Hohebach mit Hollenbach und Mulfingen
Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 18), Stuttgart 1966.
Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1966. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.
In dem den Grafen von Hohenlohe gehörenden Ort Hohebach waren schon Mitte des 14. Jahrhunderts Juden ansässig, die nach dem Nürnberger Memorbuch Opfer der 1348 durch die Pest ausgelösten Verfolgungen wurden. Versuche einer bald darauf unternommenen Neuansiedlung scheiterten vermutlich. In der Erbeinigung von 1511 legten die Grafen von Hohenlohe fest, dass kein Jude in der Grafschaft Aufnahme finden sollte. 1637 übertrug der Kaiser den Besitz von Graf Friedrich von Hohenlohe-Weikersheim, der als Mitglied der Böhmischen Stände der Reichsacht verfallen war, dem Deutschorden. Dieser nahm in Weikersheim, Hohebach, Hollenbach und einigen anderen Orten Juden unter der Bedingung auf, dass sie die notleidende Bevölkerung mit Gütern und Waren versorgten. Den Juden wurde auferlegt, nicht vom christlichen Glauben zu reden, nicht am Sonntag zu hausieren, keine fremden Juden über Nacht zu beherbergen, alle Gemeindelasten mitzutragen. Nach der Restitution der Herrschaft Hohenlohe-Weikersheim 1649 behielten auf Fürsprache des Deutschmeisters die Erben von Graf Georg Friedrich die Juden in Hohebach bei. Von 1666-1673 bekamen 13 Judenfamilien die Erlaubnis, sich gegen ein jährliches Schutzgeld von je 12 Gulden (für den Schutzbrief waren außerdem 10 Reichstaler pro Familie zu entrichten) hier niederzulassen. Da die christlichen Einwohner im 18. Jahrhundert bei der Herrschaft über das starke Anwachsen der jüdischen Bevölkerung Klage führten, versprach Graf Karl Ludwig wiederholt (1743, 1745, 1746), die Zahl der Juden nicht mehr zu erhöhen. Doch befanden sich 1769 bereits 2 Juden über die festgesetzte Zahl hinaus (sogenannte Supernumerarii) im Ort.
1807 lebten 62 Juden in Hohebach, 1824 100, 1831 125, 1843 145, 1854 168, 1886 110, 1900 101, 1910 68, 1933 32.
1685 hatten die Juden ihren Betsaal in einem Privathaus. 1817 löste sich die jüdische Gemeinde Hohebach von ihrer Muttergemeinde Ailringen und errichtete um etwa 3.000 Gulden eine eigene Synagoge. Diese wurde 1838 umgebaut und vergrößert, nachdem sich die Ailringer Juden der hiesigen israelitischen Religionsgemeinde angeschlossen hatten. 1869 gehörten zur Gemeinde Hohebach außer den Juden in Ailringen auch die Juden in Hollenbach und Mulfingen. Hollenbach zählte 1807 17 jüdische Einwohner, 1854 43, 1883 38 und 1910 3. Die Hollenbacher Juden hatten 1883 einen eigenen Betsaal in einem Privathaus. In Mulfingen hatte das Hochstift Würzburg im 17. Jahrhundert Juden aufgenommen, die dem Ortspfarrer im Jahr 1695 als Ersatz für Stolgebühren ein Neujahrsgeld bezahlen mussten.
1807 lebten hier 24 Juden, 1854 27 und 1886 2. Die Mulfinger Synagoge wurde 1902 geschlossen. Ende des 19. Jahrhunderts kamen die wenigen Juden der einst blühenden jüdischen Gemeinde Dörzbach hinzu. Die jüdische Gemeinde Hohebach, die von 1833-1914 dem Rabbinat Weikersheim, später dem Rabbinat Mergentheim unterstand, wurde 1939 aufgelöst. Eine israelitische Konfessionsschule bestand von 1829-1925. Zuvor hatten die Juden einen Privatlehrer gehabt, der zugleich Vorsänger gewesen war. Ein jüdischer Friedhof, auf dem auch die Juden von Ailringen, Hollenbach und Mulfingen ihre letzte Ruhestätte fanden, wurde 1852 an der Straße Hohebach-Ailringen über der Jagst angelegt.
Wenn Hohebach im 19. Jahrhundert wirtschaftlich eine Bedeutung erlangte, die es über Dörfer seiner Größe hinaushob, so verdankt es dies zu einem guten Teil seinen rührigen jüdischen Bürgern. Noch um 1900, als die Zahl der Juden bereits erheblich zurückgegangen war, befanden sich hier eine Wirtschaft, zwei Spezereiwaren-, drei Manufakturwarenhandlungen, zwei Landesproduktengeschäfte, eine Weiß-, Woll- und Kurzwarenhandlung sowie eine Bank in jüdischem Besitz. 1883 betätigten sich 17 Juden im Viehhandel, 1903 noch 7. Die Firma Kahn und Rosenthal machte sich durch die Einführung ungarischer Pferde weithin bekannt. Nach der Chronik von Ludwig Eyth (1904) stammten aus Hohebach mehrere in Straßburg, München, Stuttgart, Frankfurt und New York ansässige angesehene Fabrikanten und Großhändler. Die Vermögensverhältnisse der Hohebacher Juden waren im 19. Jahrhundert im Durchschnitt sehr viel günstiger als die ihrer christlichen Mitbürger.
Das Verhältnis der in Hohebach vertretenen Religionsgemeinschaften (evangelische Christen, Juden) bezeichnete Eyth als im allgemeinen friedlich. Um 1900 und von 1920-28 saß ein Jude im Gemeinderat. Einige wohlhabende Juden machten Stiftungen zugunsten der Ortsarmen. Im Ersten Weltkrieg starben zwei jüdische Einwohner den Soldatentod: Heinrich Rosenthal und Max Stern.
Die nationalsozialistische Hasspropaganda fand in Hohebach lange kaum Eingang. Wohl aber mussten die Juden unter dem Druck der Partei und des durch Drohungen erzwungenen wirtschaftlichen Boykotts ihre Geschäfte veräußern. In der sogenannten Kristallnacht 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge demoliert. Das Zerstörungswerk geschah größtenteils durch auswärtige SA-Leute. Die meisten Juden, die 1933 noch hier gelebt hatten, fanden bis Kriegsausbruch im Ausland Zuflucht. 8 wurden in den Jahren 1941 und 1942 deportiert: Sie kamen alle um. Die Synagoge ist umgebaut und dient heute als Wohnhaus.
In dieser Studie nachgewiesene Literatur
- Beschreibung des Oberamts Künzelsau, 1883.
- Bilder von der Synagoge und vom Friedhof, in: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe, 1932, S. 88.
- Eyth, Ludwig, Chronik des fränkischen Dorfes Hohebach, Stuttgart 1904.
Zitierhinweis: Sauer, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1966, Beitrag zu Hohebach, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.11.2022
Lektüretipps für die weitere Recherche
Hohebach
- Eyth, Ludwig, Chronik von Hohebach, 1904.
- Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
- Leiberich, Georg, „Ich liebte dieses Dorf und seine Leute“. Jüdisches Leben in Hohebach, 1998.
- Rauser, Jürgen Hermann, Ortsgeschichte Hohebach, in: Dörzbacher Heimatbuch, 1980.
Hollenbach
- Bamberger, Naftali Bar-Giora, Die jüdischen Friedhöfe im Hohenlohekreis, Künzelsau 2002.
Mulfingen
- Volk, Andreas, Schmuser, Bettel-, Schacherjud. Geschichte einer jüdischen Landgemeinde, dargestellt am Beispiel Mulfingen (Hohenlohekreis), 2018.