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Neapel, die Reichenau und der heilige Januar

Reliquienschrein des Januarius, Schatzkammer des Münsters St. Maria und Markus, Mittelzell; Quelle: Landesarchiv BW, Glasnegative Wilhlem Kratt GLAK 498-1 Nr. 818

Reliquienschrein des Januarius, Schatzkammer des Münsters St. Maria und Markus in Mittelzell; Quelle: Landesarchiv BW, Glasnegative Wilhlem Kratt GLAK 498-1 Nr. 818

Reliquien spielen heute eine untergeordnete Rolle. Lage Zeit verliehen sie Orten und Besitzern großes religiöses Gewicht und konnten damit auch die politische Bedeutung stärken. Ihre Geschichte erlaubt Rückschlüsse auf historische Entwicklungen und Beziehungen. Ein Beispiel ist der hl. Januarius, Märtyrer und Bischof in Benevent und Neapel, volkstümlich als heiliger Januar bezeichnet. Im Mittelalter zählten seine Reliquien zu den begehrtesten Stücken, die unter anderem auf die Reichenau gelangten. Anlass war der Besuch des Karolinger-Kaisers Lothars I., ältester Sohn Ludwigs des Frommen, im Jahr 838 auf der Insel. Ebenfalls in dieser Zeit und über Bischof Radolt von Verona waren die Reliquien des hl. Markus dorthin gekommen. Radolt hatte seine Ausbildungszeit auf der Reichenau verbracht und lebte ab 834 vorwiegend in dem von ihm gegründeten Radolfzell. Ein weiterer Beleg für die Wertschätzung des Januarius ist eine Reichenauer Handschrift, in der sowohl sein Martyrium geschildert wird, wie vermutlich auch der Erwerb von weiteren Stücken im Jahr 871. Diese sollen über einen Gefolgsmann von Lothars Sohn Ludwig II. in den Besitz der Reichenau gekommen sein, der sie nach der erfolgreichen Vertreibung von Sarazenen aus Süditalien mitbrachte. Neben dem Markusfest gehörte der St. Januarius-Tag bis ins 15. Jh. zu den Anlässen, die von den Chorherren in Niederzell und Oberzell festlich begangen wurden. Der spätmittelalterliche Januarius-Schrein ist eine der Kostbarkeiten, die in der Schatzkammer des Münsters St. Maria und Markus aufbewahrt werden.

Eine andere Spur des Januarius führt zur Benediktinerabtei St. Januarius in Murrhardt. Hier soll zunächst Pirmin, der Gründer Reichenau, in der ersten Hälfte des 8. Jh. die Errichtung einer Pfarrkirche bewirkt haben. Etwas später könnte unter der Walterich-Sippe, die zur fränkischen Reichsaristokratie gehörte, eine erste Mönchszelle entstanden sein. Um 817 gelang unter Abt Walterich und mit Unterstützung Kaiser Ludwigs des Frommen die Gründung des Benediktinerklosters. Aus Kontakten zur Reichenau resultierte um 840 das Januarius-Patrozinium.

Über den historischen Januarius, italienisch Gennaro, ist nur wenig bekannt. Er stammte aus einer hochrangigen Familie gleichen Namens und wurde unter Kaiser Diokletian um das Jahr 305 enthauptet. Bedeutsam ist heute das "Blutwunder des Januarius" an seiner ursprünglichen Wirkungsstätte in Neapel. Die von der katholischen Kirche als Volksbrauch tolerierte Zeremonie wird an drei Tagen im Jahr anhand von Ampullen vollzogen, die getrocknetes Blut von Januarius enthalten sollen. Einer der Tage ist der 16. Dezember als Gedenktag des großen Vesuvausbruchs von 1631. Wird der Inhalt der Ampullen nicht flüssig, gilt das als schlechtes Omen. Da das "Blutwunder" stets von einer großen Menschenmenge begleitet wird, ist eine Aufnahme ins UNESCO-Welterbe geplant.

Zum Weiterlesen:
Sebastian Bock: Das Markusgrab im Münster von Reichenau-Mittelzell, darin Kapitel VI: Zur Verehrung des Hl. Markus und zum Markuskult auf der Reichenau. In: Studien zur Kunst- und Kulturgeschichte am Oberrhein Band 3.

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