Bis vor einigen Jahren wehte den Reisenden am Ludwigsburger Bahnhof der Duft von Getreidekaffee entgegen, der in der unmittelbaren Nachbarschaft produziert wurde. Angefangen hatte alles mit Johann Heinrich Franck in den 1820er Jahren. Durch die Befreiungskriege war er nach Frankreich gekommen und hatte die Herstellung von Ersatzkaffee kennengelernt. Die Bezeichnung „Mocca faux“, also „falscher Kaffee“, ging als Muckefuck in den deutschen Sprachgebrauch ein. Nach seiner Rückkehr eröffnete Franck einen Kolonialwarenladen in Vaihingen an der Enz und begann mit Rezepturen zu experimentieren. Einige Jahre später konnte der Ersatzkaffee in größeren Mengen verkauft werden. Franck traf mit diesem preiswerten Getränkegrundstoff auf einen wachsenden Markt. Die Produktion expandierte und in den 1870er Jahren belegte die Firma „Heinrich Franck Söhne OHG“ mehr als 50 Gebäude in Vaihingen. Ab den 1860er Jahren entstanden die Werke in Ludwigsburg, dazu Stätten im Ausland.

Doch nicht nur Franck nutzte das Potenzial von Ersatzkaffee. In Heilbronn gab es Mitte des 19. Jh. mehrere Fabriken, in denen Zichorien verarbeitet wurden. Eine davon gehörte Emil Seelig, der mit der Marke „Seelig's kandierter Kornkaffee“ seinen größten Erfolg erzielen konnte. 1867 veröffentlichte der Bezirksrabbiner einen Prüfbericht, wonach in einigen Heilbronner Zichorien-Röstereien Schweineschmalz und andere tierische Produkte verwendet wurden, die nicht den koscheren Vorschriften entsprachen. Daraufhin überwachte der Vorsänger der israelitischen Gemeinde die Herstellung und die Unbedenklichkeit wurde öffentlich bestätigt. Nach der Jahrhundertwende stieg Franck als mehrheitlicher Teilhaber bei Seelig ein. Carl Heinrich Knorr war in den 1830er Jahren nach Heilbronn gekommen und stellte Zichorienkaffee her, der Mandeln oder Eicheln enthielt. In den 1850er Jahren musste er den Betrieb, der zu den größten in Heilbronn gehörte, aus gesundheitlichen Gründen einstellen und begann zehn Jahre später zusammen mit seinen Söhnen, sich auf Lebensmittel und Suppenextrakte zu spezialisieren. Die Franck‘ sche Produktion überstand die beiden Weltkriege. In den 1950er Jahren kam die beliebte Marke mit der roten Raute in die Läden, bis heute erhältlich ist. Die Werke in Ludwigsburg, nun unter der Regie eines der großen internationalen Lebensmittelkonzerns, stellten 2018 den Betrieb ein.

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1842 veröffentlichte Berthold Auerbach mit Der Tolpatsch die erste seiner Schwarzwälder Dorfgeschichten. In den folgenden 40 Jahren entstanden insgesamt 27 Texte, die anhand der Charaktere der handelnden Personen das Leben in Auerbachs Heimatdorf Nordstetten porträtieren. Der Ort gehört heute zur Gemeinde Horb am Neckar und liegt mehr am Rand als direkt im Schwarzwald. Eine mögliche Erklärung ist die Zugehörigkeit der damaligen Oberamtsstadt Horb zum Schwarzwaldkreis, einer Verwaltungseinheit des Königreichs Württemberg. Mitte des 19. Jh. bildeten die rund 350 jüdischen Einwohner von Nordstetten zusammen mit den benachbarten Landgemeinden einen regionalen Schwerpunkt. Hier wurde eine der ersten jüdische Elementarschule des 19. Jh. in Württemberg eröffnet. Berthold Auerbach kam 1812 als Moses Baruch Auerbacher zur Welt. Auf Wunsch seiner Familie sollte er Rabbiner werden und besuchte zunächst die Talmudschule in Hechingen, später wechselte er nach Karlsruhe. Er absolvierte die für das Studium benötigte Aufnahmeprüfung in Stuttgart und schrieb sich an der Uni Tübingen ein, wo er als einziger Student jüdische Theologie belegte. Weil er der verbotenen Burschenschaft Germania angehörte stand er unter polizeilicher Beobachtung und musste seinen Studienort mehrmals verlegen. Strafen und schließlich die Verbüßung einer Haft auf dem Hohenasperg 1837 machten die Rabbinerlaufbahn unmöglich. Bereits einige Jahre zuvor hatte Auerbach, auch aus finanziellen Gründen, mit der Veröffentlichung von Texten begonnen. Die Dorfgeschichten, die eine eigene literarische Gattung bilden, wurden durch seine Schilderungen überaus populär und erreichten innerhalb kurzer Zeit eine internationale Leserschaft. Dazu mag die differenzierte, naturalistische Darstellungsweise beigetragen haben, die Stereotype vermeidet und den Menschen ihre Würde lässt. Das Material bezog Auerbach, der fern der Heimat lebte und auch den Wohnsitz öfter wechselte, von seinem ehemaligen Dorfschullehrer. Ähnlich wie Honoré de Balzac in seinem Romanzyklus Die menschliche Komödie, wollte Auerbach ein detailliertes Gesellschaftsbild wiedergeben, wobei er das dörfliche, volkstümliche Leben in den Mittelpunkt stellte. Typisch sind die wiederkehrenden Figuren, deren Wege sich im Verlauf der Geschichten kreuzen. Obwohl er den Dialekt nicht in den Mittelpunkt seiner schriftstellerisch Arbeit stellte, knüpfte Auerbach bewusst an Johann Peter Hebel an und verflocht viele originale Ausdrücke in seine Werke. Auerbach verstand sich als Volksaufklärer, der die einfacheren Leute erreichen wollte. Eine seiner erfolgreichsten Veröffentlichungen ist das 1856 erschienene Barfüßele.

Auerbach, der zu einem der bekanntesten deutschen Schriftsteller des 19. Jh. wurde, ließ sich Ende der 1850er Jahre in Berlin nieder. Als demokratisch gesinnter Vertreter eines liberalen, emanzipierten Judentums mit patriotischen Zielen sah er sich im höheren Lebensalter mit zunehmendem Antisemitismus und dem Scheitern seiner Ideale konfrontiert. Gesundheitlich geschwächt starb Auerbach am 8. Februar 1882 während eines Klinikaufenthaltes in Cannes. Einige Wochen später wurde er auf dem jüdischen Friedhof von Nordstetten beigesetzt. Durch den Nationalsozialismus geriet die Bedeutung Auerbachs in Vergessenheit. Seit den 1980er Jahren befindet sich im Schloss von Nordstetten eine Dauerausstellung, die von der Arbeitsstelle für Literarische Museen in Marbach betreut wird, s. dazu auch die Gedenkstätten in Baden-Württemberg.

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 Eberhard im Bart und Barbara Gonzaga aus Mantau, Sakristeifenster [Copyright: Landesmedienzentrum Baden-Württemberg]

Eberhard im Bart und Barbara Gonzaga aus Mantau, Sakristeifenster [Copyright: Landesmedienzentrum Baden-Württemberg]

Barbara Gonzaga von Mantua (1455 – 1503) besitzt als erste Herzogin von Württemberg besondere Bedeutung für die württembergische Geschichte.

Nach langjährigen Verhandlungen und einer großen Anzahl von Heiratskandidaten wurde im April 1474 in Mantua die Ehe zwischen Barbara Gonzaga und Graf Eberhard von Württemberg geschlossen. Der pompöse Brautzug Barbaras mit mächtigem Gefolge und kostbarem Brautschatz zu ihrem Bräutigam nach Württemberg erregte großes Aufsehen, und Eberhards Residenzstadt Urach putzte sich für das prächtige Fest, das sich dann ab dem 3. Juli 1474 über mehrere Tage lang hinziehen sollte. Die Hochzeitsfeierlichkeiten in Urach gerieten zu einer großartigen Demonstration fürstlichen Selbstverständnisses des Bräutigams, dessen Stolz auf seine Ehefrau und neue Verwandtschaft mit einem ungeheuren logistischen, wirtschaftlichen und künstlerischen Aufwand zur Schau gestellt wurde. Die Organisation der Uracher Hochzeit, ihr Programm, ihre Gäste und deren Bewirtung bieten einen eindrucksvollen Einblick in die spätmittelalterliche Festkultur am württembergischen Hof, die hier in ihre Blüte stand.

Der Münsinger Vertrag von 1482 beendete die 40jährige Teilung Württembergs. Die Regierung übernahm Eberhard im Bart, der seinen Hof nun von Urach nach Stuttgart verlegte. Stuttgart wurde damit wieder zur Haupt- und Residenzstadt der Grafschaft und das "Alte Schloss" beherbergte die Höfe Eberhards und seines Cousins Eberhards des Jüngeren mit ihren Gattinnen Barbara und Elisabeth nebeneinander. Die gräfliche Hofhaltung gestaltete sich damit nach der Wiedervereinigung der beiden Landesteile deutlich aufwändiger. Feste wie das Stuttgarter Turnier von 1484 boten die Gelegenheit, durch höfische Prachtentfaltung die herausragende Position des Herrschers und dessen Wohlstand vor Augen zu führen. Mit der Herzogserhebung Eberhards im Bart durch den König 1495 fand der fürstliche Anspruch der Württemberger dann seine reichsrechtliche Anerkennung und die politischen Erfolge Eberhards erhielten ihren glänzenden Höhepunkt. Barbara, die damit als Gemahlin Eberhards im Bart zur ersten Herzogin aufgestiegen war, trat als politisch agierende Fürstin jedoch kaum in Erscheinung. Umso bemerkenswerter ist ihr Engagement für die gemeinsam mit ihrem Mann betriebene Kirchenreform, vor allem in Hinblick auf das Dominikanerinnenkloster in Kirchheim unter Teck.

Am 30. Mai 1503 verstarb Barbara Gonzaga, geborene Markgräfin von Mantua, Herzogin-Witwe von Württemberg, in Böblingen. Von ihren Todesumständen ist nichts Genaueres bekannt. Barbara hatte sich als ihre letzte Ruhestätte das Dominikanerinnenkloster in Kirchheim unter Teck gewählt, nicht das Grab an der Seite ihres Mannes Eberhard im Stift Einsiedel. Bei den Kirchheimer Nonnen, die sie in ihren Reformbemühungen so unterstützt hatte und mit denen sie gemeinsam ihre Andacht pflegte, wurde sie in der Klosterkirche bestattet. Barbara hatte sowohl mit frommen Stiftungen in Kirchheim wie etwa auch in der Stiftskirche ihrer frühen Residenz Urach für ihr Seelenheil und Gebetsgedenken gesorgt und konnte die Pflege ihrer Memoria in guten Händen wissen. Freilich hatte sie keine leiblichen Nachkommen, die sich darum kümmern konnten, und schon schnell entbrannte der Streit um ihr reiches Erbe zwischen ihrer Familie in Mantua und dem Herzog Ulrich von Württemberg. Dieser wollte nicht einmal den Grabstein für Barbara finanzieren und ließ ihre wertvollen Kleinodien, Gold- und Silberschmuck zur Auszahlung seiner Erbschulden einsetzen. Auch von Barbaras Grab in Kirchheim ist kaum etwas geblieben: Nach der Reformation und der Aufhebung des Kirchheimer Dominikanerinnenklosters sind Kirche und Klostergebäude nach und nach verschwunden. Nur einzelne archäologische Beobachtungen und Funde vom ehemaligen Klosterareal zeugen noch von der einstigen gehobenen Ausstattung des Klosters und der Grablege der Barbara Gonzaga. Mehr erfahren Sie in der Online-Ausstellung "Von Mantua nach Württemberg: Barbara Gonzaga und ihr Hof".

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 Stuttgart: Staatsbesuch von Queen Elizabeth II. 1965 [Copyright: Landesmedienzentrum Baden-Württemberg; 24.05.1965]

Stuttgart: Staatsbesuch von Queen Elizabeth II. 1965 [Copyright: Landesmedienzentrum Baden-Württemberg; 24.05.1965]

Zwischen dem 18. und 28. Mai 1965 besuchte Königin Elisabeth II. 20 Orte in Deutschland. Der Besuch war die erste Visite eines Vertreters der britischen Monarchie in Deutschland seit 1909. Unterwegs waren die Queen und ihr Ehemann in einem Sonderzug der deutschen Bahn, der zugleich als Residenz diente. Lediglich für eine Schifffahrt auf dem Rhein und für den Besuch in Berlin wurde auf den Sonderzug verzichtet.

Von Medien und Öffentlichkeit wurde der Staatsbesuch der Queen als Jahrhundert-Ereignis gefeiert. Besonders in Baden-Württemberg, denn hier galt es Verwandte ihres Mannes, Prinz Philip, zu besuchen. Von Schloss Salem, wo Prinz Philip zur Schule gegangen war, führte die Reise über Stuttgart, die Schillerstadt Marbach und Schwäbisch Hall nach Langenburg. Die Queen adelte die Stationen ihres Besuches und machte sie weltbekannt. So auch die "Langenburger Wibele", eine Gebäckspezialität, und Schloss Langenburg. Der damalige Bürgermeister Fritz Gronbach war so mutig, mit einem Englisch-Kauderwelsch der Queen eine Portion Wibele zu überreichen. Die amüsante Rede kann man heute als auf Youtube ansehen.

Zu den wohl  hartnäckigsten Legenden, die sich um den ‚Jahrhundertbesuch‘ der Queen ranken, gehört ihre anscheinende Verwirrung angesichts eines Besuchs in Marbach am Neckar. "Where are the horses?" soll die Queen gefragt haben, als sie durch das Literaturmuseum geführt wurde und nicht durch das 75 Kilometer entfernte Marbach, das für sein Gestüt bekannt ist. Tatsächlich aber handelte es sich bei dieser Anekdote um eine Zeitungsente.

 

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 Votivgabe: Augenpaar [Quelle: Landesmuseum Württemberg]

Votivgabe: Augenpaar [Quelle: Landesmuseum Württemberg]

Sogenannte Votivgaben sind seit dem 18. Jahrhundert eng mit der Wallfahrtstradition verbunden. Das Wort Votivgabe selbst leitet sich vom lateinischen Votum (Versprechen) ab und bezeichnet symbolische Opfer. Votivgaben wurden also als Bitte um Erlösung von Schmerzen oder als Dank für erlangte Hilfe zu sogenannten Gnadenorten, häufig Wallfahrtsstätten, getragen. Das Wallfahrtswesen war früher – vor allem in der katholischen Bevölkerung – weit verbreitet. Wallfahrtsorte wurden und werden aufgesucht, um dort durch Gebet um Heilung von Krankheiten zu erbitten. Für die Allgäuer waren beispielsweise Maria Steinbach, die Wieskirche, Maria Einsiedeln u.a. beliebte Wallfahrtsorte.

Wachsopfer stellen die älteste Form der Votivgaben dar. Auch die hier gezeigte Votivgabe, die ein Augenpaar auf einem Sockel darstellt, wurde für den katholischen Glaubensritus verwendet. Sie wurde mithilfe eines Models in rotem Wachs gegossen und stammt vermutlich aus Oberschwaben oder Bayern. In diesem Fall sollten die Augen dem besonderen Schutz Gottes oder der Heiligen anvertraut werden und vor Augenleiden oder Blindheit schützen. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts wurden Votivgaben aus Bienenwachs gefertigt und zum Teil bemalt. Das rot eingefärbte Wachs wurde erst zum Ende des 19. Jahrhunderts verwendet. Geopfertes Wachs wurde zeitweise auch eingeschmolzen, um Kerzen für die Kirchen zu formen.

Neben Körperteilen wurden auch häufig Tiere aus Wachs gegossen. Die Darstellung eines Schweins sollte beispielweise stellvertretend für alle Nutztiere den besonderen Schutz Gottes oder der Heiligen gewährleisten, verbunden mit der Bitte um Schutz vor Seuchen, anderen Unglücksfällen oder dem Wunsch nach Jungvieh.

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