null

Schmerzliche Erkenntnisse – Heroin, Aspirin und die Forschungsgeschichte

Aspirin als „Spezialpackung für Deutschland“, Quelle Deutsches Apothekenmuseum Heidelberg/ Wikimedia Commons
Aspirin als „Spezialpackung für Deutschland“, Quelle Deutsches Apothekenmuseum Heidelberg/ Wikimedia Commons

Der Chemiker Felix Hoffmann wurde am 21. Januar 1868 in Ludwigsburg geboren. Hier verbrachte er seine Kindheit und Schulzeit. Nach Anfängen als Apotheker in Deutschland und der Schweiz sowie dem Studium der Pharmazie und Chemie ab 1889 in München arbeitete Hoffmann nach seiner Promotion bei Bayer, wo er 1894 eintrat und 1929 mit der Pensionierung ausschied. 1899 wurde er dort mit der kaufmännischen Leitung betraut. Ein Arbeitsleben ohne Besonderheiten? Der Eindruck könnte entstehen, doch da waren die ersten Jahre im Bayer-Laboratorium, als Hoffmann an der Entwicklung neuer Medikamente forschte.

Dazu gehörte Morphin, aus dem der Wirkstoff Diacetylmorphin hergestellt wurde. Das Mittel erhielt den Markennamen Heroin, den Bayer 1898 gesetzlich schützen ließ. Es wurde bei schwerem Reizhusten, Tuberkulose und anderen Krankheiten eingesetzt, die eine sedierende Wirkung erforderlich machten. Schon kurze Zeit nach der Markteinführung wurde bekannt, dass der Stoff zu schwerer Abhängigkeit führte, besonders bei intravenöser Gabe. In den USA nutzten ihn viele Morphin- und Opiumsüchtige. Anfang der 1930er Jahre stellte Bayer Produktion und Verkauf ein.

Einem anderen Produkt war mehr Erfolg beschieden. 1897 konnte bei Bayer erstmals Acetylsalicylsäure in reiner Form gewonnen werden, kurz ASS, Markenname Aspirin. Aspirin und Heroin unterliegen bei der Herstellung ähnlichen Verfahren. Während der Entwicklungsphase des ASS liefen in den Laboren Versuchsreihen, an denen der Chemiker Arthur Eichengrün maßgeblichen Anteil hatte. Im August 1898 meldete Bayer das Patent in den USA an. Begründung, Beschreibung und Abgrenzung gegenüber anderen Produkten stammten von Felix Hoffmann. Vor allem ihm wurde der Verdienst um das ASS zugeschrieben, daneben dem ebenfalls bei Bayer tätigen Heinrich Dreser. Felix Hoffmann starb 1946.

1949 legte Eichengrün seine Anteile an den Forschungs- und Zulassungsarbeiten des ASS in einer Veröffentlichung dar, starb jedoch im selben Jahr im Alter von 82 Jahren. Eichengrün, geboren 1867 in Aachen, hatte bei Boehringer gearbeitet und dort an Kokain geforscht. 1908 verließ er Bayer, um sich mit der Entwicklung von Kunststoffen selbstständig zu machen. Das Unternehmen des gebürtigen Juden wurde Ende der 1930er Jahre arisiert. Eichengrün entging zunächst der Verfolgung, wurde dann aber wegen eines geringfügigen Vergehens nach Theresienstadt deportiert, wo er über ein Jahr verblieb und glücklicherweise überlebte.

Die Zuschreibung der Entwicklung des ASS konnte bislang nicht restlos geklärt werden. Unbestritten ist jedoch Eichengrüns wesentliche Rolle, ebenso seine Rolle bei Bayer, wo er nach Zulassung des Medikaments die Leitung der pharmazeutischen Labore übernahm. Unbestritten sind außerdem die Repressalien gegen ihn und die Unterschlagung seiner Forschungsarbeiten während der NS-Zeit.

Zum Weiterlesen: Elisabeth Vaupel, Lorbeer für Eichengrün. Hommage an einen vergessenen jüdischen Chemiker. In: Kultur & Technik - das Magazin aus dem Deutschen Museum 1/2005, S. 44-50.

00

Weitere Blogeinträge

Suche

LEO-BW-Blog

Logo LEO-BW-Blog

Herzlich willkommen auf dem LEO-BW-Blog! Sie finden hier aktuelle Beiträge zu landeskundlichen Themen sowie Infos und Neuigkeiten rund um das Portalangebot. Wir freuen uns auf Ihre Kommentare zu den einzelnen Posts.

Über den folgenden Link können Sie neue Blog-Beiträge als RSS-Feed abonnieren: 

https://www.leo-bw.de/web/guest/blog/rss