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Zur Geschichte des Jordanbads in Biberach

Vom Spitalbad bis zur Kneipp'schen Anstalt und zum Kibbuz

Zeichnung des Badhauses anlässlich der Einrichtung eines Tropfbads im Jordanbad, 1818, Quelle: Gebäude- und Güterverwaltung der Stiftungs- und sonstigen Pflegen, Oberamt Biberach, Landesarchiv BW, StAL E 179 II Bü 2158, Bild 289 https://bit.ly/3mvJ88m

Schon bevor sich das Jordan-Bad Ende des 19. Jh. auf die damals innovativen Kneipp’schen Anwendungen spezialisierte, war hier ein privates Badhaus eingerichtet. Die Eigentümer hatten die Einrichtung vom Biberacher Spital erworben, dem es lange Zeit unterstanden hatte. 1298 hieß der Weiler noch Wasacherhof. Eine Urkunde aus diesem Jahr bestätigt, dass die Brüder Diepold und Ulrich, Grafen von Aichelberg, dem Heiliggeistspital in Biberach den Hof eignen, den es von den Herren von Essendorf gekauft hat. Der erste Nachweis für ein Bad stammt aus dem Jahr 1470. Der Name „Jordan“ erscheint erstmals 1510 in den Unterlagen des Spitals, vermutlich im Zusammenhang mit der Heilung Naamans im Fluss Jordan.

Im Dreißigjährigen Krieg kam der Badebetrieb fast vollständig zum erliegen. Danach taucht der Name „Jordan“ ein zweites Mal auf in Gestalt eines schwedischen Oberst, der den Wiederaufbau angeregt haben soll. Ein weiterer Fürsprecher war der Arzt und „Physikus“ Salomon Braun, der 1673 auch die Schrift „Teutscher Jordan, oder Biberacher Bad“ veröffentlichte. Nach seiner und der Beschreibung von 1826 durch den Biberacher Oberamtsarzt Hofer, gehörten zu den bis in die Mitte des 17. Jh. bestehenden Einrichtungen ein Brunnen-, ein Kessel- und mehrere Badhäuser, ferner ein Wirtshaus und eine Kapelle, die bis heute erhalten ist. Die von Hofer beschriebene Ausstattung nach Umbau von 1816/17 wird auch gemäß heutiger Maßstäben gerecht. So befanden sich im ersten Obergeschoss des steinernen Badhauses rund zwei Dutzend neue „Bad-Cabinette“. Das Wasser konnte von einer „Brunnen-Säule“ gezapft werden. Im zweiten und dritten Obergeschoss waren jeweils fünf beheizbare Zimmer eingerichtet, ferner ein Tropfbad im zweiten Stock. Die hier angebrachte Apparatur ermöglichte es, eine Art Wassermassage zu verabreichen. Die Zimmer in einem weiteren, ganz neuen Gebäude waren sogar mit eigenen Wasseranschlüssen ausgestattet. Auch an die ärmere Bevölkerung wurde gedacht mit einem eigenen, 12 Wannen umfassenden Bad, ferner Küche und Aufenthaltsräume. In den Unterlagen der „Gebäude- und Güterverwaltung der Stiftungs- und sonstigen Pflegen im Oberamt Biberach“ haben sich Pläne erhalten, auf denen die „Badezimmer“ und das Tropfbad abgebildet sind.

Die Anwendungen sollten zu Linderung insbesondere bei Frauenbeschwerden, Stoffwechselstörungen, Rheuma und Gicht verhelfen. Das Bad wurde sowohl von Kurgästen, die längeren Logieraufenthalt nahmen, als auch von Tagesbesuchern genutzt. In den 1880er Jahren drohte das Ende des wenig rentablen Badebetriebs, worauf es die Franziskanerinnen des Klosters Reute übernahm. Der Ausbau im Sinne von Kneipp kam durch Dr. Johann Nepomuk Stützle zustande, fürstlich- wolfegg‘scher Leibarzt und späterer Leiter der Einrichtung. Er hatte sich persönlich in Wörishofen unterrichten lassen, das einen wahren Ansturm an Besuchern erlebte. Auch das Jordanbad wurde von Gästen aus dem In- und Ausland gut angenommen. In den folgenden Jahren entstanden An-, Um- und Neubauten, so eine Winterwandelhalle und ein Kurhaus.  

Nach dem Zweiten Weltkrieg richtete die französische Militärregierung ein Camp für Displaced Persons auf dem Gelände ein. Neben den Lagern in Gailingen und Kißlegg waren hier bis 400 Personen vorwiegend jüdischer Herkuft untergebracht, die mit dem Aufbau eines provisorischen Kibbuz begannen. Neben Schulungen in hebräischer Sprache, Palästinakunde und Geschichte gab es Kurse in praktischen Fähigkeiten, die auf das Leben in Israel vorbereiten sollten. Ab 1947 verließen die ersten Gruppen mit diesem Ziel das Lager. Andere reisten in die USA aus. 1950 erhielten die Franziskanerinnen die Einrichtung zurück.

Zum Weiterlesen:

Beschreibung des Oberamts Biberach (Kapitel B9, Bergerhausen, S. 111)

Flad, Max, Pfarrer Kneipp und das Jordanbad. Gründung und erste Jahre der Wasserheilanstalt, in: Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach 4/2 (1981) S. 26-31, aufgerufen am 07.03.2023 (externer Link)

Biberach – Schwäbisches Sanatorium Jordanbad verwandelte sich in Kibbuz, in: Website „after the shoah“, Informationen über alle jüdischen DP-Camps und Communities in den westlichen Besatzungszonen nach 1945, aufgerufen am 07.03.2023 (externer Link)

 

 

 

 

 

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