Jüdische Religion und Kultur in Württemberg und Hohenzollern (1806-1938)
Von Stefan Lang
![Breisach am Rhein, FR; Blick vom Synagogengäßle (jetzt Klösterle) auf die Mikwe und die Synagoge, Fotografie, um 1935. [Quelle: Hauptstaatsarchiv Stuttgart] Breisach am Rhein, FR; Blick vom Synagogengäßle (jetzt Klösterle) auf die Mikwe und die Synagoge, Fotografie, um 1935. [Quelle: Hauptstaatsarchiv Stuttgart]](https://www2.landesarchiv-bw.de/exporte/leo/archiv_1/bilder/bestand_0000001695/labw-1-695308-1.jpg)
Breisach am Rhein, FR; Blick vom Synagogengäßle (jetzt Klösterle) auf die Mikwe und die Synagoge, Fotografie, um 1935. [Quelle: Hauptstaatsarchiv Stuttgart]
Das jüdische Leben im frühen Königreich Württemberg verteilte sich mit Ausnahme der Residenzorte Stuttgart und Ludwigsburg zunächst auf einige zentrale ländliche Gemeinden, von denen damals Laupheim, Buchau und Jebenhausen die personenstärksten waren. In diesen Dörfern und Kleinstädten fanden sich mit Synagoge, Friedhof und Mikwe sowie jüdischen Rabbinern, Lehrern, Metzgern und Gemeindeangestellten jeweils die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine regelmäßige und vollständige Religionsausübung. Vor 1806 hatte lange Zeit keine feste religiöse Organisation jenseits der territorialen Grenzen existiert, obwohl es teilweise gemeinsame, durch regionale Erinnerungsformen und familiäre Verbindungen geprägte Gebräuche gegeben hatte. Das im 16. Jahrhundert existierende „Landesrabbinat Schwaben“, das sein geistiges Zentrum in der Markgrafschaft Burgau um Günzburg hatte, wirkte im 18. Jahrhundert indirekt im Brauchtum und Ritus des „Minhag Schwaben“ nach, dessen theologische Wurzeln und Memorialinhalte teilweise noch in die spätmittelalterlichen Zentren Schwabens, wie Augsburg oder Ulm, reichten. Doch selbst nach der Gründung des neuen Königreichs 1806 dauerte es ganze 22 Jahre, bis 1828 von Staats wegen ein fester und einheitlicher Rahmen für die jüdische Religionspraxis im Land eingerichtet wurde. Bei den jahrelangen und vieldiskutierten Vorarbeiten zum umfangreichen Emanzipationsgesetz von 1828 bezog man deshalb neben den Referenten aus den beiden christlichen Kirchen auch jüdische Vertreter mit ein.
Neuordnung und Verstaatlichung des jüdischen Religionswesens durch das Emanzipationsgesetz von 1828
Im Zuge des „Gesetz in Betreff der öffentlichen Verhältnisse der israelitischen Glaubensgenossen“ im April 1828 erfolgte in Württemberg die Einteilung in feste Religionsgemeinden. Die Amtssprengel der zuständigen Rabbiner konnte mehrere Gemeinden umfassen. Bis dahin hatte die gut 9.000 Personen zählende jüdische Bevölkerung in 69 Orten eigene Gemeinden gebildet sowie 57 Synagogen und 23 Friedhöfe unterhalten. Als religiöses Personal taten dort 51 Rabbiner, 67 Vorsänger sowie 22 Lehrer ihren Dienst. Sowohl die Rabbiner als auch die Vorsänger der Gemeinden hatten fortan nach einer Übergangszeit staatliche Prüfungen zu absolvieren, die Rabbiner mussten dazu ein abgeschlossenes Theologiestudium vorweisen können. Zur Regelung der religiösen, finanziellen und kirchenrechtlichen Belange einer Gemeinde diente das Amt des Gemeindevorstehers, der jeweils von drei gewählten Beisitzern unterstützt wurde. Die staatliche Oberkirchenbehörde beaufsichtigte die religiöse Praxis in den Gemeinden sowie die karitativen Einrichtungen der jüdischen Bevölkerung und verwaltete die israelitische Zentralkirchenkasse. Mit diesen Reformen erfolgte eine deutliche Vereinheitlichung der bisher durchaus recht unterschiedlichen religiösen Praktiken und Ausbildungsformen in Württemberg. Ab 1832 nahm die „Israelitische Oberkirchenbehörde“ ihren Dienst auf. Sie teilte die damals etwa 10.000 Menschen umfassende jüdische Bevölkerung des Landes in 41 religiöse Gemeinden ein, die wiederum 13 Rabbinaten zugeordnet waren: Berlichingen, Braunsbach, Buttenhausen, Buchau, Freudental, Jebenhausen, Laupheim, Lehrensteinsfeld, Mergentheim, Mühringen, Oberdorf am Ipf, Stuttgart und Weikersheim. Bis 1834 hatten sämtliche im Königreich Württemberg tätigen Rabbiner ihre staatlichen Qualifikationen nachzuweisen und erhielten wie ihre christlichen Kollegen künftig den Beamtenstatus, die Besoldung erfolgte aus der israelitischen Zentralkirchenkasse. Bis 1848 war die israelitische Kirchenbehörde dem Innenministerium untergeordnet, danach dem Ministerium für Kirchen und Schulen. Ferner wurden jüdische Theologiestudenten genauso wie die entsprechenden christlichen Nachwuchstheologen vom Wehrdienst befreit. Die Schulpflicht, die für jüdische Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren bereits 1825 eingeführt worden war, erfuhr eine nochmalige Bestätigung. Außerdem durften die jüdischen Gemeinden eigenständig öffentliche Grundschulen einrichten, die unter staatlicher Aufsicht standen. In Orten ohne jüdische Schulen besuchten christliche und jüdische Kinder den Unterricht gemeinsam.