Religiöser Aufbruch – Die Vita religiosa der Frauen seit dem 13. Jahrhundert

von Jürgen Dendorfer

Marienteppich, aus dem Dominikanerinnenkloster Adelhausen in Freiburg stammend, Bildteppich 1420/30. [Adelhausenstiftung Freiburg i. Br. Foto: Axel Killian]
Marienteppich, aus dem Dominikanerinnenkloster Adelhausen in Freiburg stammend, Bildteppich 1420/30. [Adelhausenstiftung Freiburg i. Br. Foto: Axel Killian]

Schon lange hat die Forschung erkannt, dass das 13. Jahrhundert ein Zeitalter enormer Ausdifferenzierung der weiblichen Vita religiosa war.[1] Bisher konnten wir beobachten, dass es Jahrhundert für Jahrhundert aufs Neue, signifikant seit den Klosterreformen des 11. Jahrhunderts, unterschiedliche Formen religiöser Frauengemeinschaften gab: selten eigenständige Abteien und Stifte, häufiger Konvente als Teil von Doppelklöstern oder Frauenpriorate, die Männerklöstern unterstellt waren; daneben aber auch Inklusen oder Klausnerinnen in Wohnformen an oder in der Nähe von Kirchen und Klöstern. Neu am 13. Jahrhundert ist die Breite des Phänomens und die Tatsache, dass sich Frauen offenkundig unabhängig von männlicher Führung versammelten, um gemeinsam in Gebet, Askese und Arbeit Gott zu dienen. Auch rechtlich bildete sich so als Teil der Bußbewegung der Zeit ein dritter Stand zwischen der Welt der Religiosen und der Laien aus.[2] Trotz aller Kritik an den wirkmächtigen Thesen Herbert Grundmanns, die »religiöse Frauenbewegung« als Teil einer umfassenderen religiösen Bewegung des 13. Jahrhunderts zu verstehen, aus der Orden wie Häresien hervorgingen,[3] bleibt festzuhalten: Ein starker Impuls ging von den Frauen selbst aus, die Gemeinschaften bildeten und zusammen mit weltlichen und geistlichen Autoritäten Regeln für ihr gemeinschaftliches Leben wählten. Dabei konnte die Spannbreite vom Anschluss an einen der großen Orden, an die Zisterzienser oder die jeweiligen Frauenorden der Franziskaner oder Dominikaner, bis zum weitgehend unregulierten Zusammenleben reichen: Frauen, die zwar Keuschheit, freiwillige Armut und Bedürfnislosigkeit gelobten und sich gemeinsamem Gebet und Askese widmeten, aber keine Klausur einhielten, und diese Form des religiösen Lebens auch wieder aufgeben konnten. Dieses in der Forschung unter dem Begriff »Beginen« diskutierte Phänomen war im Untersuchungsraum weit verbreitet, fast ausschließlich aber südlich einer von Offenburg und Oberkirch gebildeten Linie. Geistliche Frauen finden sich am dichtesten in den größeren Städten : in Freiburg, Offenburg, Konstanz, Überlingen und Villingen, aber auch in kleineren wie Endingen, Kenzingen, Oberkirch und Neuenburg und sogar an Pfarrkirchen in Dörfern z. B. in Eichstetten, Ihringen, Riegel oder Rust. Im Bodenseeraum und in Hohenzollern gibt es sie – erstaunlicherweise – auch auf dem Land.[4]

Das im Untersuchungsgebiet in den Quellen nur gelegentlich mit »Beginen« bezeichnete Phänomen ist durch eine bemerkenswerte Vielfalt, Veränderlichkeit und damit einhergehender Instabilität, nicht zuletzt einer Durchlässigkeit zu anderen Lebensformen gekennzeichnet. Obwohl es in den letzten Jahrzehnten intensiv erforscht wurde, entzieht es sich deshalb definitiven kategorialen Einordnungen.[5] Geistliche Frauen konnten als Einzelne, in kleinen Wohngemeinschaften oder in konventsähnlichen Strukturen leben, also in eigenen Häusern mit gestiftetem Besitz oder Zinseinnahmen und der Verpflichtung auf eine »Hausregel« (Regelhäuser).[6] Sie konnten nur für kürzere Zeit bestehen – mitunter sind sie nur einmal belegt – oder über Jahrhunderte. Nicht selten aber lehnten sie sich an einen der Orden an, befolgten etwa die für Laien entworfene Drittordensregel der Franziskaner (seit 1289) oder näherten sich durch die Annahme der Augustinusregel und die geistliche Betreuung durch dominikanische Beichtväter den Dominikanern an. Durch den seit dem Konzil von Vienne (1311) immer wieder aufflammenden Verdacht einer häretischen Lebensform waren »Beginen« Verfolgungen ausgesetzt. Die heftigsten fanden in den oberrheinischen Bischofsstädten Straßburg und Basel statt, in denen Beginensammlungen in erheblichem Umfang nachzuweisen sind: in Straßburg an die 70,[7] in Basel immerhin 22.[8] Nicht sicher einzuschätzende Wirkungen entfaltete dabei die Verfolgung in Straßburg von 1317/18, von denen sich die Beginensammlungen offenbar rasch wieder erholen konnten.[9] Nach dem Basler Beginenstreit 1410 aber wurden die dortigen Häuser aufgelöst und die Frauen aus der Stadt vertrieben.[10] Der im späten Mittelalter immer mögliche Häresieverdacht gegenüber den nicht eindeutig einzuordnenden Frauen erhöhte den Druck auf die Gemeinschaften, die anerkannte Regel eines Ordens anzunehmen. Seit 1405 stand dabei neben der Drittordensregel der Franziskaner auch jene der Dominikaner zur Verfügung. Im Laufe des 15. Jahrhunderts entschied sich der Großteil der noch bestehenden Gemeinschaften für eine dieser Regeln. Das geschah auf Eigeninitiative der Frauen, gefördert durch die Orden, und dabei nicht selten der Reformrichtungen in ihnen, den sogenannten Observanten. In der Diözese Konstanz fand diese Regelübernahme auch durch bischöflichen Reformdruck statt, der sich in einer Synodalgesetzgebung durch und in der Folge des Baser Konzils aufbaute. Die im 15. Jahrhundert rigidere Deutung der Drittordensregeln konnte dazu führen, dass in nach ihnen lebenden Sammlungen die Klausur eingeführt wurde, und sie sich deshalb kaum mehr von anderen Frauenklöstern der Bettelorden unterschieden. Im Untersuchungsraum zeigt sich dieser Prozess der »Verklösterlichung« von Sammlungen und der sich daraus ergebende Schritt des Übergangs zu einem regulären Frauenkloster des Ordens. Ziel der umfassenden und differenzierten Verzeichnung von Schwesterngemeinschaften in diesem Klosterbuch war es, diese Dynamik des Geschehens nachvollziehbar zu machen und nicht durch vorschnelle Einordnungen von Frauengemeinschaften, den Eindruck einer Statik zu erwecken.

Am Beginn nahezu jeder religiösen Frauengemeinschaft des 13. Jahrhundert, mag sie eine noch so feste institutionalisierte Form als Kloster gewonnen haben, stand eine Schwesternsammlung. Das zeigt sich vielleicht am eindrücklichsten bei den Klöstern der Zisterzienserinnen.[11] Sie sind gesichert in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts nachweisbar, parallel zu den ersten Erwähnungen von Schwesternsammlungen. An den Anfängen jeder Kommunität stand eine Gruppe von Frauen, die sich in einem kürzeren oder längeren Prozess an den Zisterzienserorden und seine regionalen Vertreter, die Männerklöster Salem und Tennenbach annäherte. Dabei ging die Initiative nahezu ausnahmslos von Frauen vor Ort und ihren adeligen oder geistlichen Unterstützern, jedoch nicht vom Orden, aus. Er nahm Frauenklöster erst viel später als Männerklöster und eher widerstrebend auf.[12] Nicht alle Gemeinschaften erreichten die volle Inkorporation, zu der ein Aufnahmebeschluss durch das Generalkapitel und eine päpstliche Privilegierung, etwa der Exemtion aus der diözesanen Jurisdiktionsgewalt, gehörte. Vielmehr kann es sich dann, wenn ein Frauenkloster als »zisterziensisch« genannt, auch nur um eine Selbst- oder Fremdbezeichnung der Lebensweise handeln. Durch diesen mitunter langwierigen Prozess der Annäherung an den Orden, dessen Abschluss zudem nicht eindeutig benennbar ist, sind Aussagen der Quellen zu den Anfängen von Zisterzienserinnenklöstern nicht selten vieldeutig. In der lokalgeschichtlichen Literatur kann das dazu führen, dass sie zu früh datiert werden. Das war im Rahmen dieses Klosterbuchs bei Billigheim und Marienau zu beobachten. In Billigheim, dessen Anfänge ins Jahr 1166 gesetzt werden, ist zu diesem Zeitpunkt nur eine Kirche und ein Konvent erwähnt, Beziehung zu Zisterziensern und sogar die förmliche Inkorporation in den Orden sind erst 1238/39 greifbar. Auch in Marienau wurde ohne Quellenbeleg eine Gründung im 12. Jahrhundert angenommen. Tatsächlich aber entstand das Kloster vor den Toren Breisachs nach 1250, die Inkorporation erfolgte erst im Jahr 1265.

Religiöse Gemeinschaften des späten Mittelalters (13.-15. Jahrhundert) Norddteil [Karte: SIMPLYMAPS.de]
Religiöse Gemeinschaften des späten Mittelalters (13.-15. Jahrhundert) Norddteil [Karte: SIMPLYMAPS.de]. Zum Vergrößern bitte klicken.

Auch in diesem Klosterbuch sind somit die ersten Zisterzienserinnen zeitlich parallel zu den Anfängen der religiösen Frauenbewegung fassbar. Das erste Kloster war Wald, wo der staufische Reichsministeriale Burckhard von Weckenstein für und mit seinen beiden Schwestern ein Frauenkloster begann; ein Vorhaben, das der Salemer Abt Eberhard von Rohrdorf (1191–1240) unterstützte. Er vermittelte die Annäherung an den Zisterzienserorden, weshalb dieser lokalen Initiative bereits nach wenigen Jahren die Inkorporation in den Orden (1216/17) gelang. Um die Zisterze Salem, die unter Abt Eberhard Frauenklöstern bemerkenswert positiv gegenüberstand, legte sich bis ins 14. Jahrhundert ein Kranz von acht weiblichen Gemeinschaften.[13] Außer Wald befindet sich keine von ihnen im Raum dieses Klosterbuchs. Alle anderen entstanden aus Schwesternsammlungen, die der Salemer Abt stabilisierte und an den Orden heranführte, in der Regel bis hin zur eindeutig dokumentierten Inkorporation.

Religiöse Gemeinschaften des späten Mittelalters (13.-15. Jahrhundert) Süddteil [Karte: SIMPLYMAPS.de]
Religiöse Gemeinschaften des späten Mittelalters (13.-15. Jahrhundert) Süddteil [Karte: SIMPLYMAPS.de]. Zum Vergrößern bitte klicken.

Das erste Kloster der Zisterzienserinnen am Oberrhein ging auf eine zuerst 1224 erwähnte Initiative von Frauen in Günterstal bei Freiburg zurück. Es siedelte kurzzeitig nach Oberried über, um dann wieder nach Günterstal zurückzukehren. Hier wuchs vor den Toren Freiburgs innerhalb weniger Jahrzehnte eine reiche und bedeutende Abtei heran. Im nördlichen Breisgau zeigt sich 1242 eine Schwesternsammlung im heute abgegangenen Ort Nidingen, die sich zuerst den Dominikanern zuwandte, um schließlich – mit Hilfe der Herren von Üsenberg – in unmittelbarer Nähe zur neu gegründeten Stadt Kenzingen als Kloster der Zisterzienserinnen Wonnental seinen endgültigen Standort zu finden. Und auch die dritte Zisterzienserinnenabtei Lichtenthal (1243) lag in der Nähe zu einer Stadt, zu Baden-Baden. Anders als bei Günterstal und Wonnental wissen wir über die Gründung Lichtenthals etwas mehr. Das Kloster wurde von Irmengard von Baden für das Seelenheil ihres Gatten Markgraf Hermann V. von Baden (1190–1243) errichtet. Wieder stand also eine Frau am Anfang eines Klosters. Aufgrund des fürstlichen Rangs der Stifterin und ihrer Söhne wurde das Kloster rasch ausgestattet und in den Zisterzienserorden inkorporiert; bis ans Ende des 14. Jahrhunderts war es die Grablege der Markgrafen von Baden. Auch das 1265 zuerst genannte Marienau grenzte mit Breisach an eine Stadt an; und wiederum steht mit Anna von Tunsel eine Frau an den Anfängen der Gemeinschaft. Bei allen vier oberrheinischen Klöstern der Zisterzienserinnen zeigen sich also ähnliche Strukturen: Sie lagen in der Nähe zu einer Stadt, gingen aus einer Schwesternsammlung hervor bzw. aus dem Willen einer Frau/Stifterin und näherten sich mehr oder weniger schnell dem Zisterzienserorden an, in dem sie sich einem Männerkloster unterstellten und die Inkorporation erreichten. Bei Lichtenthal war diese Vaterabtei das elsässische Kloster Neuburg (am Heiligen Forst), bei Marienau – wohl aufgrund des Einflusses des Bischofs von Basel – Lützel/Lucelle, und bei Günterstal und Wonnental Tennenbach. Ebenfalls zu Tennenbach dürften zwei Zisterzienserinnenklöster zu rechnen sein, über die nur wenig bekannt ist: Rheintal bei Müllheim (ab 1245) und das nur einmal belegte Neuhausen bei Villingen (1238). Dem Abt von Bronnbach unterstand das nach 1236 von Konrad von Dürn und seiner Frau Mechtild von Lauffen gegründete Kloster Seligental, welches Funktionen eines Hausklosters für die Dürner übernahm. Die Schwestern in Seligental nannten ihre Lebensweise selbst zisterziensisch, förmlich in den Orden inkorporiert wurden sie wohl nie.

Zisterzienserinnenklöster gingen also in der Regel aus Schwesternsammlungen hervor, durch ihre Anbindung an den Orden erlangten sie institutionelle Stabilität und Dauerhaftigkeit. Noch fließender konnten die Übergänge zwischen Schwesternsammlungen und Klöstern in den Gemeinschaften sein, die sich als Dominikanerinnen bezeichneten. Dabei sind Frauenklöster, die in den Dominikanerorden förmlich inkorporiert wurden und damit dem zweiten, dominikanischen Frauenorden angehörten, vergleichsweise selten. Das erklärt sich aus einer grundsätzlichen Zurückhaltung der Dominikaner gegenüber Frauenklöstern. Die anfängliche Betreuung der Frauengemeinschaften in geistlichen (in spiritualibus) wie in weltlichen Angelegenheiten (in temporalibus) führte zur Befürchtung, von den eigentlichen Aufgaben wie Predigt und Studium abgelenkt zu werden. Nach einem 1262 in neuen Konstitutionen gefundenen Kompromiss, sollten die Männer nur noch die Seelsorge für die Frauenklöster übernehmen, die auch rechtlich in den Orden integriert wurden und von seinen Privilegien wie der Exemtion aus der bischöflichen Jurisdiktion profitierten. [14]

In der späteren dominikanischen Provinz Teutonia lagen in den Untergliederungen Alsatia (Baden, Elsass und Nordschweiz) und Suevia (Württemberg, Bayerisch-Schwaben) mehr als die Hälfte aller Klöster des zweiten Ordens, wobei Straßburg mit sechs frühen, schon 1245/1246 inkorporierten Gemeinschaften den Impuls für weitere Aufnahmen gab. Auch das 1234 zuerst erwähnte Kloster Adelhausen in Freiburg fand als erstes Kloster außerhalb von Straßburg 1245 seine Aufnahme in den Orden, ihm folgten noch im Laufe des 13. Jahrhunderts St. Agnes in der Lehener Vorstadt, St. Katharina von Siena in der Wiehre und ebenfalls in der Lehener Vorstadt das auf ein Reuerinnenkloster zurückgehende St. Maria Magdalena. Mit vier inkorporierten Konventen der Dominikanerinnen hatte Freiburg nach Straßburg die meisten in der Provinz Teutonia. Dabei wird in allen Fällen zuerst eine Frauengemeinschaft erwähnt, die mehr oder weniger eindeutig als dominikanisch bezeichnet und dann mit etwas zeitlichem Abstand inkorporiert wurde.

Über Freiburg hinaus sind förmliche Inkorporationen in den zweiten Orden selten. Zu erwähnen ist noch eine um 1250/1257 in Pforzheim genannte Frauengemeinschaft, die wohl zum Reuerinnenkloster und dann 1287 dem Dominikanerorden eingegliedert wurde. Etwas kryptisch ist der Hinweis auf eine 1240 zuerst belegte Schwesternsammlung, die von Haslach im Kinzigtal nach Offenburg verlagert wurde, und deren Inkorporation in den Dominikanerorden durch zwei päpstliche Mandate von 1246 gesichert ist; sie stellen aber zugleich die ersten und letzten Belege für das Kloster dar.

Zwei Dominikanerinnenklöster lagen auf dem Land: Neudingen auf der Baar und Stetten im Gnadental (bei Hechingen), beide dienten als Grablege und Memorialort von Grafenfamilien, der Fürstenberger und der Zollern. In Neudingen ist 1274 ein conventus religiosarum dominarum, somit wohl eine unregulierte Frauengemeinschaft, nachzuweisen. Sie nahm im nächsten Schritt die Augustinusregel an und bekam einen Beichtvater aus dem Dominikanerkloster in Rottweil, bis die Gemeinschaft schließlich 1305/06 förmlich durch den Ordensgeneral der Dominikaner und das Generalkapitel in den Orden inkorporiert wurde. Ebenfalls unter der cura monialium der Rottweiler Dominikaner stand Stetten im Gnadental zu Füßen der Burg Hohenzollern, wo zuerst 1261 eine Frauengemeinschaft mit Augustinusregel unter bischöflicher Jurisdiktion belegt ist, die 1278 in den Dominikanerorden inkorporiert wurde. Nur selten lassen sich diese drei Schritte der sukzessiven Annäherung an den Dominikanerorden so exemplarisch wie in Neudingen und Stetten voneinander abheben. Mit (1.) dem Nachweis einer unregulierten Schwesternsammlung, die (2.) die Augustinusregel befolgte, mit Seelsorge durch die Dominikaner doch rechtlich weiterhin dem Bischof unterstehend, und letztlich (3.) in den Orden inkorporiert wurde.

Die in den Dominikanerorden inkorporierten Gemeinschaften entstanden in der Regel noch im 13. Jahrhunderts, lagen eher im Westen des Untersuchungsraums (oder kamen von dort her wie Wehr/Klingental) und bildeten zum Teil erheblichen Herrschafts- und Besitzkomplexe wie Adelhausen in Freiburg oder die von Hochadeligen gegründeten Klöster Neudingen und Stetten im Gnadental. Diesen Weg bis zur vollständigen Inkorporation gingen allerdings nur acht Frauenklöster. Daneben gab es zwei weitere Möglichkeiten, dass Frauengemeinschaften sich selbst als Dominikanerinnen bezeichneten bzw. als solche bezeichnet wurden. Erstens ein Stehenbleiben auf der zweiten Stufe, die Annahme der Augustinusregel und eine Betreuung durch Dominikaner, gleichwohl aber ein Verharren unter der bischöflichen Jurisdiktion. Zweitens, seit dem Beginn des 15. Jahrhundert die Übernahme der Drittordensregel, wodurch aus Schwesternsammlungen Dominikanerterziarinnen werden konnten.

Auffällig ist, dass Dominikanerinnen, die zwar nach der Augustinusregel lebten, aber unter bischöflicher Jurisdiktion verblieben, vor allem im erweiterten Einflussbereich der Bischofsstadt Konstanz greifbar sind, während es sie am Oberrhein nicht gab. Am bedeutendsten waren darunter die beiden Gemeinschaften in Konstanz selbst: St. Peter an der Fahr und Zoffingen. Beide gingen aus unregulierten Schwesternsammlungen hervor, denen der Bischof von Konstanz in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundert die Augustinusregel verlieh und die von Dominikanern betreut wurden; sie verblieben in diesem Status unter bischöflicher Jurisdiktion, ohne dass Versuche der Inkorporation in den Orden erkennbar wären. Eine vergleichbare Konstruktion gab es für die Vettersammlung in Villingen, die ebenfalls 1270 die Augustinusregel annahm; schon ins 14. Jahrhundert fallen die Gemeinschaften in Engen, Hedingen, Habsthal und Meersburg.

Die Drittenordensregel für Dominikanerinnen ist im ganzen Süden des Untersuchungsraums nachweisbar.[15] Von paradigmatischer Bedeutung ist ihre für den nordalpinen Raum frühe Übernahme durch das Freiburger Regelhaus zum Graben 1419, das aus einer älteren Schwesternsammlung hervorging und nun zu der dem Dritten Orden der Dominikanerinnen angehörenden Gemeinschaft »St. Katharina von Siena« wurde.[16] Weitere Hinweise auf Dominikanerterziarinnen finden sich für Rubacker (1439), die Kürnecker Sammlung in Villingen (1446), die ebenfalls ältere, unter der Augustinusregel lebende Schwesternsammlung in Meersburg (1466) und wohl auch noch im 15. Jahrhundert für Gruol und Rangendingen, schon im 16. Jahrhundert dann für Weildorf und Riegel. Anzumerken ist, dass die Übergänge zwischen verschiedenen Graden der Zuordnung zum Dominikanerorden zwischen Konventen mit Augustinusregel unter bischöflicher Aufsicht und Dominikanerterziarinnen fließend sein können. Die geographische Verteilung der dominikanischen Gemeinschaften entspricht jener der Schwesternsammlungen, die im Untersuchungsraum nahezu alle von der Ortenau aus gegen Süden liegen.

Noch auffälliger als diese Verteilung der Dominikanerinnen ist die Massierung der Gemeinschaften, die sich dem Dritten Orden des Hl. Franziskus anschlossen. Sie lagen südlich einer von Freiburg und Villingen gebildeten Linie. Franziskanerterziarinnen finden sich dabei nicht nur in den Städten Konstanz, Freiburg und Villingen, sondern in noch größerer Anzahl im Hinterland des Bodensees und in Hohenzollern.[17] Der räumliche, durch die Grenzen des Badischen Klosterbuchs gezogene Ausschnitt darf dabei nicht verdecken, dass sie nördlich des Bodensees bis weit nach Oberschwaben verbreitet waren und ein Kennzeichen dieser Klosterlandschaft sind. Die 1289 päpstlich bestätigte Regel des Dritten Ordens des Hl. Franziskus war offensichtlich besonders attraktiv für Beginengemeinschaften bzw. Schwesternsammlungen. Eigentlich für in der Welt verbleibende Laien gedacht, sah sie ein einfaches Gelübde vor, mit dem die Aufnahme in den Orden bestätigt wurde, und gewisse Formen der Askese (Fastengebote), sexuelle Enthaltsamkeit und Gebetsverpflichtungen. Dagegen war die Klausur ursprünglich kein Bestandteil dieser Regel. Durch eine Visitation der Gemeinschaften durch einen Franziskaner oder in Städten die Unterordnung mehrere Konvente unter eine Regelmeisterin, die dem örtlichen Franziskanerkloster zugeordnet war, bot sie die Grundlage für eine Anbindung an den Orden. Notwendig scheint dies vor allem durch die erwähnten Verfolgungen der Beginen am Ober- und Hochrhein, in Straßburg und Basel, gewesen zu sein, die möglicherweise Druck auf die Gemeinschaften in den Städten und ihrem Umland ausübten, sich einem Orden anzunähern. Im ganzen Untersuchungsraum ist dabei die Annahme der Drittenordensregel ein Phänomen des 14. und 15. Jahrhunderts, das sich allerdings nur in wenigen Fällen schon auf die Zeit nach den Beginendekreten des Konzils von Vienne (1311) und den auf dieser Grundlage in der Diözese Straßburg stattfindende Verfolgungen (1317/19) zurückführen lässt. Frühe, noch in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts zurückreichende Erwähnungen solcher Übernahmen der Drittordensregel gibt es kaum. Bemerkenswert ist, dass die Gründung der Gemeinschaft in Wittichen (1325) unter der Franziskusregel als Reaktion auf die Beginendekrete dargestellt wird.[18] Nur ein Jahr später ist die Regel des Dritten Ordens für die ältere Schwesternsammlung »in der Wittengasse« in Konstanz belegt (1326), noch im 14. Jahrhundert für die Gemeinschaften in : Überlingen »an der Wiese« (1338), Villingen »am Bickentor«, Säckingen (1340), Pfullendorf (1350), Inzigkofen (1354), auf der Reichenau (1366) und in Hechingen (1390). Zumeist verhindert es jedoch die Quellenlage, eindeutig zu bestimmen, seit wann eine Gemeinschaft nach der Drittordensregel lebte. Spätere, in der frühneuzeitlichen lokalen Chronistik bzw. der Ordensgeschichtsschreibung vorgenommene anachronistische Einordnungen verunklaren das Bild weiter. Als sicher darf gelten, dass, ergänzend zu den genannten, im 15. Jahrhundert folgende 20 Gemeinschaften nach der Dritten Regel des Hl. Franziskus lebten : Altenburg, Bächen, Bergheim, Buchen, Freiburg »Regelhaus zum Lämmlein«, Gorheim, Grünenberg, Hermannsberg, Konstanz »im Turm«, Laiz, Möggingen, Neuenburg, Radolfzell, Reihen, Sipplingen, Überlingen »im Armenhaus« und »St. Gallus«, Villingen »St. German/Waldhausen«, Waldshut und Weppach. Insgesamt nahmen also 29 Frauengemeinschaften die Dritte Regel des Hl. Franziskus an. Der Großteil von ihnen lag nicht in den großen Städten, sondern auf dem Land, in Kleinstädten oder Dörfern. Die für den Bodenseeraum beobachtete Verlagerung des Beginentums aus den Städten in das Hinterland spiegelt sich hier wieder. Verbunden war sie im Laufe des 15. Jahrhunderts mit stärker werdenden Tendenzen zur Verklösterlichung und einer über die bloße Befolgung der Drittordensregel hinausgehende Anbindung der Frauen an den Franziskanerorden, vor allem bei den ländlichen Gemeinschaften.[19] In seltenen Fällen wie in Wittichen oder bei der Bickentorsammlung in Villingen wurden die Drittordensgemeinschaften später zu Klarissen. Ein solcher Übergang zum regulären Frauenkloster des Ordens war bei den Franziskanerterziarinnen allerdings schwieriger als bei den Dominikanerinnen, wo es die Zwischenstufe einer nach der Augustinusregel lebenden Gemeinschaft, die von dominikanischen Beichtvätern betreut wurde, nicht gab.

Auf den vorhergehenden Seiten wurden die seit dem 13. Jahrhundert beobachtbaren Formen weiblicher Vita religiosa sozusagen von ihrem möglichen Endpunkt, der zunehmenden Integration in institutionelle Strukturen der Orden beschrieben. All diesen Klöstern und Gemeinschaften der Zisterzienserinnen, Dominikanerinnen und Franziskanerinnen ging aber das Phänomen voraus, dass sich Frauen entschlossen, ihr Leben in Gebet, Askese und Arbeit zu verbringen, sich selbst mit einfachen Gelübden zur Keuschheit oder Armut verpflichtend. Sie taten das allein oder in Gemeinschaften, die einen unterschiedlichen Grad von Organisation aufweisen konnten, und bei denen immer der Weg zu fester regulierten Gemeinschaften offenstand, von den großen Abteien der Zisterzienserinnen bis zu kleinen Drittordensgemeinschaften. Mit dieser Art der Darstellung war keineswegs beabsichtigt, die religiösen Frauen nicht um ihrer selbst willen, sondern nur dann, wenn sie es gleichsam zum Kloster gebracht hatten, zu berücksichtigen. Die bessere Quellenlage und Überlieferungsbildung bei regulierten Gemeinschaften legte diesen Weg der Darstellung nahe.

Am Ende ist es aber wichtig, die Perspektive umzukehren. Denn die ersten Frauengemeinschaften, ausgehend von Wald (1212) und Günterstal (1224), entstanden alle in dieser vielbeschriebenen Aufbruchsphase der religiösen Frauenbewegung, die im Untersuchungsraum in aller Deutlichkeit fassbar wird. Am Beginn des Wegs zum Kloster oder zur Drittordensgemeinschaft stand jedoch immer eine Frauengemeinschaft, die ihn, unterstützt von weltlichen und geistlichen Förderern, beschritt. Für die religiösen Frauen aber war der Weg zum Kloster auch nur eine Alternative, die nicht immer gewählt wurde. Dieses Phänomen wurde in anderen Regionen, wie dem Rheinland, unter dem Rubrum »Beginen« diskutiert. Ein Begriff, der für den Untersuchungsraum nicht ganz treffend erscheint, da er als Fremd- und Selbstbezeichnung im Mittelalter hier sehr selten ist (mit bezeichnenden Ausnahmen in der durch Straßburg beeinflussten Ortenau), und mit ihm Vorstellungen von einer bestimmten ökonomisch ausgerichteten, auch baulich konkretisierten Lebensform (Beginenhöfe) assoziiert werden könnten. Sollte damit neutraler, aber nicht wenig anfechtbar eine »semireligiöse« Lebensform bezeichnet werden, das heißt eine am Vorbild von regulierten Gemeinschaften ausgerichtete, aber aus kirchlicher, judikativer Sicht nicht vollgültige Lebensform, könnte der Begriff durchaus Verwendung finden, auch wenn die Diskussion über diesen Zwischenstand, die via media, noch nicht abgeschlossen erscheint. Die Übergänge zu anderen religiösen Lebensformen, zu Schwesternsammlungen und Frauengemeinschaften sind dann aber fließend; und das »Beginentum« ist deshalb sinnvollerweise adäquat nur als Teil des umfassenderen Aufbruchs der Vita religiosa der Frauen zu betrachten, der in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts begann.

Die Quellenlage für dieses in mehrfacher Hinsicht fluide Phänomen ist erwartungsgemäß nicht in jeder Hinsicht gut, aber dennoch soweit möglich im Klosterbuch verzeichnet. Ziel war es dabei jede im Mittelalter belegte Frauengemeinschaft zu erfassen, auch dann, wenn sie nur einmal nachweisbar ist. Das Ortsprinzip des Klosterbuchs hat dabei den Vorzug, dass wirklich jede Erwähnung einer Gemeinschaft an einem Ort erfasst werden musste und nicht nur pauschalisierend auf einige ununterscheidbare Schwesternsammlungen hingewiesen werden konnte. Ein möglicher, aber selten als solcher belegbarer Nachteil war, dass durch die bekannte Mobilität der Frauengemeinschaften, ein und dieselbe Gemeinschaft an verschiedenen Orten erfasst wird. Für die Städte Offenburg und Villingen hat sich durch diese Beschreibung nach Ortsprinzip ein neuer Forschungsstand ergeben.

Aufgrund des Umfangs und der Breite des Phänomens können hier nur einige Beobachtungen statistischer Art sowie Grundlinien der Entwicklung festgehalten werden. Einzelne Sammlungen werden nur exemplarisch genannt, die Aufzählung aller Gemeinschaften würde jeden Umfang sprengen. Für einzelne Konvente sei auf die Karten und die jeweiligen Artikel im Buch verwiesen. Insgesamt sind im Untersuchungsraum deutlich mehr als 100 Schwesternsammlungen nachweisbar (106). Gezählt sind dabei diejenigen, die Zeit ihres Bestehens immer als Gemeinschaften von Schwestern, als Sammlungen, Klausen, Regelhäuser oder »Gottshäuser« (Offenburg) bezeichnet wurden, oder mindestens zehn Jahre unabhängig, ohne Eingliederung in eine Drittordensgemeinschaft existierten. Dabei sind zeitgenössische Bezeichnungen der Frauen als »Beginen« sehr selten, am häufigsten kommen sie noch in der Ortenau vor (in : Offenburg, Gengenbach und Oberkirch), erstaunlicherweise auch in der Diözese Würzburg (in Reicholzheim und Wertheim). In der Regel werden die Frauen aber einfach als »ehrbare schwestern« (erbern swestren), als Schwestern (sorores), als »Frauen« (frowen, mulieres) oder als »Klausnerinnen« (closnerinnen) bezeichnet, die in Klausen, Regelhäusern oder Gottshäusern (Offenburg) lebten.

Die Anfänge etwa eines Viertels dieser Gemeinschaften (23) lassen sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen, beginnend mit den 1230er Jahren in Konstanz, wo die Dichte in der Frühzeit am größten war. Aber auch in Villingen und Überlingen ist eine erstaunliche Anzahl belegt. Seltsamerweise gibt es jedoch in dieser Zeit nur eine Sammlung in Freiburg, nämlich diejenige, die dem Dominikanerinnenkloster St. Agnes vorausging. Die Fehlstelle in Freiburg erklärt sich dadurch, dass hier offensichtlich das Angebot an Frauengemeinschaften im 13. Jahrhundert mit drei inkorporierten Dominikanerinnenklöstern, einem Konvent der Klarissen und Zisterzienserinnen bereits ausreichend war. Bis 1300 sind unregulierte Frauengemeinschaften nahezu ausnahmslos ein städtisches Phänomen, der Anteil der nur ein- oder zweimal belegten und damit nur kurzfristig nachweisbaren Gemeinschaften ist dabei relativ hoch.

Der ganz überwiegende Teil der Sammlungen (mit 67 annähernd zwei Drittel) entstand aber im 14. Jahrhundert: in Städten, in größeren (Freiburg und Konstanz), mittleren (Breisach, Offenburg, Überlingen, Villingen) und kleineren (Endingen, Kenzingen, Neuenburg, Pfullendorf). Bemerkenswerterweise gibt es nun Sammlungen an Pfarrkirchen und Kapellen sogar in Dörfern am Oberrhein (z. B. Eichstetten, Ihringen, Rust); vor allem aber auf dem Land beziehungsweise sozusagen im Wald, im Hinterland des Bodensees und in Hohenzollern. Überschaubar sind dagegen Neugründungen im 15. Jahrhundert (16), die dann, wenn sie von Dauer sein sollten, offenbar eine Drittordensregel annahmen und damit aus dem Beobachtungsraster fallen.

Überhaupt ist bei der Fluidität des Phänomens, den fließenden Übergängen zwischen einfachen, unregulierten Sammlungen und Klausen hin zu Drittordensgemeinschaften oder sogar inkorporierten Klöstern ein Wort zur Stabilität und Dauer der erfassten Sammlungen wichtig. Ein ganzes Drittel (31) der 106 Gemeinschaften ist ein-, allenfalls zweimal in einem engen zeitlichen Rahmen belegt, verschwindet danach spurlos aus den Quellen, wird an einen anderen Ort verlegt oder geht in einer Nachfolgesammlung bzw. einem Kloster auf. Etwa ein weiteres Drittel wählte im 14. oder spätestens im 15. Jahrhundert eine Drittordensregel, vorzugweise der Franziskaner, seltener auch der Dominikaner. Wie tiefgreifend die Auswirkungen der Übernahme der Drittordensregel für die Konvente war, wäre von Fall zu Fall zu erörtern. Auf dem Land scheinen im Laufe des 15. Jahrhundert häufiger Formen der Verklösterlichung bis hin zur Einführung der Klausur zu greifen zu sein; in den Städten dagegen hatten Magistrate offenbar ein Interesse daran, dass der Weg zum Kloster nicht zur Gänze beschritten wurde. Im Klosterbuch werden diese Gemeinschaften, die die Drittordensregel annahmen unter Franziskaner- oder Dominikanerterziarinnen subsumiert, da sich häufig nicht eindeutig bestimmen lässt, wann dieser graduelle Übergang und Anschluss an die Orden stattfand. Zu beachten ist aber, dass sich in dieser Gruppe auch Gemeinschaften finden, die durchaus über mehrere Jahrzehnte oder mehr als hundert Jahre als unabhängige Sammlungen bestanden : wie die Klausen an St. Luzen in Hechingen (1318–1485) und in Hermannsberg (1360–1435), die Schwesternsammlung »in der Wittengasse« in Konstanz (1240–1326), die Sammlungen »St. Gallus« (1370/75–1439) und »an der Wiese« in Überlingen (um 1350–1438)) oder das Regelhaus zum Lämmlein (1348–1485/89) in Freiburg. Alles ansehnliche, gut dotierte und in den Quellen greifbare Sammlungen, die zu Franziskanerterziarinnen wurden.

Besonderes Interesse verdient aber das letzte Drittel der Schwesternsammlungen, die über einen längeren Zeitraum bestehen blieben und offenbar keine Notwendigkeit verspürten, sich einem Dritten Orden anzuschließen. Darunter sind erstaunlicherweise viele Klausen an (Pfarr-)Kirchen, auch in kleineren Städten oder Dörfern, die somit eine bemerkenswerte Stabilität aufwiesen und sich im gesamten Untersuchungsgebiet nachweisen lassen : in der Pfalz bestand die Klause an der Pfarrkirche in Handschuhsheim von 1475 bis 1575, am Oberrhein die Klausen in Eichstetten (1326–1550), in Endingen an der Peters- und Martinskirche (1316–1500/1510), in Freiburg an der Peterskirche (1351–1550) und an St. Einbeth (vor 1305 – ca. 1550), aber auch in Kenzingen (1351–1486), Gengenbach (1302–1449) und in Oberkirch (1316–1492). Selbst in Konstanz bei St. Paul (1440–1509/19) und in Radolfzell bei der Kapelle St. Ursula (1371–1461) siedelten sich Gemeinschaften an; und auch in Hohenzollern gibt es zumindest ein Beispiel: die Sammlung in Haigerloch bei der Kirche St. Ulrich (1363–1561). Die Anbindung an eine Pfarrkirche ermöglichte eine institutionelle Stabilität, die andere Sammlungen nicht hatten. Offenkundig erscheint dabei, dass seit dem 14. Jahrhundert mit »Klause« – wie in anderen Regionen – eine Schwesternsammlung bezeichnet wird. Die Frage, wie viel klassisches Inklusentum sich im Einzelfall dahinter noch verbirgt, bedarf weiterer Forschungen.[20]

Festzuhalten ist ferner, dass sich die ländlichen Beginengemeinschaften im Hinterland des Bodensees und in Hohenzollern in der Regel nicht in dieser Kategorie der über die ganze Laufzeit unabhängig bleibenden Sammlungen finden, sondern alle auf irgendeine Weise den Anschluss an die Franziskaner, nur gelegentlich der Dominikaner suchten.

Der Großteil eigenständiger Sammlungen aber fand sich in den bedeutenderen Städten. Dabei scheinen die Bedingungen für ihren Fortbestand und auch die Binnenorganisation der Sammlungen von Stadt zu Stadt verschieden gewesen zu sein, bis hin zur Terminologie.

So heißen dauerhaft bestehende Sammlungen in Breisach und in Freiburg »Regelhaus«, in Offenburg »Gotzhus«, in Konstanz, wie in Villingen und Überlingen, gab es jedoch keine eindeutige Bezeichnung, sondern Umschreibungen, die die Schwestern in den Mittelpunkt rückten: schwesternhus, conventus sororum oder einfach sorores. Im Sprachgebrauch spiegelt sich die Bedeutung der lokalen Verhältnisse für die Konvente wider, vor allem der Zugriff des jeweiligen Magistrats, dessen rechtlicher Aufsicht die Sammlungen unterstanden. Bemerkenswert ist die Organisation der Offenburger Sammlungen, die ausschließlich dem örtlichen Franziskanerkloster zugeordnet waren und hier einer Regelmeisterin – ohne dass eine Zugehörigkeit der Sammlungen zum Dritten Orden des Hl. Franziskus jemals explizit belegt wäre, auch wenn sie anzunehmen ist. Erstaunlich ist, dass Breisach eine Reihe bedeutender Regelhäuser aufwies, ebenso wie Freiburg und Villingen. Während die eigenständigen Sammlungen in Konstanz in einer gewissen Breite vor allem im 13. Jahrhundert belegt sind und sich dann zum überwiegenden Teil an Orden anschlossen oder aus der Stadt wegzogen, hatte Freiburg ein ganzes Tableau von an die zehn Sammlungen, die im 14. Jahrhundert gegründet wurden und bis ans Ende des 15. Jahrhunderts bestanden. Darunter zum Beispiel Einrichtungen wie das Regelhaus zur Turnerin (1316 – nach 1451) dessen Stiftungsurkunde durch die Witwe des Freiburger Patriziers Rudolf Turner erhalten ist. Sie legte die Verfasstheit der Sammlung fest (12 Schwestern, eine Meisterin und eine Pflegerin), verpflichtete die Schwestern auf das Armutsgebot und schrieb bis in Details Gebetsleistungen zur Memoria für die Turnerin und ihren Ehemann fest; das Leben in der Sammlung sollte durch ein Regelbuch strukturiert werden. Dem Gebet der Schwestern des Regelhauses zur Turnerin vertrauten dann auch andere Personen, die an die Sammlung stifteten.

Die in diesem Fall als Stiftungszweck deutlich greifbare Sorge um die eigene Memoria lässt sich auch bei anderen Sammlungen greifen. Gebete für Andere zu leisten, war eine der wichtigsten Aufgaben der Schwestern. Daneben wird in den Artikeln die Begleitung Sterbender oder Krankenpflege erwähnt.[21] Nur am Rande erscheinen Hinweise auf wirtschaftliche Tätigkeiten, etwa auf Webarbeiten in Sammlungen des Bodenseeraums.

Nach all den Überlegungen zu den Frauengemeinschaften liegt die Frage nahe, ob es vergleichbare Gemeinschaften auch für die Männer gab. Es gab sie, allerdings im Vergleich zu den Frauengemeinschaften in verschwindend geringem Umfang. Die sogenannten Bruderhäuser, die deshalb schwierig zu benennen sind, weil der Unterschied zwischen Eremitagen, dem Wohnort eines einzelnen Bruders, und Sammlungen kaum zu klären ist. Im Bodenseeraum verschwanden derartige Ansiedlungen, nicht genau bestimmbarer Größe, im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts weitgehend und wurden nicht selten durch Frauengemeinschaften ersetzt. Zu notieren bleibt, dass es in Freiburg (ab 1316) und in Konstanz (ab 1377) Häuser der »Willigen Armen« gab, von denen das in Freiburg sich nach 1476 den Franziskanerterziaren anschloss. Ein Kuriosum sind die Sackbrüder in Freiburg (1277–1300), ein eigentlich nach dem Konzil von Lyon (1274) aufgehobener Orden, der dieses Verbot auf Dauer auch nicht überleben sollte, aber zwei Jahrzehnte in Freiburg ein Kloster hatte. Ansonsten werden zwei Bruderhäuser in Breisach erwähnt, je eines in Durbach, Kaltbrunn, Rangendingen und Sipplingen, sowie der anders strukturierte Bruderhof in Säckingen am Spital, der päpstlich privilegiert war und über eine eigene Stiftsordnung verfügte.

Anmerkungen

[1] Grundmann 1935.
[2] Elm 1998; Wehrli-Johns 1996, 2010/11.
[3] Grundmann 1935; dazu: Wehrli-Johns 1998; Böhringer 2022.
[4] Wilts 1994.
[5] Grundmann 1935; Böhringer 2006; 2009; 2022; Hien 2013; Voigt 2012 (a), (b); 2021; Voigt/Schmid/Sorace 2015; Wehrli-Johns 1996; 1998; 2008 (a); 2010/11; 2012; zur regionalen Entwicklung: Degler-Spengler 1969; 1970; Wilts 1994; Sommer-Ramer 1995; Heusinger 2000 (a), (b).
[6] Degler-Spengler 1969, S. 43–45.
[8] Wilts 1995, S. 191.
[9] Patschovsky 1974; Schmitt 2008; Wehrli-Johns 2008 (a); Voigt 2012 (b).
[10] Feller-Fest 1995; Heusinger 2000 (a), (b); Wehrli-Johns 2008 (a).
[11] Kuhn-Refuhs 1980; Degler-Spengler 1982; 1985; Felten 2011, S. 199–274; Rückert 2008.
[12] Felten 2011, S. 199–274.
[13] Rückert 2014.
[14] Zimmer 1999; Frank 2006; Hirbodian 2016.
[15] Wehrli-Johns 2001; Kammerer 2024.
[16] Kammerer 2024, S. 35–40.
[17] Wilts 1994.
[18] Just 2000, S. 264 f.
[19] Wilts 1994, S. 258–268; 1995.
[20] Doerr 1934; Hien 2013, S. 57–67, 209–216; Müntz/Signori 2013, S. 9–25; Signori 2016.
[21] Böhringer 2010.

Die vollständigen Literaturangaben sowie die Auflösung der Abkürzungen finden Sie hier.

Zitierhinweis: Jürgen Dendorfer, Religiöser Aufbruch – Die Vita religiosa der Frauen seit dem 13. Jahrhundert, URL: […], Stand: 10.06.2025.

Suche

Logo KgL