Truppengattungen - Feldgeschütz

von Marius Wieandt

 

Geschütz auf Räderlafette mit Höhenverstellung sowie Detail eines Schneckengetriebes zur Ausrichtung (oben), unten ein vierläufige Büchse auf Räderlafette mit Höhenverstellung [Quelle: Unibibliothek Heidelberg Cod. Pal. germ. 126, Bl. 029v].
Geschütz auf Räderlafette mit Höhenverstellung sowie Detail eines Schneckengetriebes zur Ausrichtung (oben), unten ein vierläufige Büchse auf Räderlafette mit Höhenverstellung [Quelle: Unibibliothek Heidelberg Cod. Pal. germ. 126, Bl. 029v]

Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges waren schwere Geschütze mit hohen Kalibern verbreitet, die teils mehr als vier Tonnen wogen und von mehr als 20 Pferden gezogen werden mussten. Zu einer solchen schweren Kanone, die bis zu 50 Pfund schwere Geschosse feuerte, gehörte außerdem eine Gruppe von 20 bis 30 Pionieren, die eine Feuerstellung zunächst vorbereiten mussten, um die Stellung notdürftig gegen Beschuss zu schützen und einen stabilen Stand des Geschützes zu gewährleisten, damit dieses beim Feuern durch den Rückstoß nicht beschädigt wurde. Kanonen waren daher in der Frühphase des Krieges in offenen Feldschlachten sehr schwerfällig, eine einmal bezogene Stellung konnte kaum während der Schlacht gewechselt werden und Kanonen mussten bei einem Rückzug häufig zurückgelassen werden. Im Vorfeld einer Feldschlacht waren die Generale deswegen gezwungen zu antizipieren, an welcher Stelle die eigene Artillerie den größten Effekt erzielen würde.

Ein Meister dieses antizipierenden Vorgehens war der ligistische General Tilly, der ein Talent dafür hatte, aus den Gegebenheiten des Geländes und dem Aufmarsch des Gegners die Schwerpunkte des gegnerischen Vorgehens zu lesen. Da Tilly zudem die Ausbildung seiner Geschützmannschaften gefördert hatte, stand ihm im ersten Kriegsjahrzehnt eine im Vergleich zu seinen Gegnern äußerst wirkungsvolle Artillerie zu Verfügung.

Während Geschütze bei der Belagerungskriegsführung enorm wichtig waren, um Verteidigungsbauten zu beschädigen oder sturmreif zu schießen, spielten Geschütze in den Feldschlachten der ersten Kriegsjahre eine vergleichsweise untergeordnete Rolle, da sie mit der zunehmenden Mobilität des Fußvolkes und der Reiterei nicht mithalten konnten. So wurden Geschütze meist an empfindlichen Stellen der Front vor dem Fußvolk aufgestellt und beschossen den Gegner im Vorfeld der Schlacht auf höhere Distanz, um ihn in seiner Aufstellung zu stören, seine Formationen aufzuweichen und ihn durch den Beschuss zum Angriff zu zwingen. Während der eigentlichen Schlacht, sobald das Fußvolk zum Schutz der Kanonen vor diesen aufmarschiert war, waren die Geschütze häufig jedoch weitgehend wirkungslos.

Dies änderte sich mit dem Kriegseintritt Schwedens grundlegend. Der schwedische König Gustav II. Adolf legte großen Wert auf die Beweglichkeit seiner Einheiten. Dazu fügte er seinen Regimentern vergleichsweise leichte Kanonen bei, bei denen durch ein kleines Kaliber und einen kurzen Lauf Gewicht gespart wurde. Die damit erfundene Regimentskanone konnte im Gefecht von den Mannschaften gezogen werde und auch während des Kampfes von Nahem aus den Reihen der Söldner heraus Feuerunterstützung für das Fußvolk bieten. Die schweren Geschütze, die nicht den einzelnen Regimentern zugeordnet waren, ließ Gustav Adolf zu Batterien zusammenfassen, statt sie wie üblich einzeln über die Front zu verteilen, sodass diese ihre Feuerkraft gebündelt und wirkungsvoller entfalten konnten. Zudem führte der König die Kartusche ein, bei der Pulver und Kugel miteinander verbunden waren und gemeinsam in das Kanonenrohr eingeführt werden konnten, was die Feuerrate deutlich erhöhte. Damit konnten die schwedischen Regimentskanonen drei Schüsse in der Zeit abgeben, in der ein Musketier seine Waffe einmal laden und abfeuern konnte.

Während des Dreißigjährigen Krieges gab es eine Reihe verschiedenartiger Geschosse, die den Kanonieren zur Verfügung standen. Verschossen wurden vor allem Eisenkugeln, die im Flug mehrfach am Boden abprallen und in flacher Flugbahn Schneisen durch das gegnerische Fußvolk schlagen konnten, und Kartätschen, die aus kleinen Metallstücken in einem Behälter, der sich im Flug auflöste, bestanden und als Hagel auf den Feind niedergingen. Eine neue Entwicklung waren eiserne Granaten, die innen mit Pulver gefüllt waren und erst im Flug oder beim Auftreffen auf den Boden explodierten und damit eine verheerende Splitterwirkung entfalten konnten.

Die Geschütze dieser Zeit bestanden meist aus Kupfer und nur selten aus Eisen, das zwar das günstigere Material war, jedoch deutlich aufwendiger in der Verarbeitung. Kupferne Rohre ließen sich gießen, während Rohre aus Eisen geschmiedet werden mussten.

Kanonengießer waren Spezialisten, die häufig keine festen Arbeitgeber hatten, sondern sich auf Zeit anstellen ließen. Aus diesem Grund und weil die Gussformen nach dem Guss zum Herauslösen des gegossenen Rohres zerstört werden mussten, verfügten die Heere über eine enorme Vielzahl an Geschützmodellen mit verschiedensten Kalibern und Lafetten. So bestand die spanische Artillerie aus mehr als 50 verschiedenen Modellen. Aus dieser Vielfalt ergaben sich zahlreiche logistische Probleme, da häufig weder die Geschosse noch Ersatzteile für die Lafetten kompatibel waren. Eine Ausnahme hiervon stellte die niederländische Artillerie dar, die nur über vier verschiedene Kaliber verfügte und deren Lafetten genormt waren. Dies war möglich, weil die Niederlande ihre Geschütze zentral in einer einzigen Waffenschmiede herstellen ließen und sich mit der Standardisierung ihrer Geschütze die Logistik der Artillerie deutlich vereinfachten. Auch den Schweden gelang es, ihre Artillerie während des Krieges auf sechs verschiedene Kaliber zu reduzieren.

Literatur in Auswahl:

  • Dastrup, Boyd, The Field Artillery. History and Sourcebook, Westport CT/London 1994.
  • Gohlke, W., Versuche zur Erleichterung der Feldgeschütze im 17. und 18. Jahrhundert, in: Zeitschrift für historische Waffenkunde 4 (1908), S. 387-395.
  • Köhler, Max, Der Aufstieg der Artillerie in Umrissen und Zeittafeln, München 1938.
  • Lynn, John, Tactical Evolution in the French Army, 1560-1660, in: French Historical Studies 14/2 (1985), S. 176-191.

Zitierhinweis: Marius Wieandt, Die Geschütze des Dreißigjährigen Krieges, in: Der Dreißigjährige Krieg, URL: […], Stand: 23.11.2023.

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