NS-Feste in Darmsheim 

Datierung :
  • 1936
Objekttyp: Video
Inhalt:
  • Dieser Filmausschnitt aus dem Jahr 1936 zeigt einen Umzug am Ersten Mai und einen Umzug am Erntedankfest durch den kleinen Ort Darmsheim im Jahr 1936. Dass die nationalsozialistische Diktatur zu dem Zeitpunkt, als diese Filmaufnahmen aufgenommen wurden, fest im Sattel saß, ist hier deutlich zu erkennen: Die Kinder, die an dem ersten gezeigten Umzug teilnehmen, tragen Plakate und Fahnen mit Hakenkreuzen, später ist eine SA-Formation zu sehen. Dass der Film die Überschrift "NS-Feste in Darmsheim" trägt, ist allerdings irreführend. Sowohl der Erste Mai als auch das Erntedankfest waren eigentlich keine NS-Feste, sondern entstammten ganz anderen Traditionen, die die nationalsozialistische Propaganda vereinnahmte und im nationalsozialistischen Sinne umdeutete. Der Erste Mai, der bis heute ein nationaler Feiertag ist, hat seinen Ursprung in der sozialistisch orientierten Arbeiterbewegung. Am 1. Mai 1886 schlug die nordamerikanische Polizei Streiks und Demonstrationen der Gewerkschaften auf dem "Haymarket" in Chicago blutig nieder. Im Gedenken an die Opfer des "Haymarket" rief die "Zweite Internationale", also das Organisationsforum der internationalen sozialistischen Arbeiterbewegung, den 1. Mai zum "Kampftag der Arbeit" aus. Auch die deutschen Sozialdemokraten versuchten 1919, den Ersten Mai als nationalen Feiertag durchzusetzen, scheiterten im Deutschen Reichstag aber am Widerstand der bürgerlichen und kommunistischen Parteien. Erst die NSDAP machte den 1. Mai zum gesetzlichen Feiertag - als "Tag der nationalen Arbeit", ab 1934 als "Nationaler Feiertag des deutschen Volkes." Auch das Erntedankfest, das in dem Filmausschnitt zu sehen ist, wurde nationalsozialistisch instrumentalisiert. Im Februar 1934 erhob das NS-Regime das Erntedankfest zu einem deutschlandweiten gesetzlichen Feiertag. Erntedank war ursprünglich ein christliches Fest, das üblicherweise im Herbst begangen wird. Die Tradition des Erntedankfestes reicht in der römisch-katholischen Kirche bis ins 3. Jahrhundert zurück und erfüllt die Funktion, Gott für die im Herbst eingefahrene Ernte zu danken. Dazu werden die Altäre mit den Erntegaben wie Getreide, Blumen und Gemüse geschmückt. Adolf Hitler funktionierte das Erntedankfest um und wies ihm einen festen Platz im nationalsozialistischen Festkalender zu. Im Zuge der Blut- und Boden-Ideologie wurde den Bauern ein besonders hoher Stellenwert zugewiesen, die nun mit einem eigenen Feier- und Festtag geehrt werden sollten. Einerseits galten die Bauern als Garant der Autarkiebestrebungen, andererseits, so die krude biologistisch-mystizistische Ideologie, sollten sie, die in besonderer Weise mit dem Boden verwurzelt seien, die Erbgesundheit und Blutreinheit der "deutschen Volksgemeinschaft" garantierten. Das ländliche Leben wurde als wesensgemäße Lebensart des Volkes propagiert. Neben kleineren Erntedankfesten, die vielerorts stattfanden, artete das "Reichserntedankfest", das alljährlich auf dem Bückeberg bei Hameln veranstaltet wurde, zu einer gigantomanischen Propagandainszenierung des NS-Regimes aus - eine der größten NS-Massenveranstaltungen. Damit sollte nicht nur der Bauernstand überhöht, sondern auch die Volksgemeinschaft wirkungsvoll in Szene gesetzt, die Einheit von Volk und Führer beschworen und den Besuchern das Erlebnis der Masse vermittelt werden. Dass der Filmer seine Aufnahmen als "NS-Feste" betitelte, zeigt, dass die nationalsozialistische Instrumentalisierung zumindest teilweise erfolgreich war und sich die nationalsozialistische Bedeutung in den Köpfen festgesetzt hatte. Felix Teuchert, LABW
Quelle/Sammlung: Landesfilmsammlung Baden-Württemberg: Umzüge am Ersten Mai und an Erntedank in Darmsheim 1936/37
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