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Schante Klaas und wilde Klosa - Nikolausbräuche auf der Alb

Hl. Nikolaus, Skulptur im Münster von Überlingen. Die drei goldenen Äpfel stehen für die Heiligenlegende. Damit bewahrte Nikolaus drei arme Töchter vor der Sklaverei. Äpfel gehören deshalb zu den traditionellen Gaben am Nikolaustag. Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 498-1 Nr. 4019

In der 1880 veröffentlichten Beschreibung des Oberamts Balingen werden verschiedene Nikolausbräuche der Region erwähnt: Die Truchtelfinger pflegten das St. Nikolausschellen, das einmal weiter verbreitet war. Der „Niklasschimmel“ bekam abends einen Teller mit Hafer ans Fenster gestellt, worin die Kinder am nächsten Morgen Äpfel fanden. Der „Schante Klaas“ in Balingen verteilte schon damals gebackene Hanselmänner und in Ebingen sowie Winterlingen war am Nikolaustag Bescherung, die Kinder erhielten Geschenke.

Eine 80 Jahre später entstandene Sammlung zu Bräuchen, Festen, Sagen und Traditionen, die in Vorbereitung der Amtlichen Kreisbeschreibung für den damaligen Landkreis Balingen in Auftrag gegeben wurde, ermöglicht einen tieferen Einblick zum Ablauf des Nikolaustags. Vieles davon gehörte zu dem Zeitpunkt der Vergangenheit an, besonders in industriell geprägten Gemeinden. Während einige Orte keine besonderen Bräuche pflegten, gingen in anderen nicht näher beschriebene Personen „ge' kl ausa“. Die mit dem Fest verbundenen Figuren erscheinen in unterschiedlicher Form, entweder einzeln oder in Gruppen, in guter oder schreckenerregender Gestalt. Ebenso zahlreich wie die lokalen Dialektfärbungen sind die Namen. Die guten Kläuse, die in den Orten „herumgehen“, treten als „Klosa“ in Nusplingen und Roßwangen hervor oder als der „Glaos“ von Ratshausen. Im Balinger Ortsteil Heselwangen machten die „Sante Glos“ die Runde. In Burgfelden kam der „Schanteklos“ im weißen Hemd und umgehängten Schellenriemen. In Dotternhausen erschien der ebenfalls weißgekleidete „Heilig“ und las aus einem Buch vor. Auch früher brachten die Kläuse Äpfel, Nüsse und kleine Geschenke. Sie konnten auch von Paten oder anderen Verwandten übergeben werden. Manchmal begleitete ein Ruprecht den Klaus oder ein schwarzgekleideter Knecht, wie in Dautmergen, Dormettingen oder Roßwangen. Von Dotternhausen wird berichtet, dass der schwarzgekleidete Ruprecht fest zuschlagen konnte. Noch furchteinflößender war der „Rolla-Määrte“ von Leidringen, der in Verkleidung mit Maske und einer Schelle auftrat. Wild um sich hauend agierte er als Schreck für Groß und Klein. Ähnliches ist aus Obernheim überliefert, wo es hieß „Jetzt kommad de wilda Sante Klosa!“ In Onstmettingen hingegen verkleideten sich die Kinder als „Santi Klaas“ und liefen durch die Straßen, bevor am Abend zuhause der große „Santi Klaas“ mit Gabensack und Rute einkehrte. In Rosenfeld scheint das Schellenlaufen der Buben bis in die Mitte des 20. Jh. beliebt gewesen zu sein. Sie hängten sich Kuh- und Geißenschellen sowie „Pferderollen“ um. Das Gebimmel erschallte in den Gassen, die damals kaum von Verkehrslärm erfüllt waren.  

Trotz vieler gemeinsamer Merkmale treten die besonderen Ausprägungen in den Gemeinden hervor bis hin zu urtümlichen, an vorchristliche Zeiten erinnernde Formen. Aus der kollektiven Erinnerung verschwunden ist das ebenfalls in die Weihnachtszeit fallende „Pfeffern“, das einige der Berichten aufführen. Dieser in vorwiegend katholischen Gegenden beheimatete Heischebrauch entstand im Zusammenhang mit dem Tag der unschuldigen Kindlein am 28. Dezember und erinnert an die Abläufe am Nikolaustag. Es war üblich einen Spruch aufzusagen, symbolische Hiebe mit Ruten auszuteilen und Gaben einzusammeln. Weil das „Pfeffern“ als Bettelei von Erwachsenen eingestuft wurde, bemühte sich die Obrigkeit schon im 19. Jh. um Eindämmung. Gemäß der Berichte war das Pfeffern noch in Endingen, Rosenfeld und insbesondere Ratshausen als „Pfefferrässen“ lebendig sowie in Dautmergen, wo es den Kindern vorbehalten blieb.

Mehr über alte Bräuche in und um Balingen finden Sie in den Heimatkundlichen Blättern für den Kreis Balingen, Stichwort „Volkskundliche Überlieferung im Kreis Balingen“, veröffentlicht auf der Homepage der Heimatkundlichen Vereinigung Zollernalb e.V. (Jahre 1958-60) https://bit.ly/3OU2spQ. Zur Beschreibung des Oberamts Balingen gelangen Sie hier https://bit.ly/3H5q2hl

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