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Jenseits der Autobahn – der Drackensteiner Hang

Das heutige Unterdrackenstein um 1845, Quelle: Württembergische Landesbibliothek, Graphische Sammlung Schef.fol.1170, Public Domain Mark 1.0

Das heutige Unterdrackenstein um 1845, Quelle: Württembergische Landesbibliothek, Graphische Sammlung Schef.fol.1170, Public Domain Mark 1.0

Nach dem Engelbergtunnel geht es heute zu einem weiteren Nadelöhr des südwestdeutschen Autobahnnetzes. Der Albauf- bzw. Abstieg am Aichelberg war ein Dauerbrenner in den Verkehrsnachrichten, bevor die Situation mit dem Ausbau in den Jahren 1985 bis 1990 teilweise entschärft werden konnte. Zwischen Aichelberg im Albvorland und der Albhochfläche liegen rund 380 Höhenmeter. Der Verkehr bewältigt diese in zwei Stufen. Spektakulär wird es am Drackensteiner Hang, wo sich die Richtungsfahrbahnen trennen. Die alten Abschnitte bieten wunderbare Ausblicke auf den Albtrauf und in die schluchtartigen Täler. Zunächst aber lohnt es sich, einen Blick auf die Straßenkonstruktion selbst zu werfen. Die anachronistisch anmutenden Parkbuchten, Behelfsausfahrten und Tunnel machen deutlich: Hier handelt es sich um ein Denkmal. Die Strecke steht als einziges Autobahnteilstück in Baden-Württemberg unter Denkmalschutz. Beeindruckend sind die von Paul Bonatz entworfenen bogengestützten Hangstraßen sowie Brücken und Viadukte, etwa die 47 Meter hohe Drachenlochbrücke.

Der Name Drackenstein soll sich von Drache herleiten und ist mit Sagen und Legenden verknüpft. Demnach habe das Untier in der Drachenlochhöhle eine fremdländische Königstochter gefangen gehalten, die ein Junker derer von Westerstetten befreite und heiratete. Tatsächlich befinden sich mehrere Höhlen im Karstgestein des Gemeindegebiets, wobei die Drachlochhöhle beim Bau der Autobahn zugeschüttet wurde. Vermutlich rankt sich die Drachensage um die zahlreichen Funde prähistorischer Knochen in Gestein und Höhlungen der Schwäbischen Alb. Drackenstein, heute bestehend aus Ober- und Unterdrackenstein, wird schon in der Oberamtsbeschreibung Geislingen von 1842 als „äußerst romantisch“ beschrieben. Kirche und Pfarrhaus von Unterdrackenstein liegen auf einem Tuffsteinfelsen. In der Nähe rauscht ein Wasserfall. Die Oberamtsbeschreibung erwähnt ferner, Unterdrackenstein sei „so nahe am Berge, dass man die Sonne von Mitte Dezember bis gegen Lichtmess nicht mehr selbst, sondern nur ihren Schein an dem gegenüber liegenden Berge sieht.“ Ein Schloss der Herren von Westerstetten wurde um 1679 abgebrochenen. Auf der anderen Seite, unterhalb des „Albaufstiegs“, liegt das sehenswerte Städtchen Wiesensteig im oberen Filstal. Wiesensteig wurde 1356 erstmals als Stadt bezeichnet und Hauptort der gleichnamigen Linie der Grafen von Helfenstein. Erhalten ist sowohl das Schloss als auch der historische Charakter des Orts, der an die Zeit als Residenz erinnert. Die katholische Pfarrkirche St. Cyriakus diente bis 1803 dem gleichnamigen Kollegiatstift.

Zurück zur Autobahngeschichte: Baubeginn für die beiden Stufen der Trasse am Albtrauf waren die Jahre nach 1936, wobei die Arbeiten am Aufstieg des Drackensteiner Hangs nach 1942 eingestellt wurden. Deutsche Militäreinheiten zerstörten am Ende des Zweiten Weltkriegs Franzosenschluchtbrücke und Aichelbergviadukt. Nach deren Wiederherstellung wurde der Albaufstieg 1956/57 fertiggestellt. Zu den bemerkenswerten Bauten zählen der Tunnel am Lämmerbuckel auf der Strecke Stuttgart-Ulm sowie der 1937 fertiggestellte Nasenfelstunnel auf der Gegenfahrbahn. Der Lämmerbuckeltunnel beherbergte ab 1942 Produktionsstätten von Rüstungsbetrieben. Noch bis 2011 begleiteten mulmige Gefühle die Fahrt durch die dunkle, über 600 Meter lange Röhre, danach wurde aufwendig saniert. Der sechsspurige Ausbau in den 1980er Jahren beseitigte die steilsten Abschnitte und engen Kurven am Aichelberg.  Der Drackensteiner Hang ist noch immer ein Nadelöhr, doch die Planungen für Erneuerungen laufen. Die alten Trassen sollen später als Land- und Freizeitstraßen erhalten bleiben.

Bilder von der Autobahn sowie den Orten Drackenstein und Wiesensteig finden Sie unter Eingabe der beiden Stichworte in die Suchleiste auf der Startseite von LEO-BW. Bilder vom Autobahnbau stellt das Landesarchiv BW, Standort Ludwigsburg zur Verfügung (s. Strukturansicht mit Gliederung nach Autobahnen und -abschnitten).

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