null

Der Schiltacher Silvesterzug

 Der Schiltacher Silvesterzug
Zeichnung ”Silvesterzug 1930 in Schiltach, Sammlung Eduard Trautwein [Herkunft/Rechte: Stadt Schiltach (CC BY-NC-ND)]

In Schiltach im Schwarzwald findet seit dem 19. Jahrhundert am Silvesterabend ein besonderer Brauch statt. Bei diesem traditionellen Jahresausklang ziehen die Schiltacher singend durch ihr Städtchen. Beleuchtet wird der Silvesterzug nur durch Laternen und Pechfackeln an den Straßenrändern. Dieser Silvesterzug ist in seiner Art einzigartig und ein wichtiges kulturelles Erbe der Stadt. Warum und wann genau dieser Brauch entstand, ist nicht eindeutig zu rekonstruieren. Bisher galt ein Bericht des Buchbinders Gustav Eyth von 1858 als älteste Erwähnung, ein im Stadtarchiv Schiltach aufgefundenes Dokument lässt jedoch vermuten, dass der Ursprung dieser besonderen Art des Jahresausklangs weiter zurückliegt. 1853 stellte Bürgermeister Karl Goll „Notizen über die Gemeinde“ zusammen und beschrieb „daß die Bewohner am Sylvester-Abend sich am oberen Thor versammeln und von dort aus in feierlicher Prozession die Stadt bis zum Pfarrhause mit Absingen geistlicher Lieder...durchziehen, dem höhern Weltenlenker für das abgewichene Jahr dankend und den Segen des Himmels für das bevorstehende erflehend.“ In einem späteren Bericht des Schiltachers Otto Beil aus dem Jahr 1925 heißt es zum Ablauf der Zuges: „Am Silvesterabend gegen 9 Uhr versammelt sich in Schiltach die Gemeinde am ‚obere Toar’. Während eine Kirchenglocke läutet, bildet sich ein Zug und bewegt sich zum Pfarrhause. In jedem Hause, an dem der Zug vorbeikommt, wird der brennende Weihnachtsbaum ans Fenster gerückt. Da und dort flackern kleine Lichtchen auf der Fensterbank. Dann gibt der Pfarrer einen Überblick über die Geschehnisse des scheidenden Jahres, dankt seinen Mitarbeitern und wünscht der Gemeinde Frieden und Glück für das neue Jahr. Ein Gemeindeglied bringt nun ein Hoch auf den Pfarrer und seine Familie aus. Dann geht der Zug zum Hause des Bürgermeisters, in neuerer Zeit zum Rathause. Es folgt eine Ansprache des Stadtoberhauptes über Ereignisse in Staat und Stadt.“ Zwischen diesen Etappen singen die Schiltacher Choräle wie „Nun danket alle Gott“. Die Ursprünge dieser Tradition dürften in der pietistischen Prägung der Schiltacher liegen. Vermutlich lehnten sie das Lärmen und Schießen in der Silvesternacht ab, war es damals doch schon ein verbreiteter Brauch zur Geistervertreibung. Bis heute ist der Brauch in Schiltach ein in der Gemeinde tief verwurzeltes, gelebtes historisch-kulturelles Ereignis, das (mit diesjähriger Ausnahme) weiterhin stattfindet und gepflegt wird. Sogar alte Laternen, die im Museum am Markt Schiltach ausgestellt werden, sind am Silvesterabend in Betrieb und werden dann von den Schiltachern im Januar wieder abgegeben.

00

Weitere Blogeinträge

Suche

LEO-BW-Blog

Logo LEO-BW-Blog

Herzlich willkommen auf dem LEO-BW-Blog! Sie finden hier aktuelle Beiträge zu landeskundlichen Themen sowie Infos und Neuigkeiten rund um das Portalangebot. Wir freuen uns auf Ihre Kommentare zu den einzelnen Posts.

Über den folgenden Link können Sie neue Blog-Beiträge als RSS-Feed abonnieren: 

https://www.leo-bw.de/web/guest/blog/rss