Jakob Murer, Abt von Weißenau (geb. 1468, gest. 1533)

von Dominik Wabersich

Jakob Murer als Abt von Weißenau, Detail der Weißenauer Äbtetafel [Quelle: Landesmuseum Württemberg]
Jakob Murer als Abt von Weißenau, Detail der Weißenauer Äbtetafel [Quelle: Landesmuseum Württemberg]

Jakob Murer wurde im Jahr 1468 in Konstanz geboren. Im Jahr 1490 trat er in das Prämonstratenserstift Weißenau ein und war ab 1499 als Pfarrer im wirtschaftlich bedeutenden Außenposten Ummendorf bei Biberach tätig, bis er 1523 zum Abt des Klosters Weißenau gewählt wurde. Er starb im Jahr 1533.

Murer hinterließ eine Reihe historischer Schriften, die nicht nur bemerkenswerte Zeugnisse seiner Zeit darstellen, sondern auch mit politischen Intentionen verbunden waren. Bereits kurz nach seiner Wahl zum Abt begann Murer mit der Förderung und Abfassung historischer Arbeiten, die, wie Peter Eitel betont, einem politischen Kalkül folgten. Ziel war es, juristisch belastbare Argumente zur Wahrung der Reichsunmittelbarkeit, der Steuerhoheit und weiterer klösterlicher Rechte zu formulieren, die gegen habsburgische Bemächtigungsversuche angeführt werden konnten.

In diesem Zusammenhang entstand auch der sogenannte Traditionscodex (heute: Fürstlich Waldburg-Zeil’sches Gesamtarchiv, Schloss Zeil, ZA Ms 41), ein über 500 Seiten umfassendes Werk, das die Geschichte des Klosters Weißenau von dessen Gründung bis in Murers eigene Regierungszeit darlegt. Darin finden sich erstmals Hinweise auf seine Beweggründe, ein eigenes deutschsprachiges Werk zu verfassen, das den Bauernaufstand und den damit verbundenen Konflikt mit den eigenen Untertanen schildern sollte.

Schon bald nach dem Ende des Bauernkriegs beschrieb Murer die Erlebnisse in der Weißenauer Chronik des Bauernkriegs (heute: Fürstlich Waldburg-Zeil’sches Gesamtarchiv, Schloss Zeil, ZA Ms 54). Dabei beschränkte er sich nicht auf die Vorgänge in Weißenau und der unmittelbaren Umgebung, sondern schilderte auch jene in Ummendorf, also seines ehemaligen Wirkungsortes als Pfarrer.

Nach Einschätzung von Peter Blickle handelt es sich bei Murers Überlieferungen, in denen er die das Kloster betreffenden Ereignisse nicht nur knapp und sachlich beschreibt, sondern zugleich in elf handkolorierten Federzeichnungen eindrucksvoll visualisiert, um den „einprägsamsten zeitgenössischen Bericht“[1] zum Bauernkrieg. Jeder der elf kolorierten Federzeichnungen, die jeweils eine Doppelseite füllen, ist ein erläuternder Text vorangestellt, in dem Murer schildert, welche Ereignisse auf dem nachfolgenden Bild dargestellt sind und wie es zu diesen kam. Obwohl Murer einer Künstlerfamilie entstammte, wird davon ausgegangen, dass sie nicht von ihm selbst stammen, er allerdings die Bildkonzeption vorgenommen hat.

Der Darstellung Murers ist zu entnehmen, dass die Bauern des Klosters ihm beim Anrücken des Seehaufens mitteilten, dass sie „kain klag gegen [ihn, Anm. d. Verf.], aber gegen den landtvogt“[2] hätten. Trotz seiner Ermahnung an ihren Eid schlossen sie sich dem Aufstand an. Kurz darauf forderten sie auch Murer auf, dem Bündnis der Bauern beizutreten. Als er dies verweigerte, blieb ihm nur die Flucht in sein Stadthaus nach Ravensburg, wohin ihm auch der Großteil der übrigen Mönche nachfolgte.

Als sich rund 700 Bauern vom Bodensee auf den Weg ins Baltringer Lager machten und auf ihrem Marsch im Kloster Weißenau verpflegt werden wollten, gelang es den verbliebenen Mönchen zwar noch, die Zerstörung des Klosters abzuwenden, die Einnahme und Plünderung des Klosters jedoch nicht.

An zwei Episoden der Weißenauer Chronik kann verdeutlicht werden, dass sie keine Wiedergabe, sondern eine sowohl schriftlich als auch bildlich bewusst gesetzte Darstellung der Ereignisse ist. Die Weißenauer Bildchronik Jakob Murers konzentriert sich in ihrer Darstellung des Bauernkriegs nahezu ausschließlich auf männliche Akteure im Kontext von Plünderungen oder Kampfhandlungen. Allerdings ist der Befund von Lyndal Roper zurückzuweisen, dass „keine Frauen abgebildet“[3] seien.

Die Weißenauer Chronik liefert Spuren für die Beteiligung von Frauen am Bauernkrieg in Wort und Bild. So ist einerseits die Rede davon, dass „uß dem Kloster frowen und man win und brot“[4] trugen, andererseits hat jüngst Peter Eitel auf die Darstellung einer Frau hingewiesen und stellt den Druck des Bildausschnitts zur Verfügung, der eine Frau zeigt. Diese ist mit einem Schwert bewaffnet und wird von einem Reiter des Schwäbischen Bundes mit einer Lanze bedroht. Hervorzuheben ist diesbezüglich der Umstand, dass die Szene vor der Kirche beziehungsweise dem Pfarrhof in Ummendorf dargestellt wird und damit ein Bezug zur ehemaligen Wirkungsstätte von Murer besteht.

Bemerkenswert ist zudem, dass bei Murer neben die bewusste Darstellung die bewusste Nicht-Darstellung tritt. Dies zeigt sich vor allem in einem Moment eines für Murer persönlich als beschämend empfundenen Ereignisses. Obwohl Murer im Vorfeld der Plünderung das Silber und die Wertsachen des Klosters nach Ravensburg in Sicherheit bringen konnte, musste er die Schmach erdulden, dass ein Bauer Abt des Klosters wurde.

Die entsprechenden Federzeichnungen zeigen, wie Mönche gewaltsam aus dem Refektorium getrieben werden und ein Bauer seinen Platz einnimmt. Die Tatsache, dass der Name des Bauernabts keinen Eingang in die schriftliche Darstellung Murers findet, lässt sich nach Lyndal Roper als „eine Art Racheakt, mit dem er dem Bauern einen Platz in der Geschichte des Klosters verwehrte“[5] interpretieren.

Seiner Autorität als Abt sah sich Murer auch nach der militärischen Niederschlagung des Aufstands und dem Weingartener Vertrag beraubt, denn auch nach seiner Rückkehr ins Kloster, weigerten sich die Bauern, ihm gegenüber den Treueeid abzulegen. Der Treueeid wurde erst mithilfe von Truppen des Schwäbischen Bundes erzwungen.

Anmerkungen

[1] Blicke, Bauernkrieg, S. 24.

[2] Murer, Bauernkrieg, S. 497.

[3] Roper, Freiheit, S. 378.

[4] Murer, Bauernkrieg, S. 500.

[5] Roper, Freiheit, S. 366.

Quellen

Literatur

  • Blickle, Peter, Der Bauernkrieg. Die Revolution des Gemeinen Mannes, München 62024.
  • Blickle, Peter, Die Revolution von 1525, München ³1993.
  • Eitel, Peter, Jacob Murer, Abt und Chronist der Weißenau. Ein Lebensbild aus der Zeit des Bauernkrieges, in: 850 Jahre Prämonstratenserabtei Weißenau 1145–1995. Sigmaringen 1995, S. 195–218.
  • Eitel, Peter, Schreiben und Beschreiben als Krisenbewältigung. Jacob Murer, Abt von Weißenau – Ein Leben in Bedrängnis, in: Akteure des Bauernkriegs im deutschen Südwesten. Motive – Strategien – Kommunikation – Lernerfahrung, hg. von Sigrid Hirbodian, Sabine Holtz und Edwin E. Weber, Ostfildern 2025 (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe B, Forschungen, Bd. 239), S. 519–536.
  • Reinle, Christine, Gewalthandeln von Bauern. Bauernfehden und Bauernkrieg im Vergleich, in: Bauernkrieg. Regionale und überregionale Aspekte einer sozialen Erhebung, hg. von Kurt Andermann und Gerrit Jasper Schenk, Ostfildern ²2025 (Kraichtaler Kolloquien, Bd. 14), S. 135–167.
  • Roper, Lyndal, Für die Freiheit. Der Bauernkrieg 1525, Frankfurt am Main ²2025.

Zitierhinweis: Dominik Wabersich, Jakob Murer, Abt von Weißenau (geb. 1468, gest. 1533), in: Bauernkrieg, URL: […], Stand: 07.06.2024.

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