Die Entwicklung der Klosterbibliotheken: Buchbestände und Skriptorien
von Armin Schlechter
Die einzige große, im Kern noch erhaltene karolingische Bibliothek im heutigen Baden ist die Büchersammlung des Klosters auf der Reichenau, das 724 durch Pirmin gegründet wurde. Der mit den frühen Äbten und dem 847 verstorbenen Bibliothekar Reginbert verbundene Bibliotheksaufbau im eigenen Skriptorium endete allerdings schon im ausgehenden 9. Jahrhundert, und in der Zeit vom 10. bis zum 13. Jahrhundert entstanden nur noch wenige Codices.[1] Nur einzelne Handschriften weniger anderer Klöster reichen in die Zeit vom 9. bis zum 12. Jahrhundert zurück. Dazu gehört beispielsweise das heute in der British Library London unter der Signatur Cod. Add. 47673 bewahrte Evangeliar, das der Schreiber Liutharius in der Amtszeit des Schutterner Abtes Beretrich (816–825) angefertigt hat.[2] Der Bibliothek des 983 gegründeten Benediktinerklosters Petershausen lassen sich etliche, bis ins 11. Jahrhundert reichende Handschriften mit den Moralia in Iob Gregors des Großen (590–604) zuweisen, die auf ein klostereigenes Skriptorium schließen lassen.[3] Bis zur Aufhebung des Klosters blieb das um 980 auf der Reichenau entstandene Petershausener Sakramentar (UB Heidelberg, Cod. Sal. IXb) Teil der Klosterbibliothek. Es gehört zu der auf dem Inselkloster in der ottonischen Zeit als Auftragsarbeiten hergestellten Gruppe von Prachthandschriften.[4] Als frühe klosterhistoriographische Leistung sind die Casus monasterii Petridomus (UB Heidelberg, Cod. Sal. IX 42a) hervorzuheben, die in der Amtszeit des Petershausener Abtes Konrad (1127–1164) verfasst wurden.[5] Leistungsfähige Skriptorien bestanden im 11. und 12. Jahrhundert in den Benediktinerabteien St. Blasien und Gengenbach. Einziges erhaltenes Zeugnis aus letzterem Konvent ist das heute in der Universitätsbibliothek Würzburg bewahrte Kalendarium Gengenbacense mit Chronicon cum annalibus Gengenbacensibus von Bernold von Konstanz.[6] Ob ein im 18. Jahrhundert noch im Benediktinerkloster Ettenheimmünster befindliches und heute verschollenes Evangeliar des 11. Jahrhunderts im Konvent selbst entstanden ist, muss offen bleiben.[7]
Eine Generation nach der Gründung 1134 lässt sich unter den Salemer Äbten Erimbertus (1168–1175) und Eberhard von Rohrdorf (1191–1240) ein qualifiziertes Skriptorium nachweisen. Unter Abt Ulrich von Seelfingen (1282–1311) entstanden Handschriften unter anderem mit den Werken von Augustinus und glossierte Bibeln.[8] Im erstmals 1245 fassbaren Zisterzienserinnenkloster Wonnental existierte in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ein Skriptorium, das möglicherweise ein Graduale cisterciense (BLB Cod. Wonnenthal 1) hergestellt hat.[9] Nach einem Niedergang ab dem späten 12. Jahrhundert bildete sich im 14. und 15. Jahrhundert im Benediktinerkloster St. Blasien wiederum ein Skriptorium, aus dem etwa 15 heute noch greifbare Handschriften stammen.[10]
Verschiedene Faktoren führten dazu, dass sich die Bestände von Klosterbibliotheken im Lauf der Jahrhunderte verminderten, auf der anderen Seite durch reformfreudige, regeltreue, aber auch bibliophile Konvente und Äbte wieder vermehrten. Zu den Untergangsgründen gehören in diesem fast zyklischen Verlauf die häufigen Klosterbrände. So fiel im Jahr 1159 das Benediktinerkloster Petershausen einem Brand zum Opfer. Handschriften blieben zum Teil erhalten, mussten in der Folge aber aus wirtschaftlicher Not von Abt Konrad (1127–1164) verkauft werden.[11] Mit allein drei Bränden in den Jahren 1322, 1526 und 1768 war das Benediktinerkloster St. Blasien in besonderer Weise betroffen. Bei der zeitlich letzten Feuersbrunst ging eine Sammlung von etwa 25.000 Bänden unter, lediglich die mittelalterlichen Handschriften sowie einige Inkunabeln konnten gerettet werden.[12] In ähnlicher Weise wurde die Bibliothek des Benediktinerklosters St. Peter in zwei Katastrophen dieser Art 1644 und 1678 komplett vernichtet.[13] Hinzu kam als weiterer Faktor Misswirtschaft im Kloster selbst. So verkauften im 15. Jahrhundert zwei Äbte des Benediktinerklosters Petershausen unter anderem Reliquien und sicher auch Handschriften.[14] Im Zusammenhang mit dem Konstanzer Konzil sollen, so die allerdings spätere Überlieferung, Handschriften aus der Bibliothek des Benediktinerklosters Reichenau entfremdet worden sein.[15]
Überfälle und Plünderungen im Zusammenhang mit dem Bauernkrieg, die sich zwar in erster Linie gegen die Archive richteten, zogen meist auch die Bibliotheken in Mitleidenschaft. So wurde das Benediktinerkloster Ettenheimmünster von den Aufständischen verwüstet.[16] Betroffen waren auch das Benediktinerkloster St. Blasien, wo die kurze Zeit zuvor im Kreuzgang neu aufgestellte Bibliothek weitgehend unterging, und das Benediktinerkloster Schwarzach, wo plündernde Bauern die Bibliothek im April 1525 zerstört haben sollen.[17] In den klosterhistoriographischen Schriften des Benediktinerklosters Schuttern aus dem 16. Jahrhundert werden mehrere Handschriften beschrieben, die dem Bauernkrieg zum Opfer gefallen sein sollen.[18] Das Benediktinerkloster Gottesaue bei Durlach konnte sich von den Verwüstungen des Bauernkriegs nicht mehr erholen. Mit dem Tod des letzten Mönches 1556 erlosch der Konvent, und es haben sich nur geringe Anteile der Klosterbibliothek erhalten.[19]
Einen überaus großen Einschnitt stellte die Reformation dar, durch den ein ganz erheblicher Teil der Klosterbibliotheken untergegangen ist. In der Kurpfalz kam es in der Regierungszeit von Kurfürst Friedrich II. (1544–1556) zur Aufhebung von zwölf Klöstern; aus ihren Bibliotheken haben sich so gut wie keine Bücher erhalten. Unter Kurfürst Friedrich III. (1559–1576) verschwanden etwa 40 Klöster und Stifte und damit fast die gesamte monastische Landschaft der Kurpfalz. Für dieses Territorium sind auch aktive Büchervernichtungen vor allem von Liturgica bezeugt.[20] Den aufgehobenen Heidelberger Klöstern der Dominikaner und Franziskaner und dem Michaelskloster auf dem Heiligenberg lassen sich heute sicher oder wahrscheinlich lediglich noch zusammen etwa ein halbes Dutzend mittelalterliche Handschriften zuweisen, heute teilweise in der Biblioteca Apostolica Vaticana in Rom.[21]
In der Markgrafschaft Baden spielte die ab den 1520er Jahren einsetzende vorreformatorische Phase eine große Rolle. Während sich die Linie Baden-Baden Ende des 16. Jahrhunderts dauerhaft zum Katholizismus bekannte, schloss sich Markgraf Karl II. (1553–1577) 1556 offiziell der Reformation mit entsprechenden Folgen für die Klöster und ihre Bibliotheken an. Von den schon im Zuge der Reformation aufgehobenen Klöstern haben sich nur sehr geringe Bibliotheksanteile erhalten.
Für das Benediktinerkloster Petershausen – wie auch für die Konvente der Bettelorden in der Reichsstadt – brachte der Übertritt der Stadt Konstanz zur Reformation einen großen Einschnitt mit sich. Die Stadt versuchte in mehreren Anläufen, die Oberhoheit an sich zu ziehen. In diesem Zusammenhang wurden die Mönche 1530 vertrieben. Nach der Plünderung des Klosters durch spanische Truppen 1548 wurde der Konvent erst wieder 1556 an den Orden zurückgegeben.[22] Auch der zeitweise Übergang des Benediktinerklosters Schuttern im Dreißigjährigen Krieg an Baden, das den Konvent vertrieb, gefährdete die Bibliothek erheblich.[23]
Trotz der Verluste im Bauernkrieg steigt die Zahl der Quellen zu vielen Klosterbibliotheken, die nicht im Zuge der Reformation untergegangen sind, im 15. und 16. Jahrhundert deutlich an. So entwickelte sich im Zisterzienserinnenkloster Lichtenthal ab etwa 1430 im Zusammenhang mit reformerischen Bestrebungen ein Skriptorium, in dem unter anderem die 1478 gestorbene Schreibmeisterin Regula sowie weitere Nonnen arbeiteten. Regula schrieb etwa ein Dutzend Handschriften ganz oder teilweise und fertigte Übersetzungen aus dem Lateinischen an. Inhaltlich handelte es sich um hagiographische und biblische Texte für die Tischlesung, aber auch um aszetisch-erbauliche Literatur für die private Lektüre. Wichtig für die Lichtenthaler Bibliothek wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die enge Bindung an das Zisterzienserkloster Herrenalb, auf das schließlich auch die Paternität überging. So gehen etwa ein halbes Dutzend Lichtenthaler Codices auf den dortigen Mönch Johannes Zürn zurück, und in Herrenalb wurden auch Einbände für das Nonnenkloster hergestellt.[24] In anderen Klöstern lassen sich zumindest einzelne Bücher fassen, die in dieser Zeit entstanden und bis zur Aufhebung in ihrem Besitz geblieben sind. Dazu gehört BLB Karlsruhe Cod. Thennenbach 9, eine um 1450 im Kloster begonnene Sammlung von Privilegien und Altarweiheurkunden.[25] Wenig später wurde im Benediktinerkloster Schuttern das Missale benedictinum BLB Karlsruhe, Cod. Schuttern 3 hergestellt.[26] In der Amtszeit von Abt Laurentius Effinger (1500–1544) schrieb Paulus Wagner, Mönch des Benediktinerklosters Ettenheimmünster, die zwei benediktinischen Psalterien BLB Karlsruhe Cod. Ettenheimmünster 2 und 3.[27]
Der sich ab der Mitte des 15. Jahrhunderts entwickelnde Buchdruck fand früh seinen Niederschlag in Klosterbibliotheken, beispielsweise in den Benediktinerklöstern Petershausen und Schuttern. Aus Petershausen stammt ein geschlossener Bestand von über 30 Inkunabeln, die in der Amtszeit von Abt Johann VII. Merk, der nach dem Bankrott des Klosters 1495 als Verwalter und von 1518 bis 1524 als Abt wirkte, angeschafft wurden. Es handelt sich um theologische und juristische Inkunabeln, die am auf 1521 datierten, eingemalten Klosterwappen kenntlich sind.[28] Ähnlich lässt sich im Falle von Schuttern der Kauf von gut 45 Inkunabelbänden mit Abt Johann Widel (1491–1518) in Verbindung setzen. Hier war der Erwerbungsschwerpunkt die Theologie. In Widels Amtszeit bestand im Kloster eine eigene Einbandwerkstatt. Die vielen neu erworbenen Drucke erhielten die üblichen soliden Holzdeckeleinbände der Zeit. Das hierfür für Spiegel und Falzverstärkungen benötigte Pergament stammte aus Handschriften der eigenen Bibliothek, die zu diesem Zweck makuliert wurden.[29]
Ab dem 16. Jahrhundert ist die Übernahme von Privatbibliotheken in klösterliche Büchersammlungen häufiger belegt. Dabei handelte es sich teils um Personen aus dem geistlichen Stand, teils aber auch um Gelehrtenbibliotheken ohne direkten Bezug zum jeweiligen Kloster. So ging in der Lichtenthaler Bibliothek die Büchersammlung des nach 1538 verstorbenen Herrenalber Mönchs Sebastian Lanius auf, der hier als Beichtvater gearbeitet hatte.[30] Vor der Mitte des 16. Jahrhunderts fiel die große Bibliothek des Konstanzer Juristen Sebastian Bider an das Benediktinerkloster Petershausen.[31] Wie die Untersuchung der bedeutenden Inkunabelsammlung des Zisterzienserklosters Salem zeigte, dienten Klosterbibliotheken in erster Linie als Sammelbecken für Buchbestände der Mönche des eigenen Konvents sowie der Kleriker der Region. Geringer ist der Anteil weltlicher Privatbibliotheken, die auf Adelige und Gelehrte aus dem Bürgertum zurückgehen.[32] Durch diese Übernahmen wurden die Klosterbibliotheken einerseits heterogener, andererseits integrierten sie personen- und landesgeschichtlich wichtiges Quellenmaterial. Wie groß Mönchsbibliotheken der Zeit sein konnten, zeigt das Beispiel von Simon Firnkorn, Prior des Benediktinerklosters Schwarzach. Nachdem er im Zusammenhang mit dem badischen Versuch, die Oberhoheit über Schwarzach an sich zu reißen, das Kloster 1578 fluchtartig verlassen musste, wurden in seiner Zelle 108 Bücher inventarisiert.[33]
Fortbestehende Klosterbibliotheken konnten noch bis zum Ende des 16. Jahrhunderts als Sammelbecken für im Zuge der Reformation aufgelöste Institutionen dieser Art dienen. So gelangten in die Büchersammlung des Zisterzienserinnenklosters Lichtenthal Bände aus dem 1598 von Markgraf Ernst Friedrich (1584–1604) für kurze Zeit aufgehobenen Benediktinerinnenkloster Frauenalb, aber auch aus dem 1562 aufgelösten Augustinerchorherrenstift St. Maria Magdalena in Frankenthal.[34] Das im Jahr 1082 gegründete Hirsauer Priorat (Kloster-)Reichenbach im Murgtal wurde 1595 von Herzog Friedrich von Württemberg besetzt und 1603 der Reformation angeschlossen. Der Prior Johannes Hügel (1581–1595) flüchtete Archivalien, Bücher und Kleinodien unter anderem in das Benediktinerkloster Gengenbach. Hier wurden die einzelnen Bände 1601 mit einem Kaufvermerk versehen.[35] Spät wurde auch das Prämonstratenserstift Allerheiligen von der Reformation in Mitleidenschaft gezogen. Im Zuge des Straßburger Bischofskriegs fiel es 1593 an den lutherischen Markgrafen Johann Georg von Brandenburg (1592–1604) und wurde erst im Jahr 1600 an den Orden zurückgegeben. Zeichen für den Wiederanfang sind auf 1600 und 1601 datierte handschriftliche Besitzvermerke in den noch vorhandenen Büchern der Stiftsbibliothek.[36]
Schon früh lassen sich Verkäufe von Büchern von einem Kloster an das andere nachweisen, bei denen auch bibliophile Motive eine Rolle spielten. So erwarb das Benediktinerkloster St. Peter 1562 63 Bücher aus der Kartause in Freiburg.[37] Bibliophile Aspekte lässt auch die Nutzung von persönlichen Wappensupralibros auf Einbänden durch einzelne Äbte erkennen. Ein frühes Beispiel dieser Tradition bietet der als Buchfreund bekannte Salemer Abt Petrus Miller (1593–1614).[38] Andererseits wurden noch bis ins 17. Jahrhundert hinein liturgische Handschriften hergestellt. So fertigte der Tennenbacher Bursarius und Wonnentaler Beichtvater Michael Riegger 1611 für die Günterstaler Äbtissin Anna von Hagenbach (1596–1616) sowie 1607 für eine Wonnentaler Nonne jeweils ein Processionale cisterciense an.[39]
Wenige Jahre vor dem Beginn des Dreißigjährigen Kriegs entstanden einzelne Klosterdruckereien. Der Erstdruck der Salemer Druckerei erschien im Jahr 1611.[40] Die 1617 begründete Druckerei im Benediktinerkloster Ettenheimmünster fiel dagegen nach kurzer Zeit dem Dreißigjährigen Krieg zum Opfer.[41] Bis zur Aufhebung bestand im Benediktinerkloster St. Blasien eine eigene Druckerei. Die hier hergestellten Schriften kamen auch der Klosterbibliothek zugute, da sie als Tauschobjekte für entsprechende Produkte anderer Klöster und weltlicher Institutionen eingesetzt wurden.[42]
1630 verkaufte das Konstanzer Domkapitel seine aus 331 Handschriften und 577 Drucken bestehende Bibliothek an das Benediktinerkloster Weingarten. Trotz einiger Verluste im weiteren 17. Jahrhundert hat sich ein großer Teil erhalten und wird heute in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart aufbewahrt.[43]
Die Kriege des 17. Jahrhunderts zogen erneut viele Klosterbibliotheken in Mitleidenschaft. So berichtete Placidus Rauber (1649–1660), Abt des Benediktinerklosters Schwarzach, im Jahr 1650, als Folge der Ereignisse des Dreißigjährigen Kriegs seien die bibliothek und documenta ganz verloren.[44] Das Zisterzienserinnenkloster Lichtenthal musste 1643/44 Plünderungen über sich ergehen lassen.[45] Noch schwerer traf es das Benediktinerkloster St. Trudpert, wo Kloster und Bibliothek 1632 durch schwedische Truppen komplett niedergebrannt wurden.[46] Im Zuge des Pfälzischen Erbfolgekriegs ging als Teil der Stadt Offenburg 1689 auch das dortige Franziskanerkloster unter, und im gleichen Jahr setzten französische Truppen das Benediktinerkloster Gengenbach in Brand; hier konnte die Bibliothek immerhin zuvor geflüchtet werden.[47] Ein Beispiel für die kriegerischen Auseinandersetzungen am Oberrhein im 18. Jahrhundert wäre der Spanische Erbfolgekrieg, der so große Auswirkungen auf die Büchersammlung des Benediktinerklosters Ettenheimmünster gehabt hatte, dass es vom Benediktinerkloster Gengenbach durch erhebliche Bücherabgaben unterstützt werden musste.[48]
Im 17. Jahrhundert setzten in vielen Konventen Arbeiten zur Geschichte des eigenen Konvents ein. So schrieben beispielsweise im Prämonstratenserstift Allerheiligen der Prior Gregor Hempfer (†1648) und der Mönch Gottfried Kistner (†1695) Klosterchroniken.[49] Weitere Beispiele für Arbeiten dieser Art, die heute überwiegend im Generallandesarchiv in Karlsruhe aufbewahrt werden, sind etwa zehn neuzeitliche Handschriften aus dem Benediktinerkloster →Schuttern. Sie überliefern neben späten Abschriften der auf den Klosterbibliothekar Paul Volz zurückgehenden historischen Arbeiten des 16. Jahrhunderts Kollektaneen zur Klostergeschichte sowie als weitere Quellen die Diarien des Abtes Jakob Vogler (1688–1708) und des Mönchs Benedikt Seger.[50]
In Abhängigkeit von ihren früheren Schicksalen differenzierten sich die Klöster und ihre Bibliotheken im 18. Jahrhundert weiter aus. Insbesondere die Einrichtungen, die sich zu wissenschaftlichen Zentren entwickelten, vermehrten ihre Bibliotheksbestände in Abhängigkeit von ihren fachlichen Schwerpunkten ganz erheblich. In der Amtszeit des aus St. Gallen kommenden Ettenheimmünsterer Abtes Franziskus Hertenstein (1653–1686) nahm die Zahl studierender Mönche zu. Als einer der klösterlichen Schwerpunkte kristallisierte sich hier die Musikpflege heraus, weshalb die Bibliothek viele handschriftliche geistliche und weltliche, in lateinischer und deutscher Sprache abgefasste Theaterstücke und Singspiele überliefert.[51] Im Zisterzienserkloster Salem spielte die Amtszeit des bibliophilen Abtes Anselm II. Schwab (1746–1778) eine große Rolle. Die Klosterbibliothek öffnete sich in dieser Zeit für Publikationen der Aufklärung und erwarb die unter anderem von Denis Diderot herausgegebene französische ›Encyclopédie‹.[52] Gerade im Sinne der Aufklärung realisierten einzelne Mönche Ende des 18. Jahrhunderts aber selbst, dass ein Teil ihrer Klosterbibliotheken längst überholt war.[53]
Bemerkenswert ist die Entwicklung der Bibliotheken in den Benediktinerklöstern St. Blasien und St. Peter. Beide Einrichtungen verloren 1768 beziehungsweise 1644 und 1678 die gesamte oder fast die gesamte Bibliothek, verfügten bei ihrer Auflösung aber als Folge reger wissenschaftlicher Tätigkeit wieder über sehr große, vergleichsweise homogene Sammlungen. Als Förderer von Studien und Bibliothek sind hier zu nennen Martin Gerbert, von 1764 bis 1793 Abt von St. Blasien, und Philipp Jakob Steyrer, von 1749 bis 1795 Abt von St. Peter. Insbesondere während ihrer Abbatiate spezialisierte sich St. Blasien auf das Fach Geschichte, während in St. Peter die Fächer Theologie und Naturwissenschaften dominierten.[54] Abt Steyrer war an Handschriften und frühen Drucken sehr interessiert und kaufte 1753 vom Zisterzienserinnenkloster Günterstal Papiercodices und Inkunabeln.[55] Die Nachfolger von Martin Gerbert erwarben im Versuch, klösterliche Bibliotheksbestände zu retten, in den Jahren bis unmittelbar vor der Auflösung des eigenen Konvents Handschriften und Drucke aus den Benediktinerklöstern Ettenheimmünster und Weingarten sowie aus den Klöstern der Dominikaner und Kapuziner in Rottweil.[56]
Vor allem die großen Klöster schufen im 18. Jahrhundert mit ambitionierten Bibliothekskatalogen Systematiken des Wissens.[57] Um 1740 erarbeitete der Salemer Mönch Humbertus Pfaundler einen zweibändigen Katalog, der 30.000 Bände erfasst haben soll. Vor der Aufhebung des Klosters Salem schuf der Mönch Matthias Schiltegger (1761–1829) einen Katalog der Drucke in 15 Bänden, der, obwohl unvollendet, etwa 23.000 Titel auflistet, sowie einen dreibändigen Handschriftenkatalog mit 463 Titeln.[58] Auch in St. Blasien entstand nach 1750 ein sechsbändiger alphabetischer Katalog; die hier verzeichneten 20.000 Titel gingen 1768 unter.[59] Bei der Säkularisation hatte die Bibliothek schon wieder einen Umfang von 18.657 Bänden, obwohl die Mönche zuvor schon viele Handschriften und etliche Drucke geflüchtet hatten, die sich heute im Benediktinerkloster St. Paul im Lavanttal befinden.[60] Im Gegensatz hierzu verfügten die immerhin auch schon in der Karolingerzeit gegründeten Benediktinerklöster Schuttern und Schwarzach bei ihrer Auflösung über keine Bibliothekskataloge. In der Folge wurde in Schwarzach von zwei Mönchen als Grundlage der Verwertung ein Verzeichnis der Klosterbibliothek erstellt. Aus ihm geht hervor, dass sie etwa 6.000 Titel umfasste; das Vorwort des Verzeichnisses überliefert die Aussage, dass in den letzten 20 Jahren kaum mehr Bücher angeschafft worden wären.[61]
Anmerkungen
[1] Mittelalterliche Bibliothekskataloge Bd. 1, S. 222–226.
[2] Schlechter/Stamm 2000, S. 99.
[3] Werner 2000, S. LVIII.
[4] Cimelia Heidelbergensia 1975, Nr. 1 S. 10–13.
[5] GermBen V, S. 487; Werner 2000, S. 258.
[6] Stamm 1983, S. 172–174; Schlechter/Stamm 2000, S. 54.
[7] GermBen V, S. 219.
[8] Schlechter 2003, S. 8, 21.
[9] Schlechter/Stamm 2000, S. 342–344.
[10] Stamm 1983, S. 174.
[11] Mittelalterliche Bibliothekskataloge Bd. 1, S. 216.
[12] Stamm 1983, S. 171, 187.
[13] Karasch 2012, S. 113.
[14] GermBen V, S. 489; Werner 2000, S. LXII.
[15] Mittelalterliche Bibliothekskataloge Bd. 1, S. 227.
[16] GermBen V, S. 216.
[17] Stamm 1983, S. 171; GermBen V, S. 577.
[18] Schlechter/Stamm 2000, S. 101 f.
[19] Kohnle 2009, S. 61.
[20] Schlechter 2021, S. 89 f.
[21] Krämer 1989, S. 325 f.
[22] GermBen V, S. 490.
[23] GermBen V, S. 565.
[24] Heinzer/Stamm 1987, S. 36–44.
[25] Schlechter/Stamm 2000, S. 333–339.
[26] Schlechter/Stamm 2000, S. 260–263.
[27] Preisendanz 1973, S. 7 f.
[28] Schlechter/Ries 2009, S. 20–23.
[29] Schlechter/Ries 2009, S. 62 f.
[30] Heinzer/Stamm 1987, S. 44.
[31] Schlechter/Ries 2009, S. 27–29.
[32] Schlechter/Ries 2009, S. 42–54.
[33] Schlechter/Stamm 2000, S. 111.
[34] Heinzer/Stamm 1987, S. 44.
[35] Schlechter/Stamm 2000, S. 56.
[36] Schlechter/Stamm 2000, S. 45–47.
[37] Sack 1985, S. XXXII f., LII.
[38] Schlechter 2003, S. 11 f., Farbtafel 25.
[39] Schlechter/Stamm 2000, S. 344 (BLB Cod. Wonnenthal 2); Gottwald 1979, S. 4 (Cod. 37).
[40] Schlechter 2003, S. 13, 15.
[41] Schadek 1978, S. 177.
[42] Stamm 1983, S. 188.
[43] Germ Ben V, S. 634 f.
[44] Schlechter/Stamm 2000, S. 112.
[45] Schindele 1985, S. 134 f.
[46] Sack 1985, S. L.
[47] Sack 1985, S. 49 f.; Schlechter/Stamm 2000, S. 82.
[48] Schlechter/Stamm 2000, S. 62.
[49] Schlechter/Stamm 2000, S. 47 f.
[50] Schlechter/Stamm 2000, S. 107.
[51] Schadek 1978, S. 178–191.
[52] Schlechter 2003, S. 14–16, S. 54 f.
[53] Fischer 2003, S. 1269.
[54] Stamm 1983, S. 184–186; Fischer 2003, S. 1265 f.
[55] Heinzer/Stamm 1984, S. XXII Anm. 6.
[56] Sack 1985, S. LXIII f.; Stamm 1983, S. 184.
[57] Fischer 2003, S. 1266–1269.
[58] Schlechter 2003, S. 13, 16 f.; Steiger 2012, S. XVI–XVIII.
[59] Stamm 1983, S. 179.
[60] Stamm 1983, S. 190–193.
[61] Schlechter/Stamm 2000, S. 105, 114 f.
Die vollständigen Literaturangaben sowie die Auflösung der Abkürzungen finden Sie hier.
Zitierhinweis: Armin Schlechter, Die Entwicklung der Klosterbibliotheken: Buchbestände und Skriptorien, in: Badisches Klosterbuch, URL: […], Stand: 11.06.2025.

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