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Zur Geschichte der jüdischen Ritualbäder in Baden-Württemberg

 Breisach am Rhein, FR; Blick vom Synagogengäßle (jetzt Klösterle) auf die Mikwe und die Synagoge, Bild 1 [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 177]
Auch in Breisach am Rhein wurde 1804 eine Synagoge mit angebauter Mikwe errichtet. Breisach am Rhein, FR; Blick vom Synagogengäßle (jetzt Klösterle) auf die Mikwe und die Synagoge, um 1935, Bild 1 [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 177]

Das hebräische Wort מקוה (mikwe, Pl. mikwaʾot) bezeichnet eine Ansammlung von Wasser und wird in diesem Zusammenhang schon in der biblischen Schöpfungsgeschichte verwendet: "Und Gott nannte das Trockene Erde und die Sammlung [mikwe] der Wasser nannte er Meere, und Gott sah, dass es gut sei."4 (Gen 1,10).

Heute versteht man unter einer Mikwe ein nach speziellen Vorschriften angelegtes rituelles Tauchbad. In Deutschland existieren Mikwen seit der Gründung jüdischer Gemeinden im Mittelalter. Die Voraussetzungen, die für den Bau eines Ritualbads vorhanden sein mussten, waren Quellwasser oder Grundwasser und eine Tiefe, die ein vollständiges Untertauchen ermöglichen sollte.

Konnten früher noch prächtige Monumentalmikwen, wie sie heute nur noch in Speyer, Worms oder Köln erhalten sind, entstehen, so mussten im Laufe der Jahrhunderte durch die zunehmenden Pogrome, die Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus dem urbanen Raum und die Katastrophe der Pestverfolgungen 1348/49 vor allem kleine, schmucklose Räumlichkeiten, die sich zumeist im Kellergeschoss eines jüdischen Privathauses (teils auch von christlichen Häusern) befanden, die großen Tauchbäder ersetzen.

Ein zusammenhängender Baukomplex von Mikwe und Synagoge wurde erst ab dem 18. Jahrhundert üblich. Beispiele solch kleinerer Mikwen, über die meist nachträglich eine Synagoge gebaut wurde, finden sich in Baden-Württemberg noch an mehreren Orten. So wurde beispielsweise die Alte Synagoge in Eppingen 1731 über der Mikwe Jordanbad erbaut, die bereits im frühen 16. Jahrhundert entstanden war. Das rituelle Tauchbad, gespeist aus der nahe gelegenen Elsenz, ist eines der am besten erhaltenen in Baden-Württemberg. Auch heute noch weisen die symbolisch angedeutete Thorarolle über dem Eingang und ein farbiger Hochzeitsstein an der Außenfassade des Gebäudes auf seine einstige Nutzung als Synagoge hin. 1873 wurde die neue Synagoge in der Kaiserstraße gebaut. Die Eppinger Alte Synagoge wechselte in den darauf folgenden Jahren mehrfach die Besitzer, die das Jordanbad zuschütteten und als Vorratskeller nutzten. Die Mikwe geriet in Vergessenheit. Erst 1976 wurde sie durch einen Zufall wiederentdeckt. Nach den notwendigen Renovierungsarbeiten konnte 1985 eine Gedenkstätte mit Museum im Jordanbad eingerichtet werden.

Ein weiteres im Original erhaltenes Ritualbad befindet sich im Kellergeschoss des Jüdischen Museums Gailingen.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts kam es in verschiedenen Staaten des Deutschen Bundes, darunter auch in Baden und Württemberg, zu Diskussionen um den gesundheitlichen Nutzen und die hygienischen Standards der Mikwen. Die Diskussionen erwuchsen zwar in erster Linie aus medizinischen Bedenken, waren jedoch nicht frei von regulatorischen Absichten, die im Zusammenhang mit staatlicher Kontrollausübung zu sehen sind. Doch auch die jüdischen Gemeinden selbst setzten sich zunehmend für die Reformierung der Tauchbäder ein. So wies im Jahr 1820 das Ministerium des Innern auf Empfehlung des Israelitischen Oberrats Baden die jüdischen Gemeinden an, die Baderäume und das Badewasser ihrer Ritualbäder beheizbar zu machen. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits (vor allem in größeren Städten mit wohlhabenderen Gemeindemitgliedern) schon Mikwen, in denen das Wasser vor Ort gewärmt werden konnte. In Baden wurden beispielsweise 1822 die Anlagen von Karlsruhe und Bruchsal als vorbildlich genannt.

Starke Impulse erhielt die Modernisierung der Mikwe außerdem durch die Schrift des jüdischen Arztes Moritz Mombert (1799 – 1859). Seine Schrift „Das gesetzlich verordnete Kellerquellenbad der Israelitinnen“ von 1828 wurde sogar von den Regierungen mancher Staaten zur Kenntnis genommen und Ausgangspunkt für behördliche Kontrollen und Verordnungen.

Die (Um-)Baugeschichte zahlreicher Mikwen verdeutlicht beispielhaft das Bemühen vieler jüdischer Gemeinden staatliche Vorgaben und religiöse Vorschriften mit ihren oft begrenzten finanziellen Mitteln in Einklang zu bringen.

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