Memminger Vertrag

von Amelie Bieg

Memmingen aus der Topographia Sueviae von Matthäus Merian, 1643. [Quelle: Wikisource gemeinfrei]
Memmingen aus der Topographia Sueviae von Matthäus Merian, 1643. [Quelle: Wikisource gemeinfrei]

Der Memminger Vertrag wurde vom 8. bis zum 19. Januar 1526 zwischen dem Abt von Kempten, Sebastian von Breitenstein, und seinen Untertanen unter der Aufsicht einer vom Schwäbischen Bund eingesetzten Schiedskommission ausgehandelt. Teile des Vertrages basierten auf dem am 23. Oktober 1525 zwischen dem Abt und Vertretern des Gerichtsorts Martinszell getroffenen Martinszeller Vertrag.

Die Untertanen erhielten mehr Freiheiten und Rechte. So wurde die Ehe zwischen Eigenleuten und Freizinsern erlaubt, wobei die Kinder den Rechtsstatus der Mutter übernahmen. Zudem wurde ihnen – nach einer Abgabe von zehn Prozent des mitgenommenen Vermögens, anstatt wie zuvor eines Drittels – der freie Zug gestattet. Mit ihrem Wegzug waren Freizinser künftighin frei, Eigenleute mussten einen Vergleich mit der Herrschaft schließen. Damit wurden die rechtlichen Unterschiede zwischen den verschiedenen Untertanengruppen aneinander angeglichen. Peter Blickle konstatierte deshalb, dass nun alle Untertanen als Freie bezeichnet werden konnten: „Erbschaftssteuern waren faktisch das einzige, was Kempten von seiner ehemaligen Macht über Personen geblieben war.“[1]

Dem Fürstabt war es künftig nicht mehr möglich, willkürliche Steuer- und Abgabebescheide zu erlassen, denn die Höhe der Steuern sowie der Abgaben im Todesfall wurde im Vertrag festgeschrieben. Gleichzeitig erkannten jedoch die Bauern das Kloster als Obrigkeit und Gerichtsherrn sowie die üblichen Abgaben und Steuern als legitim an. Alle Untertanen waren dem Abt gerichts-, steuer- und dienstbar sowie zum bewaffneten Dienst verpflichtet. Damit hatte das Kloster seine Machtansprüche als Obrigkeit, die im Bauernkrieg angefochten worden waren, letztlich weitgehend gesichert. Die Kemptener Untertanen wiederum hatten durch ihr Auftreten als Kollektiv, als Landschaft, und dank der vom Schwäbischen Bund beauftragten Schiedskommission weitreichende Zugeständnisse des Abtes erreicht. Die Schiedskommission diente den Bauern zudem später bei einem möglichen Vertragsbruch durch den Abt als Appellationsinstanz.

Mit Hinblick auf die Aufstände verfügte der Memminger Vertrag, dass die Rechtsbrüche, welche 1525 begangen worden waren, von der Obrigkeit nicht weiterverfolgt wurden und damit verbundene Standesminderungen nicht mehr erfolgen sollten. Peter Blickle bezeichnete den Memminger Vertrag aufgrund seiner Regelungen als „Verfassung“ des Reichsstifts Memmingen, die auf der einen Seite den Untertanen Rechtsschutz über Status und Vermögen und auf der anderen Seite dem Kloster Kempten seine Rolle als Obrigkeit garantierte.

Anmerkungen

[1] Blickle, Der Bauernkrieg, S. 113.

Quellen

  • Agrarverfassungsverträge. Eine Dokumentation zum Wandel in den Beziehungen zwischen Herrschaften und Bauern am Ende des Mittelalters, hg. von Peter Blickle und André Holenstein (Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte 42), Stuttgart 1996, S. 108-164.

Literatur

  • Blickle, Peter, Der Bauernkrieg. Die Revolution des Gemeinen Mannes, München 2018.
  • Blickle, Peter, Persönliche Freiheit und politische Macht – Der Herrschaftsvertrag zwischen den Untertanen und dem Abt des Stifts Kempten von 1526 als Verfassung, in: „Bürgerfleiß und Fürstenglanz“. Reichsstadt und Fürstabtei Kempten, hg. von Wolfgang Jahn u.a. (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 38/98), Augsburg 1998, S. 17-30.
  • Mathys, Nora, Die Bewältigung der Herrschaftskrise in Kempten nach dem Bauernkrieg, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 74 (2011), S. 81-140.

Zitierhinweis: Amelie Bieg, Memminger Vertrag, in: Bauernkrieg, URL: […], Stand: 07.06.2025.

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