres 1524 in dem Ort Eschbach bei Staufen und in der zum Territorium der Abtei St. Blasien gehörenden Herrschaft Hauenstein. Am 23. Juni zogen schließlich die Bauern der im Südschwarzwald liegenden Landgrafschaft Stühlingen vor das Schloss des Grafen Sigmund II. und forderten ihn in 16 Artikeln dazu auf, künftig gerechter zu urteilen, ihre althergebrachten Rechte zu achten und in geringerem Maße Frondienste einzufordern.

Der Landgraf konnte die aufgebrachte Menge zunächst beschwichtigen. Die in den Chroniken von Bern, Villingen und Zimmern überlieferte Erzählung, des Grafen Gemahlin, „Clementia geborene von Montfort, habe während der Erntezeit von den Bauern verlangt, für ihre Mägde Schneckenhäuslein zu sammeln, damit diese ihr Garn darauf wickeln könnten“[1], muss als überzeichnete Anekdote betrachtet werden.

Um ihren Forderungen mehr Gewicht zu verleihen, bildeten die Stühlinger Bauern ein Fähnlein unter der Führung des erfahrenen Landsknechts Hans Müller von Bulgenbach. Im Verlauf des Sommers erhielt dieses Stühlinger Fähnlein Verstärkung aus der Baar und dem Schwarzwald. Zudem verbündete sich am 24. August die Stadt Waldshut mit den Bauern, deren Stadtpfarrer Balthasar Hubmair die bäuerlichen Forderungen mit den Forderungen der Reformation in Verbindung brachte.

Graf Sigmund, der seine adligen Verbündeten zu sammeln begonnen hatte, bestand bei ersten Verhandlungen in Tiengen, bei denen die Stühlinger von einem Michel Haim vertreten wurden, auf der symbolischen Unterwerfung der Bauern – die Verhandlungen scheiterten. Ebenfalls scheiterte der Versuch, diesen Aufstand noch 1524 mittels österreichischer Unterstützung militärisch niederzuschlagen, nachdem sich eine Streitmacht unter dem Ritter Hans Jakob von Landau unverrichteter Dinge aufgelöst hatte.

Aufstand im Hegau und Christliche Bruderschaft

Am 2. Oktober 1525 schlossen sich auf der Hilzinger Kirchweih auch die Bauern im Hegau zu einer vergleichbaren Schwurgemeinschaft wie die Stühlinger zusammen. Hier bemühte sich insbesondere die Reichsstadt Überlingen um eine Einigung zwischen den aufständischen Bauern und der österreichischen Landesherrschaft. Mit dem „Riedheimer Anlass“ vom 10. Oktober konnte so eine gewalttätige Eskalation des Konflikts im Hegau verhindert und eine Lösung auf einen Gerichtstag am Stockacher Landgericht vertagt werden.

Zugleich kam es in der Gegend um Villingen und um das Kloster St. Blasien zu weiteren Erhebungen, zu Beginn des Jahres 1525 war die gesamte Region zwischen Bodensee, Schwarzwald und Schweiz in Aufruhr. In einem Bericht vom Februar schrieb der österreichische Statthalter für das Herzogtum Württemberg, dass während sich auf dem Schwarzwald rund 2.000 und im Hegau etwa 800 Bauern zusammengerottet und beständig weiteren Zulauf hätten, sich auch die Bauern an der Donau und im Allgäu zunehmend „embört“[2] verhalten würden.

Die Gründung der Christlichen Vereinigung in Oberschwaben nahmen sich die Bauern im Hegau zum praktischen Vorbild, indem sie sich Anfang März 1525 zur Christlichen Bruderschaft zusammenschlossen. Wie in Oberschwaben beriefen sie sich dabei auf das Göttliche Recht, übernahmen in leicht abgewandelter Form die Bestimmungen der Memminger Bundesordnung und formulierten nach dem Vorbild der Zwölf Artikel einen eigenen Artikelbrief.

Zugleich suchten die Stühlinger gemeinsam mit den Fürstenberger, Schellenberger und Reckenbacher Bauern eine Durchsetzung ihrer Forderungen auf dem Rechtsweg, indem sie am 6. April eine 62 Artikel umfassende Klageschrift beim Reichskammergericht in Esslingen einreichten. Dort versuchte erneut Michel Haim die Sache der Bauern zu vertreten – letztlich ohne Erfolg, denn spätestens mit der bereits am 4. April geschlagenen Schlacht bei Leipheim hatte der Konflikt eine neue Eskalationsstufe erreicht.

Schwarzwälder und Hegauer Bauern im Krieg

Während das Heer des Schwäbischen Bundes unter Georg Truchsess von Waldburg ab Anfang April 1525 militärisch gegen die aufständischen Bauern in Oberschwaben vorzugehen begann, eskalierte der Konflikt auch im Schwarzwald: Das Hohensteiner Fähnlein und Truppen der Stadt Waldshut plünderten Schlösser und Klöster, wobei ihnen auch St. Blasien zum Opfer fiel, Villingen konnte einer Plünderung knapp entgehen.

Einzelne Kontingente von Aufständischen zogen zur Unterstützung nach Oberschwaben, sodass sich das Bundesheer bei Weingarten auch rund 4.000 Bauern aus dem Hegau gegenübersah.

In der Gegend um Sulz, Rottweil und Tuttlingen versammelten sich zeitgleich bis zu 6.000 Bauern aus den östlichen Randgebieten des Schwarzwaldes, die unter ihrem Hauptmann Thomas Maier von Vogelsberg neben Nagold, Dornstetten und Haiterbach auch die beiden Klöster Alpirsbach und Reichenbach besetzten. Vor Herrenberg vereinigten sie sich mit den Württembergern und stürmten die Stadt am 8. Mai, ehe sie am 12. Mai in der Schlacht bei Böblingen das Schicksal der württembergischen Bauern teilten.

Durch die Niederschlagung der Erhebungen in Oberschwaben und Württemberg sahen sich die Bauern im Hegau und im südlichen Schwarzwald vermehrt der Bedrohung durch den Schwäbischen Bund ausgesetzt. Sie formierten sich als Haufen und wählten den Anführer der Stühlinger Bauern Hans Müller von Bulgenbach zu ihrem Hauptmann. In der Folge zogen sie gegen die vorderösterreichischen Besitzungen im Breisgau, wobei sich dem Haufen mehr und mehr Bauern anschlossen – teils freiwillig, teils gezwungenermaßen. Rund 12.000 Bauern belagerten schließlich drei Tage lang Freiburg , ehe die Stadt aufgab und am 24. Mai ein Bündnis mit den Bauern eingehen musste.

Nach diesem Erfolg zogen die Bauern über Neustadt gegen die am Bodensee liegende Stadt Radolfzell, die bis zum 19. Juni belagert wurde. Für weitere militärische Erfolge war es jedoch bereits zu spät: Das heranrückende Bundesheer beendete die Belagerung Radolfzells und besiegte den Haufen in mehreren kleineren Gefechten in der Gegend um Hilzingen, der Aufstand im Hegau war damit beendet. Die in den „Hegauer Artikeln“ vom 2. Juli verfassten Kapitulationsbedingungen wurden am 12. Juli auch den Fürstenberger und Stühlinger Bauern aufgezwungen.

Trotz des Vorgehens gegen die Bauern durch die Truppen des Schwäbischen Bundes und der habsburgischen Landesherrschaft dauerte der Aufruhr an einzelnen Orten noch einige Zeit an: Im Klettgau und in der Herrschaft Hauenstein gelang die Unterwerfung der Bauern erst nach der Schlacht bei Grießen am 4. November 1525, die Stadt Waldshut gab ihren Widerstand sogar erst am 5. Dezember auf.

Anmerkungen

[1] Häusler, Stühlingen, S. 23.

[2] Aufruf an die Ritterschaft, S. 1.

Quellen

  • Artikel der Bauern auf dem Schwarzwald vom 18. November 1524, in: Quellen zur Geschichte des Bauernkrieges, hg. von Günther Franz, Darmstadt 1963, S. 96 f.
  • Artikel der Stühlinger Bauern, dem Kammergericht am 6. April übergeben, in: Quellen zur Geschichte des Bauernkrieges, hg. von Günther Franz, Darmstadt 1963, S. 101-123.
  • Aufruf an die Ritterschaft, sich angesichts des Bauernaufstands im Hegau, Klettgau, der Baar und am Wald und des drohenden Einfalls Herzog Ulrichs, zur Unterstützung des Statthalters, Erzherzog Ferdinand von Österreich, bereit zu halten, Tübingen 1525, URL: https://digital.wlb-stuttgart.de/index.php?id=6&tx_dlf%5Bid%5D=3272&tx_dlf%5Bpage%5D=1 (aufgerufen am: 25.10.2023).

Literatur

  • Blickle, Peter, Der Bauernkrieg. Die Revolution des Gemeinen Mannes, Nördlingen 2006.
  • Bumiller, Casimir, Dohnt so wol und zihet zu uns, damit wir mögen verdriben die Tirannen. Die „Christliche Bruderschaft“ im Hegau, Schwarzwald und Breisgau im Bauernkrieg 1525 – Kommunikation und interregionale Strukturen, in: Akteure des Bauernkriegs im deutschen Südwesten. Motive – Strategien – Kommunikation – Lernerfahrung, hg. von Sigrid Hirbodian, Sabine Holtz und Edwin E. Weber, Ostfildern 2025 (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B, Bd. 239), S. 69-104.
  • Buszello, Horst/Blickle, Peter/Endres, Rudolf, Der deutsche Bauernkrieg, Paderborn u.a. 1984.
  • Buszello, Horst, „Freiburger Bundesordnung“, „Artikelbrief“ und „Christliche Bruderschaft“. Der Bauernkrieg des Jahres 1525 im Schwarzwald und Breisgau, in: Zeitschrift des Breisgau-Geschichtsvereins „Schau-ins-Land“ 131 (2012), S. 51-86, URL: https://regionalia.blb-karlsruhe.de/frontdoor/deliver/index/docId/17699/file/BLB_Buszello_Freiburger_Bundesordnung.pdf (aufgerufen am: 29.07.2025).
  • Häusler, Gustav, Stühlingen. Vergangenheit und Gegenwart, Waldshut 1966.
  • Oka, Hiroto, Der Bauernkrieg in der Landgrafschaft Stühlingen und seine Vorgeschichte seit der Mitte des 15. Jahrhunderts, Konstanz 1998.

Zitierhinweis: Aaron Bauer, Die Aufstände im Hegau und im Schwarzwald, in: Bauernkrieg, URL: […], Stand: 07.06.2025.

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