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"Württemberger Lebensart"

 

Herbstliche Reben am Staufenberg bei Heilbronn, 2005. [Quelle: Landesmedienzentrum BW]
Herbstliche Reben am Staufenberg bei Heilbronn, 2005. [Quelle: Landesmedienzentrum BW]

Eines der traditionellen Zentren des Baden-Württembergischen Weinbaus befindet sich in Heilbronn. Schon die Römer nutzten die sonnenreiche Gegend und aus einer Schenkungsurkunde der Uta von Calw an das Kloster Hirsau geht hervor, dass in Heilbronn schon Ende des 11. Jahrhunderts u.a. Weinberge am Wartberg existierten.

Über Lagen und Rebsorten ist in der Beschreibung des Oberamts Heilbronn von 1865 zu lesen, dass seit unvordenklicher Zeit Elblinge, Trollinger und Gutedel in den Keuperbergen angebaut würden. Auch Traminer, Veltliner, Klevner, Rißling und Muskateller gehörten zu den alteingesessenen Sorten. Seit etwa 1700 kam aus Nußdorf der Silvaner und der graue Klevner (Ruländer) aus Speyer, ums Jahr 1770 der Burgunder, ums Jahr 1790 die Müllertraube, ums Jahr 1803 der Wiesentheer […], der Färber, Krachmost- Muskat- und Diamantgutedel, 1810 der Ortlieber aus Reichenweiher, 1822 der weiße Klevner aus Bollweiler, 1835 Süßroth und Grobroth aus der Taubergegend, ums Jahr 1850 die portugiesische Traube auf die Heilbronner Berge. Von gehobener Qualität seien Traminer, Riesling und Klevner. Die Weine sorgten für gute Geschäfte: Es gibt aber bei dem Weinbau viel öfter Mißjahre, als beim Ackerbau; nur bringt ein guter Herbst, der auf minder gute folgt, gewöhnlich große Capitalien ein, weil der Wein indessen mehr gesucht und theurer geworden ist.

Wenige Jahre nach der Veröffentlichung der Oberamtsbeschreibung wurde 1868 die Königliche Weinbauschule gegründet. Sie gilt als älteste deutsche Wein- und Obstbauschule. Ihr Mitinitiator, Immanuel Dornfeld, schrieb die erste detaillierte Geschichte des Weinbaus in Schwaben. Nach ihm wurde der in den 1950er Jahren an der Schule gezüchtete Dornfelder benannt. Theodor Heuss, der als Bundespräsident den Württemberger und besonders den Lemberger in Bonn salonfähig machte, schrieb seine 1906 veröffentlichte Doktorarbeit über Weinbau und Weingärtnerstand in Heilbronn a.N.

Die Weinlesezeit, die im 19. Jh. in vielen Orten mit opulenten Festen, Musik und Feuerwerk verbunden war, erfährt auch in der Oberamtsbeschreibung Heilbronn eine besondere Würdigung. Demnach war die gesamte Stadt auf den Beinen. Es wird geschildert, wie überall gejubelt und gesungen, da und dort getanzt und gesprungen und gespielt wird, wie die Glöckchen der trabenden Mostkarrenpferde läuten, die Schießgewehre krachen und bei Nacht die Raketen brausen, die romanischen Lichter ihre Sterne ausstreuen, die Feuerräder brillante Funken sprühen und bengalische Flammen die Weinberge in den schönsten Farben erleuchten. Vom Wartberge aus glaubt man die Wachtfeuer eines großen Feldlagers, und wenn bei eingebrochener Nacht hunderte von Fackeln von den Bergen herabsteigen und nach der Stadt wallen, den gestirnten Himmel unter sich zu erblicken. Freilich hatte das Feiern auch Schattenseiten und immer wieder kam es zu Unfällen durch Querschläger von Feuerwerk, oder den als romanische Lichter beschriebenen Leuchtkugeln.

Bis heute sind die Wein-, Hof- und Herbstfeste in und um Heilbronn ein Anziehungspunkt. Weingüter überbieten sich in der Gestaltung ehemals schlichter Besenwirtschaften und locken mit ideenreichen Events in Weinberge und –keller. Sogar von Württemberger Lebensart ist die Rede, wobei offen bleibt, ob ausschließlich der Rebensaft gemeint ist.

Weitere Infos zum Thema:
Uta von Calw und der Hirsauer Codex, Stadtarchiv Heilbronn, Stadtgeschichte A-Z
Beschreibung des Oberamts Heilbronn von 1865 auf LEO-BW 
Annette Geisler, Leseschluss, in: Blog Haus der Stadtgeschichte Heilbronn, veröffentlicht am 26. Oktober 2012.
Weingüter und Veranstaltungshinweise für Besucher finden Sie auf der Seite HeilbronnerLand

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