Steinsfurt

Die ehemalige Synagoge in Steinsfurt. Das Gebäude wurde vor den Pogromen im November 1938 durch die jüdische Gemeinde verkauft und entging der Zerstörung. Das Gebäude wird von einem in den 1990er Jahren gegründeten Förderverein betreut und restauriert. [Quelle: Landeszentrale für politische Bildung BW - Gedenkstätten]
Die ehemalige Synagoge in Steinsfurt. Das Gebäude wurde vor den Pogromen im November 1938 durch die jüdische Gemeinde verkauft und entging der Zerstörung. Das Gebäude wird von einem in den 1990er Jahren gegründeten Förderverein betreut und restauriert. [Quelle: Landeszentrale für politische Bildung BW - Gedenkstätten]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Steinsfurt gehörte bis 1803 zur Kurpfalz, 1803-1806 zum Fürstentum Leiningen und fiel 1806 an Baden.

Im Jahre 1722 sind in Steinsfurt erstmals Juden nachgewiesen. 1825 zählte das Dorf 35 Israeliten, 1875 80, 1900 61, 1925 36 und 1933 32. Im Ersten Weltkrieg sind aus Steinsfurt Friedrich und Julius Weil gefallen. Ihre Namen stehen noch heute auf einer Gedenktafel in der als Lagerraum benutzten ehemaligen Synagoge. Einen eigenen Friedhof besaß die israelitische Gemeinde nicht. Die Toten wurden auf dem jüdischen Friedhof in Sinsheim begraben. Dort befand sich seit 1827 auch der Sitz des zuständigen Bezirksrabbinats. Ein Israelitischer Männer- und ein Frauenverein bestanden bis nach 1933. Seit 1906 waren vorübergehend die wenigen Juden der aufgelösten Gemeinde Rohrbach der Steinsfurter Judengemeinde angegliedert.

Die Steinsfurter Juden erwarben sich ihren Lebensunterhalt mit Vieh- und Landesproduktenhandel. Die meisten besaßen ein Haus; einige bewirtschafteten ein Stück Ackerland. Zu Beginn des Dritten Reiches waren Max Kahn und Josef Weil Viehhändler, Hugo und Karl Weil Viehhändler und Landwirte, Moritz Eichtersheimer besaß eine Holzhandlung, Siegfried Weil betrieb einen Landesproduktenhandel. Sofie Kahn war Volksschullehrerin.

Zu Gewalttaten gegen die Juden kam es in Steinsfurt nicht. Selbst am berüchtigten 10. November 1938 wurde nur der Viehhändler Karl Weil verhaftet und einige Wochen im KZ Dachau festgehalten. Die Synagoge an der Adersbacher Straße, die bereits 1937 verkauft worden war, blieb unversehrt. Der verhältnismäßig frühzeitige Ausschluss der jüdischen Viehhändler aus dem Wirtschaftsleben und das Bemühen der Parteigenossen, ihren Ort möglichst rasch „judenrein" zu haben, bewirkte, dass bis Anfang 1940 aus Steinsfurt alle Juden nach Nord- und Südamerika ausgewandert sind. Das harte Schicksal der Emigration bewahrte sie vor dem noch viel härteren der Deportation. Steinsfurt ist eine der ganz wenigen jüdischen Gemeinden Badens, die keine unmittelbaren Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung zu beklagen hat.

Ergänzung 2023:

2007 wurde die Synagoge an den Verein „Alte Synagoge Steinsfurt e.V." verpachtet. 2015 konnten die Innenräume saniert werden, 2018 der Synagogenplatz als Gedenkplatz eingeweiht werden. 

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Steinsfurt, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Appenzeller, Hans, Die jüdische Gemeinde Steinsfurt. Geschichte der Familie Weil, 1989.
  • Bauer, Wilhelm, Die ehemalige jüdische Gemeinde von Sinsheim, 1985.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Twiehaus, Christiane, Synagogen im Großherzogtum Baden (1806-1918). Eine Untersuchung zu ihrer Rezeption in den öffentlichen Medien, (Schriften der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg), Heidelberg 2012, S. 36-38.
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