Die Sicht der Reformatoren

von Amelie Bieg

Ulrich Zwingli (1484-1531), Kupferstich aus der Werkstatt Theodor Bry nach einem Holzschnitt von Hans Asper, 1539. [Quelle: UB Tübingen Kg 296 a.4 ]
Ulrich Zwingli (1484-1531), Kupferstich aus der Werkstatt Theodor Bry nach einem Holzschnitt von Hans Asper, 1539. [Quelle: UB Tübingen Kg 296 a.4 ]

Sowohl Martin Luther („Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauernschaft“) als auch Philipp Melanchton („Wider die Artikel der Bauernschaft“) beurteilten die Zwölf Artikel nicht politisch, sondern theologisch und maßen sie am Evangelium. Beide konstatierten, dass das Evangelium Gehorsam gegenüber der Obrigkeit verlange, weshalb sie Aufstand und Ungehorsam und damit eine gewaltsame Umsetzung des Evangeliums ablehnten. Für Melanchthon stand fest: „Aufrur ist villfeltige Morderei“[1]. Die Forderung der Bauern nach der Verkündigung des Evangeliums wurde jedoch von beiden Reformatoren gleichermaßen anerkannt, wie auch Luther die sozialen Beschwerden der Bauern akzeptierte.

Nach dem Beginn der Aufstände reagierte Luther hierauf in seiner Schrift „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“ mit drastischen Worten. So bezeichnete er Thomas Müntzer als „ertzteuffel, der zu Moͤhlhusen regirt, und nichts denn raub, mord, blutvergissen anricht“[2], also die Menschen zum widerrechtlichen Aufstand verführe. Luther forderte die Obrigkeiten auf, den Aufstand niederzuschlagen: „Drumb sol hie zuschmeyssen, wurgen und stechen, heymlich odder offentlich, wer da kan, und gedencken, das nicht gifftigers, schedlichers, teuffelischers seyn kan den eyn auffurricher mensch, gleich als wenn man eynen tollen hund todschlahen mus, schlegstu nicht, so schlegt er dich und eyn gantz land mit dyr.“[3]

Nachdem diese Schrift Luthers bei vielen seiner Anhänger wie auch altgläubigen Theologen aufgrund ihres pamphletartigen Charakters und seiner Argumentation auf heftige Kritik stieß, verteidigte Luther seine Haltung im „Sendbrief von dem harten Büchlein wider die Bauern“, ohne von seinen vorherigen Urteilen abzurücken. Luther verfasste zudem ein Vor- und Nachwort zu einer gedruckten Version des Weingartener Vertrages, der am 17./22. April 1525 abgeschlossen worden war, um die Aufständischen in Sachsen und Thüringen zur Mäßigung aufzufordern. Festzuhalten ist, dass Luther „die Vermischung eines innerweltlich gültigen göttlichen Rechts mit dem Evangelium der Freiheit der Christen“[4] ablehnte.

Huldrich Zwingli wiederum gab kein Gutachten zu den Zwölf Artikeln ab, obwohl er dazu aufgefordert worden war. Auch wenn Zwingli das Vorgehen der Bauern nicht guthieß, hatten die Zwölf Artikel der Bauern viel vom Geist der Züricher Reformation übernommen: „Eine Umsetzung des Evangeliums ins Politische und Soziale forderten nur die oberdeutschen Reformatoren, nicht die Wittenberger.“[5]

Bemerkenswert ist, dass – wie Peter Blickle betont hat – die Deutung der Thematik von „Bauernkrieg und Reformation“ teilweise bis heute auf Luthers Interpretation zurückgeht. Luther verschob den Fokus weg von der reformatorischen Bewegung und hin zu einem angeblich verirrten Hauptschuldigen, nämlich Thomas Müntzer, und von „Bauernkrieg und Reformation“ hin zu „Bauernkrieg und Thomas Müntzer“. Dadurch sicherte „sich Luther wie kein Zweiter die Deutungshoheit über vier Jahrhunderte“.[6]

Anmerkungen

[1] Melanchthons Gutachten über die 12. Artikel, S. 180.

[2] Luther, Wider die räuberischen und mörderischen Rotten, S. 328.

[3] Luther, Wider die räuberischen und mörderischen Rotten, S. 329.

[4] Breyer, Die drei Bauernkriegsschriften Martin Luthers von 1525, S. 255.

[5] Blickle, Die Reformation im Reich, S. 125.

[6] Blickle, Die Reformation im Reich, S. 132 f.

Quellen

  • Luther, Martin, Ein Sendbrief vom harten Büchlein wider die Bauern, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube/Hans Werner Seiffert, Berlin 1975, S. 413-429.
  • Luther, Martin, Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauernschaft, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube/Hans Werner Seiffert, Berlin 1975, S. 203-222.
  • Luther, Martin, Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube/Hans Werner Seiffert, Berlin 1975, S. 328-332.
  • Melanchthon, Philipp, Wider die Artikel der Bauernschaft, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube/Hans Werner Seiffert, Berlin 1975, S. 223-241.
  • Melanchthons Gutachten über die 12. Artikel, in: Quellen zur Geschichte des Bauernkrieges, hg. von Günther Franz, Darmstadt 1963, Nr. 44, S. 179-188.

Literatur

  • Blickle, Peter, Die Reformation im Reich, Stuttgart 2015, v. a. S. 113-139.
  • Blickle, Peter, Luther und der Bauernkrieg. Interpretationen zwischen den Gedenkjahren 1975-2017, in: Der Reformator Martin Luther 2017. Eine wissenschaftliche und gedenkpolitische Bestandsaufnahme, hg. von Heinz Schilling, Berlin/München/Boston 2014, S. 233-243.
  • Brecht, Martin, Martin Luther, Bd. 2 Ordnung und Abgrenzung der Reformation 1521-1532, Stuttgart 1986, v. a. S. 172-193.
  • Breyer, Michael, Die drei Bauernkriegsschriften Martin Luthers von 1525, in: Reformation und Bauernkrieg, hg. von Werner Greiling/Thomas T. Müller/Uwe Schirmer, Wien/Köln/Weimar 2019, S. 241-258.

Zitierhinweis: Amelie Bieg, Die Sicht der Reformatoren, in: Bauernkrieg, URL: […], Stand: 07.06.2024.

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