Dörzbach

Die ehemalige Synagoge in Dörzbach, um 1985. Die kleine Gemeinde verkaufte das nicht mehr genutzte Gebäude nach 1900. Es blieb als Wohnhaus erhalten. [Quelle: Alemannia Judaica, Foto: Joachim Hahn]
Die ehemalige Synagoge in Dörzbach, um 1985. Die kleine Gemeinde verkaufte das nicht mehr genutzte Gebäude nach 1900. Es blieb als Wohnhaus erhalten. [Quelle: Alemannia Judaica, Foto: Joachim Hahn]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 18), Stuttgart 1966.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1966. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Der ritterschaftliche Ort Dörzbach war seit dem Ende des 15. Jahrhunderts im Besitz der Herren von Berlichingen. 1601 erwarben ihn die Herren von Eyb. 1805 wurde Dörzbach badisch, im Jahr darauf württembergisch.

Juden befanden sich hier schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Es ist nicht bekannt, ob sie noch von den Berlichingen oder erst von den Eyb aufgenommen wurden. Klagen über Wucher, über falsches Maß und Gewicht, die vornehmlich von den benachbarten Herrschaften wie den Mainzer Amtleuten in Krautheim ausgingen, aber auch Streitigkeiten der Dörzbacher Juden untereinander und mit ihrem Rabbiner und Vorsteher veranlassten die Freiherrn von Eyb um 1650 die jüdische Gemeinde, deren Ausweisung sie zunächst erwogen hatten, mit einer Strafe von 100 Reichstalern zu belegen. Um 1688 entzog jedoch Albrecht Ludwig von Eyb den damals in größerer Zahl hier lebenden Juden den herrschaftlichen Schutz, worauf diese Dörzbach verlassen mussten. Auswärtige Juden, die im Dorf Handel trieben, hatten ein „ihrer Handelsschaft proportioniertes verakkordiertes Erlaubnisgeld" von 4, 6, 8 und 10 Gulden jährlich zu entrichten. 1748 brachte die Herrschaft in einem Patent diese inzwischen in Vergessenheit geratenen Abgaben in Erinnerung. 1753 nahm Julius Friedrich Franz von Eyb wieder Juden in Dörzbach auf. Die ersten jüdischen Ansiedler scheinen damals Wolf Jacob und Simon Abraham von Hohebach gewesen zu sein. Die Juden hatten ein jährliches Schutzgeld von 6 Gulden und einige andere Abgaben sowie eine Gebühr bei Sterbefällen (30 Kreuzer, 1 Gulden oder 1 Gulden 30 Kreuzer, je nachdem ob es sich bei dem Toten um ein Kind unter 12 Jahren, eine Frau oder einen Mann handelte) zu bezahlen. 1782 waren 8 jüdische Familien ansässig, die bei der Herrschaft wegen der Einrichtung eines eigenen Betsaals vorstellig wurden. Die Herrschaft erlaubte ihnen den Bau einer eigenen Schule und gewährte dazu ein Sammelpatent. 1807 zählte Dörzbach 75 jüdische Einwohner, 1824 98, 1831 131, 1843 169, 1854 156, 1869 58, 1886 27, 1900 13, 1910 und 1933 3. 1822 errichtete die jüdische Gemeinde, die 1832 vom württembergischen Staat als selbständige israelitische Religionsgemeinde anerkannt wurde, eine Synagoge, an deren Stelle aber bereits 1840 ein größerer Neubau trat. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der Juden in Dörzbach infolge von Abwanderungen rasch zurück. Die israelitische Gemeinde wurde wohl schon um die Jahrhundertwende aufgelöst und die noch hier ansässigen Juden der Gemeinde Hohebach zugewiesen. Von den drei jüdischen Bürgern, die 1933 in Dörzbach wohnten, kamen die Eheleute Albert Fleischhacker und Therese geb. Strauß, die schon vor der nationalsozialistischen Verfolgungszeit in armseligen Verhältnissen gelebt hatten (Lebensunterhalt durch Sammeln von Lumpen, Altmaterial und Knochen), in der Deportation um, während die 1858 in Dörzbach geborene Julie Stern im Januar 1940 hier verstarb.

 

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Bauer, Die Israeliten im wirtembergischen Franken, in: Württ. Franken Bd. 5, Heft 3, 1861.
  • Beschreibung des Oberamts Künzelsau, 1883.

 

Zitierhinweis: Sauer, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1966, Beitrag zu Dörzbach, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.11.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Rauser, Jürgen Hermann, Dörzbacher Heimatbuch, 1980.