Von Matthias Miller
Eine allgemein gültige Definition dieses mit vielen Namen bedachten Quellentyps – neben Lehensbuch begegnet auch Lehensbrief- oder Lehensaktregister, Mannbuch, Lehenskopial oder Lehensverzeichnis – ist kaum zu erstellen. Lehensbücher sind im Allgemeinen in Buchform angelegte Verzeichnisse erfolgter Belehnungen, die in der Regel nach Lehensmännern geordnet sind. Es begegnen jedoch auch Lehensbücher, die eine topographische Ordnung aufweisen, oder die wegen der sukzessiven Niederschrift der Einträge grob chronologisch geordnet sind. Lehensbücher werden dann als solche bezeichnet, wenn die Einträge dem Muster [Lehensmann] hat zu Lehen [Lehensobjekt] folgen, also einen Zustand ausdrücken, während in Lehensregistern die Formel [Lehensmann] hat empfangen zu Lehen [Lehensobjekt] üblich ist, die folglich eine Handlung beschreibt. Zu unterscheiden ist bei den Lehensregistern weiter zwischen Lehensaktregistern, die nur Einträge über den Belehnungsakt enthalten, und Lehensbriefregistern, die den Urkundentext der Lehensbriefe – zumindest auszugsweise – wiedergeben. Das bezeichnendste Unterscheidungsmerkmal zwischen Lehensbuch und Lehensregister ist jedoch, dass im Buch Datierungen der Einträge fehlen, während sie im Register vorhanden sind. Zwischen beiden Formen treten jedoch auch Mischtypen auf. Lehensbücher sind fast immer auf einen bestimmten Lehensherrn bezogen, der die unter seiner Regierung erfolgten Belehnungen in einem Codex niederschreiben lässt. Da Lehensbücher nicht selten der herrscherlichen Repräsentation von Stärke und Macht dienten und entsprechend wertvoll ausgestattet wurden, sind Fortschreibungen von Lehensbüchern der Rechtsvorgänger durch ihre Nachfolger selten.
Erste Zeugnisse von Lehensbüchern sind aus der Karolingerzeit überliefert (Capitulare de iustitiis faciendis von 811–813[1]). Die kaiserlichen Boten waren beauftragt, die Vasallen und die von ihnen empfangenen Lehen zu registrieren, wobei ihnen hier schon die Formel [Lehensmann] habet in beneficio [Lehensobjekt] vorgegeben wurde. In der Folge verschwindet die Gattung Lehensbuch und taucht erst im 13. Jahrhundert wieder in Verbindung mit den Urbaren auf. Nachrichten über Lehen sind innerhalb der Urbare zunächst unter dem gerade behandelten Ort und Gut aufgeführt (nach der Formel hic habet in beneficio [Lehensmann]), später in eigenen Abschnitten, immer noch nach Orten geordnet, bis sich die Person des Vasallen als Ordnungsprinzip durchsetzt. Der Codex Falkensteinensis aus dem Jahr 1166 mit der Unterscheidung in Passivlehen und deren Aftervasallen sowie in Aktivlehen und deren Vasallen bildet für seine Zeit eine Ausnahme.[2] Es werden ab der Mitte des 13. Jahrhunderts innerhalb der Urbare mehr und mehr Vasallenverzeichnisse angelegt, die die ihnen verliehenen Lehen aufführen. Ab dem frühen 14. Jahrhundert begegnen erste separate Aufzeichnungen über Belehnungen, die sich bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts immer mehr durchsetzen, wodurch die Herauslösung aus dem Urbar vollzogen wird.
Die neue Quellengattung Lehensregister oder Lehensbuch spielte im 14. Jahrhundert eine große Rolle, da das der Mündlichkeit verpflichtete Lehenswesen hierdurch ersten schriftlichen Niederschlag erhielt. Die Gründe für das Anlegen eines Lehensbuches konnten vielfältig sein: Besitzwechsel, Herrenfall (der Tod des Lehensherrn), Heimfall einer ganzen Herrschaft, Teilung einer Herrschaft, Unsicherheit über die Lehensverhältnisse und Schlichtung oder Vorbeugung von Streitigkeiten, doch auch der Sinn für Ordnung eines Landesherrn oder einfach die Nachahmung von Nachbarfürsten konnten für die Anlage ausschlaggebend sein. Die Vorteile, ein Lehensregister zu besitzen, wurden rasch erkannt: Es wurde eine eindeutige Zuordnung der Lehen zu den Lehensmännern ermöglicht, es wurde ein Instrument gefunden, das Streitigkeiten zwischen den Lehensmännern schlichten konnte, der Vasall hatte die Möglichkeit zu überprüfen, ob er nach einem Herrenfall wieder alle Lehen erhalten hatte und die Angaben der Lehensmänner, die vor der Neubelehnung nach einem Herrenfall über die besessenen Lehen zu machen waren, wurden für den neuen Lehensherrn überprüfbar. Mit der Zunahme der Schriftlichkeit auch im Lehenswesen und der Durchsetzung des Tausches von Lehensbrief und Lehensrevers nahm die Bedeutung der Lehensbücher mehr und mehr ab, da sie zwar als Beweismittel bei Lehensgerichtsprozessen zugelassen waren, gegenüber den Urkunden jedoch nicht den gleichen Stellenwert besaßen. Lehensregister mit datierten Einträgen gewannen stärker an Bedeutung, da durch die Pluralvasallität (d.h. ein Lehensmann ist Vasall von mehreren Lehensherren) und die zunehmende Mobilität die aktuelle Bestandsaufnahme und die Überwachung des Lehensbesitzes und der Vasallenschaft nötig wurden.
Die wissenschaftliche Sprachregelung versteht unter dem Lehenswesen heute in erster Linie das adelige oder vasallitische Leihe-Treueverhältnis zwischen einem Lehensherrn und einem standesmäßig niedriger stehenden in der Regel adeligen Lehensmann. Die bäuerlichen bzw. städtisch-gewerblichen Formen der Leihe fallen im eigentlichen Sprachgebrauch nicht unter den Begriff Lehenswesen, werden jedoch häufig mit zahlreichen Komposita begrifflich unter das Lehenswesen subsumiert. Die mittelalterlichen Quellen unterscheiden gelegentlich zwischen adeligem manlehen und bäuerlichem erblehen (auch zinslehen), doch verwischen sich im Spätmittelalter die terminologischen Grenzen zwischen beiden Bereichen, so dass häufig nicht erkennbar wird, ob ein verliehenes Gut Mann- oder Erblehen ist. Eigenständige serielle Quellen wie Lehensbücher oder Lehensbriefe und -reverse entstehen jedoch lediglich im Zusammenhang mit dem adeligen oder vasallitischen Lehenswesen, das bäuerliche Lehenswesen dokumentiert sich häufig in anderen Quellenarten wie Urbaren oder sogenannten Salbüchern.
Das Lehenswesen unterscheidet sich in zwei wesentlichen Punkten von anderen Herrschaftsformen: Zum einen hat der die Lehensherrschaft Ausübende – der Lehensherr – in der Regel keine geldwerten Vorteile von der Lehensbindung, wie dies beispielsweise bei der Grundherrschaft der Fall ist. Zum andern eignet der durch das Lehensverhältnis entstehenden Bindung zwischen den Vertragspartnern Lehensherr und Lehensmann kein herrschaftliches Verhältnis. Lehensherrschaft im mittelalterlichen Sinne bedeutet einen vertragsähnlichen Zustand zwischen einem Lehensherrn und einem Lehensmann, dessen Inhalt ein gegenseitiges Treueverhältnis ist. Diesem Treueverhältnis liegt von Seiten des Lehensmannes die Verpflichtung zu Grunde, dem Herrn mit auxilium et consilium zur Seite zu stehen, wobei auxilium im äußersten Fall auch den Lehensdienst mit der Waffe bedeuten kann. Der Lehensherr hingegen bringt mit Schutz und Schirm für den Lehensmann sowohl Schutz vor fremder Gewalt als auch Rechtsschutz und Rechtsfrieden in das Treueverhältnis ein. Der Lehensherrschaft eignet außerdem ein genossenschaftliches Element, indem die Lehensmänner in Form des consilium an Entscheidungen beispielsweise im Lehensgericht beteiligt werden. Die Folge ist die mögliche Verwerfung der vom Lehensherrn aufgestellten Rechtsnormen durch die Lehensmänner. Lehensherrschaft erhebt also keinen Anspruch auf Herrschaft im heutigen Sinne des Verhältnisses zwischen einem übergeordneten Herrscher und einem ihm unterworfenen Untergebenen, sondern ist eine moralisch-ideale und aktive Beziehung von Nehmen und Geben. Moralisch-ideal durch das gegenseitig geschuldete Treueverhältnis, aktiv durch die Verleihung eines Lehens und dessen Widerpart von auxilium et consilium. Dennoch ist das Lehenswesen ein hierarchisch gegliedertes Ganzes, dessen Teile Gesetzen unterworfen waren, die ihnen ihre jeweilige Rolle zuwiesen. In diesen Bereich gehört auch der Repräsentationswille des Lehensherrn, der sich über eine große Schar an Lehenmännern definiert.
Zweck der Anlage von Lehensbüchern war also nicht die Verwaltung von herrschaftlicher Macht oder herrschaftlicher Einkünfte, sondern eine Art Besitzstandsverwaltung, die garantieren sollte, einmal ausgegebene Lehen nicht an die Vasallen zu verlieren. Da die Lehen dem Einfluss des Lehensherrn durch die Verleihung weitestgehend entzogen waren, musste er darauf achten, seinen Nachfolgern schriftliche, rechtlich verbindliche Instrumente zu hinterlassen, die diesem den Lehensbesitz aufzeigten. Dies geschah einerseits durch den Empfang des Lehensreverses, in dem der Lehensmann die vollzogene Belehnung zu bestätigen hatte und der im Archiv des Lehensherrn verwahrt wurde, andererseits z.B. in Württemberg seit etwa 1360 durch die Anlage von Lehensbüchern, in denen die Belehnungen in grob chronologischer Form eingetragen wurden.
Für die Entwicklung von Inhalt und Aufbau von Lehensbüchern seien exemplarisch für die südwestdeutschen Territorien die mittelalterlichen Lehensbücher der Grafschaft Württemberg näher beleuchtet. Der formale Aufbau eines Lehensbuches ist grundsätzlich stark davon abhängig, ob das Buch aktuell geführt wurde oder ob es eine Kompilation anderer Quellen darstellt. Die Kompilation aus anderen Quellen ist der eigentlich ältere Typ und bildet häufig den Anfang einer in der Folge aktuell geführten Reihe von Lehensbüchern. Dies dürfte auch in Württemberg so gewesen sein, die Anlage der Lehensbücher B–G ist jedoch – bedingt durch deren Verlust 1944 – nur noch indirekt zu rekonstruieren. Lehensbuch A[3], angelegt vor 1359 und nach 1362 häufiger benutzt, beginnt mit 14 folia, auf denen die Belehnungen der Jahre 1344 bis 1362 beschrieben sind (nach den Formeln [Lehensmann] hat ze lehen [Lehensobjekt] oder [Lehensmann] hat ze lehen enpfangen [Lehensobjekt]), gefolgt von Einträgen in chronologischer Reihenfolge (lediglich gestört durch spätere Nachträge). Dies ist ein Beleg dafür, dass im Jahr 1362 bei der alleinigen Regierungsübernahme Eberhards II. erkannt wurde, dass eine Kompilation der Lehensgüter in einem Lehensbuch zweckmäßig sei und dass das Buch im Anschluss laufend als Lehensaktregister weitergeführt wurde.[4] Ab 1369 (fol. 29) mehren sich Einträge, die datiert sind, oder die gar den ganzen Urkundentext von Lehensbriefen enthalten, das Lehensbuch wird also partiell zu einem Lehensbriefregister (etwa 15% der 499 Einträge im Lehensbuch A sind exakt zu datieren, 42 Einträge – 39 Lehensbriefe und 3 Lehensreverse – geben den Wortlaut der Urkunden wieder).
Über den Aufbau der württembergischen Lehensbücher B–G[5] kann nur noch indirekt eine Aussage getroffen werden. Durch die Aufnahme der Lehensbucheintragungen in das Repertorium zum Bestand A 157 im HStA Stuttgart ist zu rekonstruieren, dass die Einträge eine grobe chronologische Reihenfolge in den Lehensbüchern aufwiesen. Die Einträge waren in der Regel datiert. Ob sie den Text der Lehensbriefe wiedergaben, also als Lehenskopial oder Lehensbriefregister geführt wurden, ist nicht mehr festzustellen.
Grundlage für die Anlage von Lehensbüchern waren mündliche Aussagen der Vasallen oder von ihnen eingereichte Zettel, auf denen die bisher von ihnen besessenen Lehen aufgelistet waren. Diese Zettel entwickelten sich seit dem 14. Jahrhundert zu den Lehensreversen, die im HStA Stuttgart den Großteil der Urkunden des Bestandes A 157 ausmachen.
Durch den Verlust der ersten acht württembergischen Lehensbücher für den Zeitraum zwischen 1344 und etwa 1470 ist die Quellenlage für das Spätmittelalter relativ eingeschränkt. Der Inhalt der Belehnungen ist jedoch im Repertorium des HStA Stuttgart zum Bestand A 157 (Lehenleute) und durch die originalen Lehensbriefe und Lehensreverse in diesem Bestand bekannt, so dass auf sie als Primärquellen zurückgegriffen werden muss. Mit den Lehensbüchern 1 bis 12 ist ab dem Jahr 1480 eine fast ununterbrochene Reihe solcher Bücher bis 1627 erhalten.
Weitere wichtige Quellen in Ergänzung zu allen Lehensbüchern sind je ein Orts- und ein Personenregister, die beide zwischen 1620 und 1630 entstanden sind.[6]
GLA Karlsruhe
Lehensbücher im Bestand 67 Kopialbücher
GLA Karlsruhe 67 Nr. 1057 (Lehensbuch des Pfalzgrafen Friedrich I. mit Miniaturen und farbigen Wappen aller Vasallen, 1350–1476)
Lehensbücher im Bestand GA 20 Gemeinschaftliches Lehenarchiv
Lehensbücher im Bestand Gemeinschaftliches Archiv, Lehenarchiv
Im Lehensbuch oder Lehensregister sind Einträge über erfolgte Belehnungen enthalten, die entweder für die gesamte Vasallenschaft nach einem Herrenfall fällig wurden oder die individuell nach jedem Mannfall vonnöten waren. Je nach Quellentyp handelt es sich um kurze undatierte Notizen oder um die Eintragung von Teilen oder des gesamten Lehensbriefes (Lehensbriefregister, Lehenskopial). Die scheinbar systematische Anlage der württembergischen Lehensbücher durch die württembergischen Grafen bzw. Herzöge darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lehensbücher bei weitem nicht alle erfolgten Belehnungen überliefern. Für eine vollständige Rekonstruktion der Lehensverhältnisse bedarf es der Einbeziehung der Lehensurkunden und anderer überlieferter Quellen. Eine Untersuchung des Anteils der in den Lehensbüchern überlieferten Belehnungen gegenüber den durch Lehensurkunden belegten Belehnungen hat ergeben, dass die württembergischen Lehensbücher nur etwa 65% der tatsächlich erfolgten Belehnungen überliefern. Für Territorien mit schmaler urkundlicher Quellenlage wirft diese Tatsache erhebliche Probleme in der Erfassung des Lehensbesitzes eines Lehensherrn auf.
Lehensbücher sind in erster Linie Quellen für die Besitz- und Territorialgeschichte des Lehensherrn und für die Familien der belehnten Lehensmänner, für letztere sind sie eventuell auch interessant für genealogische Forschungen. In Ergänzung zu den Lehensbriefen und Lehensreversen sind Lehensbücher und Lehensregister einer Herrschaft wichtige Quellen für das Verständnis des sozialen Gefüges sowie der rangmäßigen Stellung der Vasallen. Die enge Bindung an den Lehensherrn kann zum Beispiel durch die Verleihung einer Burg als Lehen an eine niederadelige Familie zum Ausdruck kommen. Auch die freiwillige oder erzwungene Lehensaufgabe kann Hinweise über das herrschende Machtgefüge in einer Region geben. Das Lehenswesen gilt insgesamt als eines der Mittel der Territorialisierung der spätmittelalterlichen Territorien. Seine Quellen sind für das Verständnis dieses Prozesses ein wichtiger Schlüssel. Nebenbei sind Lehensbücher aber auch wertvolle Zeugen für die Wirtschaftsgeschichte und die Siedlungsgeographie sowie seltener – da hierüber nur wenige Einträge in den Lehensbüchern gemacht wurden – für die Verfassungs- und Rechtsgeschichte eines Territoriums. Darüber hinaus finden sich in Lehensbüchern Hinweise für die Orts- und Flurnamenforschung.
Lehensbücher und Lehensregister sind grundsätzlich in Verbindung mit den erhaltenen dazu gehörigen Urkunden zu benutzen. Nur beide Quellengattungen zusammen, Lehensbuch und Urkunden, ergeben ein einigermaßen vollständiges Bild, da Lehensbücher in der Regel nicht vollständig geführt sind und Urkunden Verlusten unterliegen. Aufgrund ihres Alters unterliegen Lehensbücher und -register keinen archivischen Sperrfristen. Aus konservatorischen Gründen kann jedoch die Nutzung von besonders fragilen Exemplaren eingeschränkt sein, weshalb ausgewählte Exemplare inzwischen als Digitalisate online eingesehen werden können.
Der Quellentyp Lehensbuch ist durch die eigentlich als Einleitung zur Edition des Lehensbuches Friedrichs des Strengen, Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen, gedachten Arbeit von Woldemar Lippert schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts detailliert beschrieben worden.[7] Der Schwerpunkt der Arbeit Lipperts liegt in räumlicher Sicht auf dem Alten Reich einschließlich belgischer und niederländischer Gebiete und der Schweiz, in zeitlicher Sicht zwischen dem späten 12. Jahrhundert und dem 15. Jahrhundert. Lippert stützt sich auf eine beträchtliche Quellenzahl – Lehensbücher aus annähernd 220 Herrschaften seit dem Aufkommen des Quellentyps bis etwa 1800 –, die in einem Register aufgeschlüsselt werden. Besonders wertvoll wird die Publikation Lipperts dadurch, dass er sowohl Editionen als auch die Fundorte in den Archiven bei den Lehenbüchern nennt (dies jedoch auf dem Stand von 1903).
In der Nachfolge Lipperts wurden Lehensbücher nur einzeln im Zuge von Editionen untersucht, wobei hier naturgemäß verstärkt regionale Besonderheiten im Mittelpunkt stehen. Bei Betrachtung des Lehenswesens einer Herrschaft waren nun nicht mehr die Lehensbücher selbst Untersuchungsgegenstand (Aufbau, Anlage...), sondern es waren die darin enthaltenen Einträge, die als Quelle für die Untersuchung dienten.
Zu den Quellen des Lehenswesens der Grafschaft Württemberg im Spätmittelalter ist auf ein südwestdeutsches Territorium bezogen die bisher einzige hilfswissenschaftlich ausgerichtete Arbeit erschienen.[8] Eine diesem Werk beiliegende CD-ROM enthält sämtliche Belehnungen durch württembergische Grafen und Herzöge bis zum Jahr 1500 in Tabellenform und ergänzt auf diese Weise die sogenannten Württembergischen Regesten aus dem Jahr 1916.[9]
Noch in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts herrschte in der deutschen Geschichtswissenschaft die Meinung vor, das Lehenswesen hätte im Prozess der Territorienbildung des späten Mittelalters keine oder nur eine geringe Rolle gespielt. Dennoch war Heinrich Mitteis überzeugt, „daß es [das Lehensrecht] in den Territorien vielfach konsolidierend gewirkt hat“.[10] Bis ins späte 20. Jahrhundert hinein hat sich die Forschung vornehmlich dem Reichslehensrecht und hier auch nur dem frühen und hohen Mittelalter zugewandt. Erst 1971 machte Bernhard Diestelkamp darauf aufmerksam, dass „schon nach den Gesetzen der historischen Wahrscheinlichkeit und Folgerichtigkeit [...] nicht anzunehmen [ist], daß die unbestritten lehnrechtliche Grundstruktur des hochmittelalterlichen Staates sofort und restlos in dem vom Ämterwesen geprägten, institutionellen Flächenstaat des Spätmittelalters aufgegangen sei. Vielmehr bedarf das Forschen nach den Anfängen oder Frühformen des modernen Staates [...] der Ergänzung durch das Forschen nach den Spätformen des Lehnsstaates“.[11] Diestelkamp steckte damit neue Wege und Ziele der Erforschung des spätmittelalterlichen Territorialstaates ab.
Als für den süddeutschen Raum wichtige Arbeit ist die von Otto Herding 1955 vorgelegte Abhandlung über Johann Jacob Bontz und die Quellen des wirtembergischen Lehenrechts[12] zu nennen. 1969 erschien die nach wie vor grundlegendste Arbeit rechtshistorischer Natur über das spätmittelalterliche Lehenswesen in einem Territorium. Bernhard Diestelkamp legte in seiner 1966/67 abgeschlossenen Habilitationsschrift über das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen (13. Jahrhundert bis 1479)[13] in vorbildlicher Weise „Entwicklungstendenzen des spätmittelalterlichen Territoriallehnrechts“[14] dar. Ein weiterer Schwerpunkt Diestelkamps war die Auswertung der Lehensurkunden und deren Entwicklung in hilfswissenschaftlichem Sinne.
Die bislang letzten umfangreichen Untersuchungen des Lehenswesens in Territorien im deutschen Südwesten legten 1978 Karl-Heinz Spieß in seiner Dissertation über „Lehnsrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen bei Rhein im Spätmittelalter“[15] und Matthias Miller 2004 in seiner hilfswissenschaftlich ausgerichteten Dissertation über die Quellen des Lehenswesens der Grafschaft Württemberg im Spätmittelalter vor.[16]
An Editionen von Lehensbüchern aus südwestdeutschen Territorien liegen bislang die Ausgaben des Lehensbuches A (Württemberg),[17] des ältesten badischen Lehensbuches[18] sowie des ersten Lehensbuches der Pfalzgrafen bei Rhein aus dem Jahr 1401[19] vor.
Zitierhinweis: Matthias Miller, Lehensbücher, Lehensregister, in: Südwestdeutsche Archivalienkunde, URL: [...], Stand: 10.07.2017.