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Regionale Autonomie, „Alemannien“ oder warum Adenauer den Südweststaat nicht wollte

Die Vereidigung der neu gewählten Landesregierung von Baden-Württemberg am 19. November 1953 [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS J 302 Nr. 118]
Die Vereidigung der neu gewählten Landesregierung von Baden-Württemberg am 19. November 1953 [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS J 302 Nr. 118]

Am 25. April 1952 verkündete der DVP-Politiker Reinhold Maier, der kurz vorher von der Verfassungsgebenden Versammlung überraschend zum Ministerpräsidenten des neuen Landes Baden-Württemberg gewählt wurde: „Mit dieser Erklärung sind […] die Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern zu einem Bundesland vereinigt. […] Gott schütze das neue Bundesland.“

Der Weg bis dahin war lang und reich an Spannungen sowie heftigen öffentlichen Auseinandersetzungen. Überlegungen zur Vereinigung von Baden, Hohenzollern und Württemberg gab es bereits im 19. Jh. Sie wurden besonders während der Weimarer Republik eingehender diskutiert. Einer der prominentesten Vertreter war der liberale Theodor Heuss. Nach der willkürlichen Aufteilung des Gebiets in Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und (Süd-)Baden durch die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs war die Frage, wie es weitergehen sollte.

In der Bevölkerung wuchs der Wunsch nach Strukturen, die sich mehr an den historischen und geographischen Gegebenheiten orientierten. Die Neugliederung der Länder nach dem Zweiten Weltkrieg regelte das vom Parlamentarischen Rat bis 1949 ausgearbeitete Grundgesetz. Mit dem von Württemberg-Hohenzollern veranlassten Artikel 118 wurde eine Sonderregelung eigens für die Südweststaatsfrage geschaffen, was deren besonderen Stellenwert betont. Sie ermöglichten Vereinbarungen direkt zwischen den drei Ländern. Alternativ sah das Bundesgesetz eine Volksbefragung vor.

Ein starker und damit präsenterer Südweststaat versprach wirtschaftliche, administrative und politische Vorteile gegenüber der früheren Dreiteilung. Für Südbaden hingegen stand die Autonomie im Vordergrund, wie eine erste unverbindliche Volksbefragung im September 1950 bestätigte. Auch Bundeskanzler Adenauer war gegen den Südweststaat, da er um die Mehrheit im Bundesrat fürchtete.

Nach der Festlegung der Stimmbezirke und heftigen öffentlichen Debatten kam es schließlich im Dezember 1951 zur Abstimmung. Bei nur 60 Prozent Beteiligung sprachen sich 70 Prozent für den Gesamtstaat aus. Die bitter enttäuschten Altbadener wollten sich damit nicht abfinden. Daraufhin entschied das Bundesverfassungsgericht 1956, dass nochmals eine Volksabstimmung in Baden durchgeführt werden könne. Die Abstimmung, die allerdings erst im Juni 1970 stattfand, ergab mit 82 Prozent ein klares Votum für die Fortführung des bisherigen Kurses.

Reinhold Maier, dem ersten Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, war keine lange Amtszeit beschieden. Nach der Bundestagswahl im Oktober 1953 und parteipolitischen Auseinandersetzungen auf Bundesebene wurde er von seinem Kontrahenten Gebhard Müller abgelöst, der zusammen mit der CDU als Sieger aus den Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung vom März 1952 hervorgegangen war, was in der Regierung Maier jedoch keine Berücksichtigung gefunden hatte. Müller bildete die schon 1952 angestrebte Große Koalition, die die Ausarbeitung der Landesverfassung fortsetzte. Diese trat am 19. November 1953 in Kraft und bestätigte Baden-Württemberg auch offiziell als Bundesland.

Zu den autonomen Tendenzen, die sich in der unmittelbaren Nachkriegszeit entwickelt hatten, zählt die von Otto Felger - promovierter Jurist und als Historiker am Stadtarchiv Konstanz tätig - entworfene Schwäbisch-Alemannische Demokratie. Der Singener Bürgermeister Berhard Dietrich vertrat einen Alpen-Donau-Staat, der die Stämme der Alemann, Schwaben, Altbayern und Österreicher verbinden sollte. Mit nationalistischen Ideen hatten die Bestrebungen allerdings weniger zu tun. Maßgebend waren im Gegenteil antizentralistische Ziele und der Wunsch, sich gegen den alten preußischen Geist abzugrenzen. Sogar die französische Militärregierung war zunächst interessiert, fand jedoch wenig Unterstützung von den übergeordneten Stellen.

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