Gleichstellung in Württemberg
Die rechtliche Situation der jüdischen Bevölkerung des Königreichs Württembergs 1806-1871
Von Stefan Lang
![Gesetz in Betreff der öffentlichen Verhältnisse der israelitischen Glaubensgenossen 1828 [Quelle: Wikimedia] Gesetz in Betreff der öffentlichen Verhältnisse der israelitischen Glaubensgenossen 1828 [Quelle: Wikimedia]](https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/21/Gesetz_in_Betreff_der_%C3%B6ffentlichen_Verh%C3%A4ltnisse_der_israelitischen_Glaubensgenossen_25_April_1828.jpg)
Gesetz in Betreff der öffentlichen Verhältnisse der israelitischen Glaubensgenossen 1828 [Quelle: Wikimedia]
Rund 65 Jahre dauerte es, bis die „Schutzjuden“, die 1806 zum Großteil aus mediatisierten Gebieten in das neue Königreich Württemberg aufgenommen worden waren, dort den Status vollständig gleichberechtigter Staatsangehöriger erhielten. Nur wenige Juden hatten bislang an den Residenzen in Stuttgart und Ludwigsburg sowie wenigen Orten wie Freudental oder Hochberg innerhalb des württembergischen Territoriums leben dürfen – der Rest des alten Herzogtums war jüdischen Bewohnern seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert versperrt gewesen und dieser Ausschluss bildete rund 300 Jahre lang einen Teil der altwürttembergischen Identität. Doch 1806 hatte sich ihre Zahl durch Gemeinden wie Buchau, Laupheim, Jebenhausen, Oberdorf am Ipf, Braunsbach, Buttenhausen oder Mühringen von 534 auf 5.418 gut verzehnfacht und durch Zuzug stieg die Zahl weiter auf 8.256 jüdische Menschen im Jahr 1817 – wobei die jüdischen Untertanen insgesamt zu keinem Zeitpunkt mehr als etwa 0,7 Prozent der Gesamtbevölkerung Württembergs ausmachen sollten.
Die Regelung der äußeren Lebensbereiche der einst vorrangig nur aus fiskalischen Motiven an wenigen Orten geduldeten religiösen Minderheit basierte über Jahrhunderte auf individuellen oder kollektiven Schutzbriefen, deren Inhalte je nach Territorium variieren konnten. Im ausgehenden 18. Jahrhundert sind allmählich erweiterte Rechte für die Juden aus obrigkeitlicher Initiative zu beobachten, wobei die Inhalte meist konkret mit den Juden ausgehandelt wurden. Erste größere Ansätze im Zeichen der Aufklärung bot bereits 1782 das „Toleranzpatent“ des habsburgischen Kaisers Joseph II., mit dem vorrangig wirtschaftlich motivierten Ziel einer Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation der Juden in den österreichischen Herrschaftsgebieten. Im Zuge der Revolution hatte dann die französische Nationalversammlung 1791 die Gleichberechtigung der Juden Frankreichs verkündet, was unter der Herrschaft Napoleons auch bei zahlreichen seiner deutschen Verbündeten zur Anwendung kam.