Fest und Umzug in Korntal 

Datierung :
  • 1958
Objekttyp: Video
Inhalt:
  • Korntal weist einige historisch bedingte Besonderheiten auf. Die bereits im 12. Jahrhundert besiedelte Gemeinde war im Mittelalter ein bäuerliches Gut. 1818 wurde in Korntal eine pietistische Gemeinde, bestehend aus 68 Familien gegründet. In einem königlichen Privileg von 1818 sprach König Wilhelm I. von Württemberg der Gemeinde weitgehende politische und religiöse Autonomie zu. Damit verfolgte der König das Ziel, die Auswanderung aus religiösen Gründen einzudämmen. Die "kirchlich privilegierte Gemeinde", die unabhängig von der württembergischen Staatskirche und dem Konsistorium sein sollte, nannte sich bald "Evangelische Brüdergemeinde". Während des 19. Jahrhunderts machte sie sich mit zahlreichen Heim- und Schulgründungen einen Namen. Die Mitglieder der Gemeinde praktizierten eine Gütergenossenschaft, die man als eine Art "christlichen Sozialismus" verstehen kann. Mit der Weimarer Verfassung wurde Korntal eine politische Gemeinde und die Evangelische Brüdergemeinde als Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich Korntal zu einer modernen, stark wachsenden Gemeinde mit einem ausgeprägten Schulwesen und vielgestaltigen öffentlichen Einrichtungen. Zahlreiche Neubau- und Gewerbegebiete entstanden. Im Zuge der Gemeindereform wurde Korntal 1975 mit der Gemeinde Münchingen zusammengelegt. Die Doppelgemeinde am Stadtrand von Stuttgart hat heute gut 19.000 Einwohner. Dieser Filmausschnitt zeigt einen festlichen Umzug durch die Stadt Korntal anlässlich der Erhebung der Gemeinde zur Stadt im Jahr 1958. Dabei handelt es sich allerdings um einen eher symbolpolitischen Akt. Im Gegensatz zum Mittelalter oder zur Frühen Neuzeit sind mit dem Status als Stadt im 20. Jahrhundert keine besonderen Rechte mehr verbunden. Sämtliche Hoheitsrechte üben die staatlichen Landesverwaltungen aus; es geht also lediglich darum, die Bezeichnung "Stadt" führen zu dürfen. Als Verwaltungszentrum fungiert das 1961 eingeweihte moderne Rathaus. In diesem Filmausschnitt von 1958 sind Pferdekutschen, geschmückte Wagen, fahnenschwenkende Mädchen und eine Blaskapelle zu sehen. Zugleich werden aber auch lokalpolitische Themen ironisch aufgegriffen. So trägt eine Frau ein Plakat mit der Aufschrift "Kleine Familie mit 6 Kindern sucht Wohnung. Mobiliar unerwünscht, da Kinder Platz ausfüllen." Andere Umzügler, die ein Plakat mit der Aufschrift "Hochbauamt" mit sich führen, haben sich als laufende Hochhäuser verkleidet und ironisieren damit die in den 50er und 60er Jahren entstandenen Neubausiedlungen. Felix Teuchert, LABW
Quelle/Sammlung: Landesfilmsammlung Baden-Württemberg: Korntal wird Stadt
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