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Der Lahrer Hinkende Bote - Zum Medium der Volkskalender

 Großer Volkskalender des Lahrer hinkenden Boten [Quelle: Badische Landesbibliothek]
Großer Volkskalender des Lahrer hinkenden Boten [Quelle: Badische Landesbibliothek]

Die Textsorte Kalender gehört zu den ersten periodisch erscheinenden Massenmedien. Seit dem 18. Jahrhundert entfalteten Kalender eine zunehmend breite Wirkung. Denn Volkskalender bildeten – abgesehen von Gesangbuch und Bibel –oft das einzige Lesematerial der „ungelehrten“ Volksschichten.

Neben einem chronologischen und literarischen Teil enthielten diese frühen Kalender beispielsweise Auflistungen von Handels- und Gewerbetreibenden sowie Beamten, Offizieren, Geistlichen und Lehrern, Mitteilungen zu Jahrmärkten, Verzeichnisse der ansässigen Firmen, der Vereine, Schulen und Hauseigentümern. Zudem wurde oftmals Platz für persönliche Eintragungen gelassen. Für die Unterhaltung gab es Geschichten, historische Begebenheiten und Kuriositäten, als Lebenshilfe Ratschläge für die Gesundheit und für Haus und Hof. Volkskalender sind somit bis heute eine wichtige Quelle, gerade wenn es um frühere Lebens- und Lesegewohnheiten geht. Zudem bieten sie für die Forschung eine zum Medien Zeitung komplementäre Perspektive. Denn während Zeitungsleserinnen und -leser vor allem im urbanen Raum lebten, wurden Volkskalender eher im ländlichen Raum rezipiert.

Ein bekanntes Beispiel eines solchen Volkskalenders aus dem Südwesten ist der „Lahrer Hinkende Bote“. Er gilt als Synonym für die Gattung des Kalenders schlechthin und behauptet sich bis heute. Er erschien erstmals 1801 und hatte bereits im Jahr 1870 eine Auflage von mehr als einer Million.

Doch wie kam es zu dem außergewöhnlichen Namen? In der Entstehungszeit des Kalenders hatten Kriegsversehrte oft nur die Möglichkeit als Boten oder Zeitungsverkäufer ihr Auskommen zu finden. Schon vor 1800 gab es viele Publikationen mit einem ähnlichen Namen, auf deren Titelbilder u. a. ein Mann mit Stelzfuß und oft mit Uniformjacke abgebildet war.

Der Inhalt des Lahrer Hinkenden Boten besteht aus dem Kalender, Informationen zu Gedenktagen, Pflanz- und Saat-Terminen, Bauernregeln, Pollenflug, dem Hundertjährigen Kalender, landesbezogenen Beiträgen und Geschichten (teilweise in alemannischer Mundart). Übrigens blieb die Kalendergeschichte noch weit bis in das 19. Jahrhundert an das Medium des Volkskalenders gebunden. Erst durch Johann Peter Hebel entwickelte sie sich zu einer eigenständigen literarischen Kunstform. (JH)

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