Adeliges Ritterstift St. Nikolaus Komburg 

Ortsbezüge:
Baujahr/Gründung: 1078 [1078]
Zerstörung/Aufhebung: 1802 [1802/03]
Beschreibung: 1078 wurde das Benediktinerkloster St. Nikolaus gegründet. Nebenpatrozinien waren Maria, Heiligkreuz und alle Heiligen. Die Gründer und ersten Vögte entstammten der Familie der Grafen von Komburg-Rothenburg. Seit etwa 1086 stand das neu gegründete Kloster in Bezug zur Reformabtei Hirsau. Über die Staufer gelangte die Vogtei ans Reich und seit 1348 an die Stadt Schwäbisch Hall. 1485 übernahm Würzburg den Schirm über Komburg. Die seit Anfang des 14. Jh. bekannten Mönche entstammten zunächst dem Niederadel und dem Patriziat der Reichsstadt Hall, seit Mitte des 15. Jh. der fränkischen Ritterschaft. Diese Adelsgruppe erreichte 1488 bei Bischof Rudolf von Würzburg eine Umwandlung des Klosters in ein adeliges Säkularkanonikerstift, nachdem Reformversuche gescheitert waren und Komburg sich auch keiner Reformkongregation angeschlossen hatte. Zwei bis drei Handschriften aus dem 12. Jh. kann man als Zeugnisse eines Komburger Skriptoriums in Anspruch nehmen. Hervorragende Kunstwerke wie das Antependium, der Radleuchter und ein seit dem 17. Jh. verschollenes Reliquienkreuz werden gleichfalls einer Komburger Werkstatt zugewiesen. Um 1130/34 wirkte ein hiesiger Mönch als Orgelbauer in Petershausen und Konstanz. Im Spätmittelalter fehlen solche Aktivitäten - im Gegenteil: Kirchenschatz und Bibliothek dienten zeitweise als Pfand für geliehenes Geld. Erst der humanistisch gebildete Büchersammler, Propst und Dekan Erasmus Neustetter (1523-1594) baute in der zweiten Hälfte des 16. Jh. eine bedeutende Bibliothek auf, die aber nach seinem Tod nicht weitergeführt wurde. Sie gelangte nach 1805 größtenteils in die Stuttgarter Landesbibliothek. Im Laufe des 13.-15. Jh. wurden dem Kloster die Pfarreien Steinbach (mit St. Michael in Schwäbisch Hall als Filiale), Tüngental, Gebsattel, Künzelsau und Erlach-Gelbingen inkorporiert und durch Weltpriester, nicht Mönche, versehen. Seit 1472 bis in die Reformationszeit gab es auf dem Einkorn eine 14-Nothelfer-Wallfahrt. Die 1506 errichtete Kapelle blieb bestehen und als um 1670 die Wallfahrt wieder auflebte, wurde der bestehende Bau 1682/83 erweitert und 1710 völlig neu errichtet. 1814 fiel die Kirche einem Blitzschlag zum Opfer und blieb seitdem eine Ruine. Die Wallfahrt hörte auf. Um 1660/70 entstand die St. Josefsbruderschaft mit einem Chorvikar als Präses an der Spitze. Für diese Gemeinschaft aus Klerikern und Laien wurde die Josefskapelle 1672 geweiht und 1674 mit einem Altar ausgestattet Der frühe Besitz des Klosters lag um Reinsberg und Tüngental, im Kochertal um Künzelsau und in und um Gebsattel (Lkr. Ansbach). Streubesitz gab es um Buchen und Mosbach sowie in und um Mainz. Im 14. Jh. mussten viele Güter verkauft werden - erst in den folgenden Jahrzehnten stabilisierte sich die wirtschaftliche Lage; ab der Mitte des 15. Jh. wurde erneut Besitz abgestoßen. Nach den großen Verkäufen 1521-1525 konzentrierten sich die komburgischen Güter um Steinbach, Hessental, Tüngental und Sulzdorf, im Fischach- und Rottal, um Großallmerspann (alle Lkr. Schwäbisch Hall) und um Gebsattel. 1606-1613 erwarb Komburg Zehntrechte um Vellberg und kaufte sich 1717 erneut in Künzelsau ein. Diesen Besitzstand konnte das Stift bis 1802/03 halten. Die Zugehörigkeit zu Würzburg sicherte die Weiterexistenz Komburgs in der Reformationszeit als einzige katholische Herrschaft weit und breit. Die Entschädigungspläne von 1802/03 sprachen das Stift Württemberg zu. Gebsattel und Umgebung kamen an Bayern. Dem Stift gehörten zwölf adelige Chorherren und zwölf Chorvikare, zumeist Priester, an. Die Mehrzahl der adeligen Chorherren verfügte neben der Komburger Pfründe noch über weitere geistliche Stellen in Würzburg, Bamberg oder Ellwangen. Die umfangreichen gottesdienstlichen Verpflichtungen (Tagzeiten, Kapitelsmessen, Totengedenken) übernahmen die ständig anwesenden Chorvikare, die ein klosterähnliches gemeinsames Leben führten, während die adeligen Chorherren in einzelnen Gebäuden einen eigenen Haushalt führten. Die bauliche Gestalt der Komburg spiegelt diese Stiftsverfassung bis heute wieder: Westlich der Kirche - in den ehemaligen klösterlichen Gemeinschaftsbauten - lebten die nichtadeligen Chorvikare; die weiter außen stehenden Einzelbauten boten den adeligen Chorherren standesgemäße Wohnungen. Seit 1803 dienten die Gebäude verschiedenen Zwecken: zunächst als Residenz des württembergischen Prinzen Paul (1807-1811), dann als Heimstatt für die verwundeten Veteranen des kgl. Ehreninvalidenkorps (1817-1926), als Heimvolkshochschule (1926-1936) und seit 1947 als Pädagogische Akademie, in der Lehrer aller Schularten fortgebildet werden. Von der ursprünglichen Grafenburg ist wohl nur der Graben unter dem Westteil der heutigen Kirche nachweisbar. Bis zur Mitte des 12. Jh. errichtete man die Kirche samt Westturm in achsialer Anlage, dazu die teilweise erhaltenen Konventsbauten. Wohl zwischen 1220 und 1250 kamen die Osttürme und die Sechseckkapelle, ein Bau unbekannter Zweckbestimmung, hinzu. Um 1500 errichtete man im Osten Teile der "Alten Propstei" (Gebsattelbau) und die innere Ringmauer, außerdem die Türme an der Südfront sowie die Mauer samt Türmen im Norden. Unter Dekan Erasmus Neustetter (1551-1594) entstanden eine zweite Ringmauer mit Türmen, dazu der Gebsattelbau in seiner heutigen Gestalt, die Alte Dekanei, der Adelmann- und der Wamboldbau sowie die Michaelskapelle. Dazuhin ließ Neustetter alle Bauten innen und außen durch den Konstanzer Maler Michael Viol (1543 - nach 1600) mit Fresken bemalen. Diese Um- und Neubauten, vor allem die durchgehende Ringmauer mit Türmen, ließ die Komburg von außen als adelige "Burg" erscheinen, auch wenn die Art der Neubauten schon lange keinen strategischen Nutzen mehr besaß. Die Barockzeit veränderte das Bild der Komburg noch einmal gründlich. 1707-1715 errichtete der Würzburger Baumeister Josef Greissing im Auftrag des Dekans Wilhelm Ulrich von Guttenberg die neue Stiftskirche. Es folgten im Laufe des 18. Jh. weitere Neubauten, so 1732-1737 die unvollendet gebliebene Neue Dekanei, um 1770 der Archivbau (heute Pfarrhaus), der Reischachbau und um 1789 die Obervogtei außerhalb der Mauer. Eine Orangerie am Fuße des Berges und umfangreiche Gartenanlagen machten die Komburg zu einer kleinen Residenz. Nach 1802 blieben zunächst alle Gebäude erhalten und wurden sogar für den Prinzen Paul und seine Familie als "Schloss Comburg" hergerichtet. Größere bauliche Verluste gab es erst 1830, als die Marienkapelle, der ehemalige Bibliotheksbau, Teile der früheren Abtei, das Refektorium und der westliche Kreuzgang abgebrochen wurden. Man sollte die "freigelegte" Stiftskirche wie ein Denkmal auf dem Sockel von Schwäbisch Hall aus sehen können. Danach wurde der Baubestand nicht weiter dezimiert. Eine Sicherung und Generalsanierung der gesamten Anlage erfolgte zwischen 1960 und 1980. Dabei wurden alle Räume sorgfältig restauriert und der westliche Flügel des Kreuzgangs sowie der so genannte Kaisersaal im Obergeschoss der Alten Abtei wiederhergestellt.
Autor: RAINER JOOSS
Objekttyp: Kloster
Ordensregel:
  • Benediktiner 1078-1488
  • Chorherren, weltliche 1488-1802/03
Sonstiges: Bistum: Würzburg, ab 1821 Rottenburg-Stuttgart,
fiel an: Württemberg (1802/03)
Weiter im Partnersystem: http://www.kloester-bw.de/?nr=208

Adresse Schwäbisch Hall

Literatur:
  • M. Erzberger: Die Säkularisation in Württemberg von 1802 bis 1810. Ihr Verlauf und ihre Nachwirkungen. Stuttgart 1902, ND Aalen 1974. 207ff.W. Zimmermann / N. Priesching (Hg.): Württembergisches Klosterbuch. Klöster, Stifte und Ordensgemeinschaften von den Anfängen bis in die Gegenwart. Stuttgart 2003. 312-314 (R. JOOSS).Germania Benedictina, Bd. V: Die Benediktinerklöster in Baden-Württemberg. Bearb. v. F. Quarthal. Augsburg 1975. V, 351-358 (R. JOOSS).Der Landkreis Schwäbisch-Hall. Hg. v. Landesarchiv Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Schwäbisch Hall (Kreisbeschreibungen des Landes Baden-Württemberg). 2 Bde. Stuttgart 2005. I, 119-121.Die Kunst- und Altertumsdenkmale im Königreich Württemberg. Inventar Jagstkreis. Bearb. v. E. Gradmann. Hg. v. E. von Paulus u. E. Gradmann. Esslingen a. N. 1907. OA Hall, 584-634, 721.H. MÜLLER: Geschichte des Ritterstifts Komburg. In: Württembergische Jahrbücher für vaterländische Geschichte, Geographie, Statistik und Topographie (122-1862), fortgesetzt unter dem Titel: Jahrbücher für Statistik und Landeskunde (1863-1938/39) 1/1901, 11-39.R. JOOSS: Kloster Komburg im Mittelalter. Studien zur Verfassungs-, Besitz- und Sozialgeschichte einer fränkischen Benediktinerabtei. Sigmaringen 1987.E. SCHRAUT (Hg.): Die Comburg. Vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Sigmaringen 1989.
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