Massenbach

Bereich um den Standort der Synagoge in der heutigen Raiffeisenstr. 26 auf der Württembergischen Flurkarte, Blatt NO LXIII 1 von 1835. Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 nicht zerstört, 1939 verkauft und in den 1950er Jahren abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, StAL EL 68 VI Nr 5304]
Bereich um den Standort der Synagoge in der heutigen Raiffeisenstr. 26 auf der Württembergischen Flurkarte, Blatt NO LXIII 1 von 1835. Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 nicht zerstört, 1939 verkauft und in den 1950er Jahren abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, StAL EL 68 VI Nr 5304]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 18), Stuttgart 1966.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1966. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

In dem reichsritterschaftlichen Dorf, das 1805 an Württemberg fiel, waren bereits 1556 Juden ansässig: Über ihr weiteres Schicksal ist nichts Genaues bekannt. Wohl zu Beginn des 18. Jahrhunderts nahm die Ortsherrschaft, die Herren von Massen­bach, wieder Juden auf. Diese errichteten 1720 eine Synagoge. Ihre Toten begru­ben sie in Waibstadt und Heinsheim. Da eine Flur die Bezeichnung „Judenkirchhof" führt, ist zu vermuten, dass sich hier im 16. Jahrhundert ein jüdischer Friedhof befand.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zählte Massenbach rund 50 jüdische Einwohner, die bis 1824 auf 65 angewachsen waren. 1831 lebten hier 52 Juden, 1843 85, 1854 57, 1869 52, 1886 41, 1900 30, 1910 18 und 1933 15. Bei der Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse der israelitischen Religionsgemeinschaft in Württemberg wurde die hiesige israelitische Gemeinde 1832 ebenso wie die zu Bonfeld Filiale der Religionsgemeinde Massenbachhausen. In den sechziger Jahren kehrte sich das Verhältnis um: Massenbach wurde die Hauptgemeinde, der auch die Juden in Massenbachhausen und in Bonfeld angehörten. Die israelitische Gemeinde Massen­bach ging in der Folgezeit immer mehr zurück, bestand aber noch bis Mai 1938. Zusammen mit Bonfeld besaß sie bis zuletzt in der Person von Max Meyer einen Kantor und Schächter. Nach der Beschreibung des Oberamts Brackenheim von 1873 handelten die Massenbacher Juden damals mit verschiedenen Gegenständen. Wie anderwärts spielte der Viehhandel eine wichtige Rolle. 1933 besaß David Behr ein Textilgeschäft und Louis Abraham einen kleinen Manufakturwarenladen. Rosa Meyer hatte ein Kolonialwarengeschäft inne. Jenny und Sigmund Abraham betrie­ben eine gutgehende Metzgerei und eine Schankwirtschaft.

Zwischen Christen und Juden hatte sich seit der Emanzipation eine echte Lebensgemeinschaft gebildet. Die jüdischen Bürger nahmen regen Anteil am Dorfgeschehen. Einige von ihnen saßen in den Ausschüssen der örtlichen Vereine. David Behr war nach dem Ersten Weltkrieg Feuerwehrkommandant. Mit der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus änderte sich auch hier vieles. Doch hielten nicht wenige Einwohner an dem bisherigen freundnachbarlichen Verhältnis zu ihren jüdischen Mitbürgern fest und widersetzten sich zumindest passiv den diskriminierenden Maßnahmen der Partei. Als im Jahr 1936 die Gemeinderäte und Gemeindebedien­steten vom Kreisleiter streng verwarnt wurden, weil sie nach wie vor ihre Fleisch­ und Wurstwaren in der Metzgerei von Sigmund Abraham kauften, legte der Gemeinderat Johann Wagner II demonstrativ sein Amt nieder. Die nationalsozia­listische Hasspropaganda wirkte sich, von Ausnahmen abgesehen, nur bei der Jugend aus. Zu Beginn des Krieges wurden die wenigen Juden, die sich bis dahin nicht zur Auswanderung hatten entschließen können, in ein Haus zwangseinquartiert. Drei jüdische Bürger verloren in der Deportation ihr Leben, zwei starben während der Verfolgungszeit hier.

Die Synagoge, die in der sogenannten Kristallnacht 1938 nicht zerstört worden war, wurde 1954 wegen Baufälligkeit abgerissen, der Platz neu überbaut (Autoreperaturwerkstätte).

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Beschreibung des Oberamts Brackenheim, 1873.
  • Bild von der Synagoge (Innenraum), in: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe, 1932, S. 99.

 

Zitierhinweis: Sauer, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1966, Beitrag zu Massenbach, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.11.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Angerbauer, Wolfram/Frank, Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn, Heilbronn 1986, S.146-160.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 108-109.
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