Oedheim 

Die Synagoge in Oedheim, o.D. 1938 lösten die wenigen verbliebenen Mitglieder die jüdische Gemeinde auf. Die Synagoge wurde verkauft und nach dem Zweiten Weltkrieg umgebaut. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 1374]
Die Synagoge in Oedheim, o.D. 1938 lösten die wenigen verbliebenen Mitglieder die jüdische Gemeinde auf. Die Synagoge wurde verkauft und nach dem Zweiten Weltkrieg umgebaut. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 1374]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 18), Stuttgart 1966.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1966. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Im Jahr 1698 wollte der Freiherr von Bautz in seinem Schloss zu Oedheim, das er als württembergisches Lehen innehatte, Juden aufnehmen. Er begründete seinen Entschluss damit, dass schon sein Großvater zwei Juden den Schutz gewährt habe. Der Deutschorden, in dessen Besitz das Dorf Oedheim seit 1484 war, und dem auch über das Schloss der Herren von Bautz die Hochgerichtsbarkeit zustand, suchte dies zu verhindern, da er argwöhnte, dass sonst in dem Ort „Wucher und Fuggereyen, underbringung der Diebstähle und andere lose Händel mehr sich einschlichen", dass außerdem der Freiherr mit der Zeit wohl weiteren Juden die Niederlassung und die Einrichtung einer „Schule" (d. h. Synagoge) gestatten würde. 1701 zog der erste Jude, Baruch von Wachbach, in das Bautz'sche Schloss ein. Die Deutschordens­-Regierung ordnete zunächst an, Baruch wieder aus ihrem Gebiet zu vertreiben, sobald er sich sehen ließe. Da sich aber Württemberg hinter seinen Lehensmann stellte, fand sich 1703 auch der Deutschordens-Amtmann zu Heuchlingen bereit, den Juden zu „tolerieren", allerdings sollte ihm der „Teutschherrische grundt, Luft, Wasser und waydt gehemmt, auch in Klagsachen weder Recht noch Schutz geleistet werden". Diese Bestimmungen beschwerten aber Baruch nicht allzu sehr, da er seine Handelsgeschäfte durch Glaubensgenossen, wahrscheinlich Deutschordens-Schutzjuden, besorgen ließ. 1729/30 lebten vier Juden im Schutz der Herren von Bautz: Hertzle, Isaak, Jeckoff und Moyses Abraham. Sie entrichteten an Schutz­geld und Hauszins insgesamt 28 Gulden. 1738 verbot die Deutschordens-Regierung ihren christlichen wie jüdischen Untertanen jeden Handelsverkehr mit den Bautz'schen Juden, die im Ruf standen, sie trieben Hehlerei mit gestohlenen Sachen, hätten Oedheim zu einem Hehlernest gemacht, brächten fremde Juden, die häufig mit ansteckenden Krankheiten behaftet seien, ins Dorf. Damals hatten die Herren von Bautz bereits zwei Häuser für ihre Schutzjuden erbaut. Sie erwarteten, dass sie durch die Juden ihre bescheidenen Einkünfte aufbessern könnten. Obwohl aber der Schutzjude Jakob Moyses 1738 Eberhard Dietrich von Bautz ein Darlehen vom Deutschorden in Höhe von 1.000 Gulden vermittelte und sich auch andere Juden als Geldgeber der Familie Bautz betätigten, war der wirtschaftliche Niedergang der Familie nicht mehr aufzuhalten; er führte schließlich 1760 zur Einleitung eines Konkursverfahrens und brachte vielen Oedheimer Einwohnern Schaden. Bis 1781 hat die Zahl der Schutzjuden, die auf Bautz'schem Grund und Boden lebten, beträchtlich zugenommen. Gleichzeitig waren aber auch Schutzgeld und Hauszinsen, die die einzelnen Juden an die Herrschaft zu bezahlen hatten, nicht unerheblich angestiegen. 1781 entrichteten Wolf Salm und Jud Moses, von denen jeder ein Haus unter der herrschaftlichen Jurisdiktion besaß, je 15 Gulden, Salomon Hägelin und Josef Hertz, die im Falnhaus wohnten, 15 und 12 Gulden, die im Judenhaus am Tor untergebrachten Wolf Manasses, Nathan Meyer und Moses Raphael je 15 Gulden, Josef Haulens Wittib im Taglöhnerhäusle am Tor 4 Gulden und Isaak Löw 15 Gulden.

Im Dorf Oedheim selbst hat der Deutschorden im 18. Jahrhundert ebenfalls Juden aufgenommen. In dem Schutzbrief, den der Deutschmeister Maximilian Franz im Jahr 1795 für die im Gebiet seines Meistertums ansässigen Juden ausstellte, sind auch die Namen folgender Deutschordens-Juden aus Oedheim erwähnt: Seligmann Levi, Isaac Moyses, Salomon, Wolf Benedikt, David Benedikt, Josef Simons Wittib, Mayers Wittib und Hayums Wittib. 1807 wohnten hier 43 ritterschaftliche Juden (von Bautz) und 41 unmittelbar württembergische, vormals Deutschordens-Juden.

In dem seit 1805 württembergischen Dorf erhöhte sich die Zahl der jüdischen Einwohner in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ging dann aber durch Abwanderungen wieder stetig zurück: 1824 84 Juden, 1831 88, 1843 103, 1854 108, 1869 63, 1886 61, 1900 38, 1910 40, 1933 (Juni) 15. Im Jahr 1864 errichtete die israelitische Gemeinde eine Synagoge, die 1938 nach Auflösung der Gemeinde ge­schlossen und später an Privatleute verkauft wurde.

Im März 1848 kam es hier wie in einigen anderen Orten Südwestdeutschlands zu Ausschreitungen gegen die jüdischen Bürger. Im Ersten Weltkrieg starb Albert Mannheimer den Soldatentod. Die meisten der hier ansässigen Juden betätigten sich im 19. und bis herein ins 20. Jahrhundert als Viehhändler. Das gute Verhältnis zwischen christlichen und jüdischen Bürgern überdauerte sogar die Machtübernahme durch den Nationalsozialismus. Am 10. November 1938 richteten auswärtige SA-Leute durch Sprengungen große Verwüstungen auf dem jüdischen Friedhof an. Sie drangen in das Haus der Familie Mergentheimer ein, das ihnen wohl von einem Oedheimer Nationalsozialisten gezeigt worden war, demolierten Einrichtungs­gegenstände und verprügelten die jüdischen Bewohner. Nachbarn, die für die Juden Partei ergriffen, wurden ebenfalls geschlagen. Von 16 jüdischen Bürgern, die An­fang 1933 hier wohnhaft waren, wanderten 11 rechtzeitig aus, während 5 im Jahr 1942 deportiert wurden. Von den Zwangsverschleppten kehrte keiner zurück. Ihre Namen: Anna Mannheimer, Isaak, Lina, Rosa und Wilhelm Mergentheimer.

 

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Beschreibung des Oberamts Neckarsulm, 1881.
  • Bilder von der Synagoge und vom Friedhof, in: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe, 1932, S. 114.
  • Geschichte der Juden in Oedheim, in: Gemeindezeitung für die israelitischen Gemeinden Württembergs, Jg. 1, Nr. 10, 15. Januar 1925, S. 193.
  • Neher, Alfons, Oedheim einst und jetzt. Chronik der ehemaligen Deutschordensgemeinde Oedheim, Waldsee 1912.

 

Zitierhinweis: Sauer, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1966, Beitrag zu Oedheim, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.11.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Angerbauer, Wolfram/Frank, Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn, Heilbronn 1986, S. 186-194.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Stolpersteine in Oedheim. Dokumentation eines Projektes der Kolpingsfamilie Oedheim, in: Oedheimer Hefte. Beiträge zur Oedheimer und Degmarner Geschichte, hg. von Thomas Seitz, Nr. 13, 2013.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 29-30.
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