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Die Alblinie – eine vergessene Verteidigungsanlage von 1703

Der Roßberg bei Gönningen. Auf der Ostseite wurden in geringer Entfernung zum Hang zwei Schanzanlagen errichtet. Quelle: Orthofoto 1968, Kartenmodul LEO-BW/Landesarchiv BW.
Der Roßberg bei Gönningen. Auf der Ostseite wurden in geringer Entfernung zum Hang zwei Schanzanlagen errichtet. Quelle: Orthofoto 1968, Kartenmodul LEO-BW/Landesarchiv BW.

Von den mehrere Jahrzehnte dauernden militärischen Auseinandersetzungen, die nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges erneut Tod und Zerstörung über Europa brachten, waren im Südwesten hauptsächlich die Pfalz, das Neckarbecken und Gebiete am Oberrhein betroffen. Eine neue Situation entstand 1702, während des Spanischen Erbfolgekriegs. Ulm wurde von Bayern besetzt, das sich 1703 offiziell mit der Gegenseite verbündete. Die französische Armee unter Marschall Villars passierte den Rhein und vereinigte sich mit den Truppen Kurfürst Max Emanuels. Herumziehende bayerisch-französische Einheiten plünderten Oberschwaben, zogen an der Donau entlang und drangen bis nach Münsingen auf der Schwäbischen Alb vor.

Gegen die drohende Invasion, nun aus dem Osten, wurden großangelegte Verteidigungslinien geplant, ähnlich Eppingen oder den Höhenbefestigungen des Schwarzwalds. Erste Überlegungen umfassten den gesamten Westrand der Alb, von der Geislinger Steige bis Spaichingen, mit einem Abzweig zum Kinzigtal im Süden. Die Umsetzung begann im Winter 1703/04 bei Mössingen. Eine der wenigen für größere Einheiten passierbaren Stellen befand sich an der Talheimer Steige. Die Maßnahmen sollten den von der Hochfläche kommenden Gegner aufhalten. Vom Roßberg bei Gönningen über Willmandingen bis Salmendingen entstanden mehrere Schanzen. Eine einzelne Anlage diente weiter östlich der Absperrung der Honauer Steige. Es handelte sich um Wälle mit vorgelagerten Gräben, teils als Spitzbastionen ausgeformt. Kamen Angriffe sonst meist aus dem Tal, wurde die Verteidigung hier gegen die Albhochfläche ausgerichtet. Gefällte Bäume verbanden die Schanzen und verbarrikadierten Wege und Straßen.

Schon im Frühjahr 1704 wendete sich das Blatt erneut. Der mit dem Reich verbündete Duke of Marlborough rückte trickreich von Norden vor und brachte Verstärkung. Das Zentrum des Geschehens verlagerte sich zurück an die Donau, wo im August die zweite Schlacht von Höchstädt ausgetragen wurde. Das Befestigungswerk an der Alb, zu dem noch weitere Schanzen zählen, wurde nicht mehr benötigt und geriet für 200 Jahre in Vergessenheit. Erst gegen Ende des 19. Jh. führte Hermann Niethammer, ein Spezialist für Festungsbauten, eine umfassendere Untersuchung durch und veröffentlichte deren Ergebnisse. Mit modernen Luftaufnahmen lassen sich heute mehr als 10 Schanzen orten. Die Prominenteste befindet sich am Rossberg mit rund 1200 m Länge. Sie sollte neben der Verteidigung vermutlich dem Schutz eines Sammelplatzes dienen und Truppen sowie Material aufnehmen. Weitere gut erhaltene Wälle können bei Willmandingen, Gemeinde Sonnenbühl, besichtigt werden.

Zum Weiterlesen:

Die Alblinie von 1703 bis 1704. Eine kaum bekannte Linearbefestigung aus dem Spanischen Erbfolgekrieg. In: Denkmalpflege 1/2019 S. 45-51.

Die Gönninger Roßbergschanzen zum Sprechen gebracht: Das Schicksal Schwabens, Reutlingens und der Alb im Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714). Text eines überarbeiteten Vortrags anlässlich der Öffnung des „Geschichtslehrpfads Roßbergschanzen“ im Juli 2012.

Siedlungszerstörungen und Festungswerke im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert (1674-1714). Historischer Atlas Baden-Württemberg, Karte mit Beiwort.

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