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Urkundenfälschung im Mittelalter

 Gefälschte Urkunde 813[Quelle: Quelle: Landesarchiv BW; HStAS H 51 U 1]
Kaiser Karl der Große schenkt seine regalis villa Ulm an das Kloster Reichenau, bestellt mit Bewilligung des Abts und der Mönche daselbst seinen Verwandten Adalbert zum Schutzvogt in Ulm und bestimmt zugleich das Rechtsverhältnis, in welchem künftig diese Schutzvögte zum Kloster stehen sollen. [Quelle: Landesarchiv BW; HStAS H 51 U 1]

Fake News, Desinformation und gefälschte Dokumente sind insbesondere in momentanen Zeiten ein hochaktuelles Thema. Lassen sich Falschinformationen oder gefälschte Dokumente heute jedoch relativ schnell entlarven, so sah das im Mittelalter ganz anders aus. Bis mittelalterliche Urkundenfälschungen als solche enttarnt waren, hat es oft Jahrhunderte gedauert. Es ist sogar davon auszugehen, dass noch in zahlreichen Archiven eine stattliche Anzahl an Urkunden verwahrt wird, deren Echtheit bisher nicht hinterfragt wurde, die aber vor Hunderten von Jahren gefälscht wurden.

Die Motive hinter den mittelalterlichen Urkundenfälschungen waren unterschiedlich. Neben der bewussten Fälschung im heutigen Sinn stehen Fälle, in denen man durch Rekonstruktion verloren gegangener Texte dem Recht Geltung verschaffen wollte.

Ein Beispiel für eine besonders gelungene Urkundenfälschung stammt aus dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Lange Zeit galt die Urkunde aus dem Jahr 813 als eine der ältesten, im Hauptstaatsarchiv Stuttgart verwahrten Pergamenturkunden, bis man herausfand, dass es sich um eine Fälschung eines Reichenauer Mönchs auf Kaiser Karl den Großen handelte. Es ging dabei um die Sicherung der Rechte und Besitzungen der alten Benediktinerabtei Reichenau, um deren politische und kirchliche Bedeutung wieder anzuheben. Der Fälscher Ulrich von Dapfen (Odalrich) war noch für eine Reihe weiterer Falsifikate verantwortlich. Der Urkundentext wurde überschrieben über ein radiertes Original Ludwigs des Deutschen, des Enkels Karls des Großen, aus der Zeit um 850/860. Von diesem Original wurden nur das Rekognitionszeichen, das Beglaubigungszeichen des Kanzlers, und das Siegel Ludwigs des Deutschen belassen. Der ursprüngliche Text war um mehr als die Hälfte kürzer; je einer Textzeile entsprechen zwei Zeilen der Fälschung. Das eigentlich starke Pergament ist wegen der tiefen Rasur an mehreren Stillen durchrissen. Wahrscheinlich stand über der radierten Urkunde Ludwigs des Deutschen früher schon eine andere Fälschung, die von Odalrich für seine Zwecke nochmals getilgt wurde. Die Rekognition, der Beglaubigungsvermerk (Ego Ernestus cancellarius ...), ist eine freie Erfindung Odalrichs. 

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