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Domus Judaeorum – das verlorene Haus Gottes in Schwäbisch Gmünd

Das Domus Judaeorum auf einem Kupferstich nach Merian von Joseph Frideric Leopold, 1720, Quelle: Württembergische Landesbibliothek, graphische Sammlung Schef.fol.7040

Gmünd um 1720 auf einem Kupferstich nach Merian von Joseph Frideric Leopold. Die Imhofstraße 9 ist das Haus mit dem später entfernten Staffelgiebel in Verlängerung der Brücke. Quelle: Württembergische Landesbibliothek, graphische Sammlung Schef.fol.7040.

Das Gebäude Imhofstraße 9 bildet den Abschluss einer Häuserzeile am Rand des historischen Zentrums der ehemaligen Reichsstadt Schwäbisch Gmünd. Das Äußere - verputzt und nachträglich mit einem Anbau versehen – lässt kaum auf sein Alter schließen. Tatsächlich handelt es sich um das älteste Gebäude der Stadt, dessen Gebälk auf das Jahr 1288 zurückgeht. Ein Zusammenhang mit der 1241 erstmals erwähnten jüdischen Gemeinde in Gmünd wurde schon länger vermutet. Bis zur Umbenennung in der NS-Zeit trug das Areal der Imhofstraße die Bezeichnung Judenhof. 2019 bestätigten sich die Annahmen anlässlich von Renovierungsarbeiten in der Nummer 9. Spuren deuten darauf hin, dass es sich nicht nur um ein jüdisches Wohnhaus handelte, sondern auch ein Betsaal eingerichtet war. Die Rekonstruktion zeigt ein turmartiges Gebilde, noch ohne die später geschaffenen Fensteröffnungen. Vermutlich entstand es als Teil eines Adelshofes. Die mittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichte der jüdischen Gemeinde in Gmünd ähnelt der anderer Reichsstädte. Nach den Pogromen Mitte des 14. Jh. gab es dort Anfang des 15. Jh. wieder jüdische Einwohner. Mit Beginn des 16. Jh. mussten jedoch alle die Stadt verlassen. Die heutige Imhofstraße 9 diente vermutlich als jüdisches Gemeindehaus mit Bet-, Schul- und Versammlungsräumen sowie einer Rabbinerwohnung. Damit ist das Gebäude in Gmünd neben Erfurt das einzige bekannte aus dem Mittelalter mit diesen Funktionen in Deutschland. Das mehrfach veränderte und zuletzt Wohnzwecken dienende Haus wurde vom letzten Eigentümer zwischenzeitlich an die Stadt übergeben.

Ein bemerkenswerter Film, der im Rahmen des Projekts „Euer Film im Kino“ – Jugendliche beschäftigen sich mit dem aktuellen jüdischen Leben in der Region Stuttgart – entstand, widmet sich der Imhofstraße 9 und damit verbundenen Fragen: Warum blieb die Geschichte des Gebäudes so lange verborgen, welche Pläne gibt es für die Zukunft und was sagen Bürgerinnen und Bürger mit verschiedenem kulturellen Hintergrund dazu?

„Das verlorene Haus Gottes“ von Arne Bersch und Julius Riechert

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