Jesuitenkolleg Rottweil 

Ortsbezüge:
Baujahr/Gründung: 1652 [1652 / 1692]
Zerstörung/Aufhebung: 1776 [1776]
Beschreibung: Nachdem das von den Dominikanern betreute Gymnasium 1638 geschlossen worden war, versuchte der Rottweiler Magistrat nach dem 30-jährigen Krieg das höhere Schulwesen der Reichsstadt wieder auf eine solide Grundlage zu stellen. Um den Unterricht am Gymnasium wieder aufnehmen und die vakanten Benefiziate an der Kapellenkirche besetzen zu können, wurde eine Ratsdelegation bei den Rottenburger Jesuiten vorstellig, mit dem Ergebnis, dass im Oktober 1652 drei Patres und ein Laienbruder nach Rottweil kamen. Untergebracht wurden die Jesuiten in der alten Rottweiler Lateinschule in der Engelgasse, welche unter der Betreuung der Dominikaner zum Gymnasium ausgebaut worden war. Die Jesuiten entwarfen unverzüglich einen Studienplan und eröffneten das Gymnasium schon im November 1652. Der Unterricht in den sechs Gymnasialklassen wurde zunächst von zwei, später von vier jesuitischen Lehrkräften bewerkstelligt. Die Anzahl der Schüler war bald auf über 100 angestiegen, nachdem man den Schulbetrieb zunächst mit 40 Schülern wieder aufgenommen hatte. 1638 waren kriegsbedingt gerade noch 18 "Studiosi" vorhanden gewesen. Wegen der hohen Schülerzahlen musste nun ein neues, größeres Schulhaus am Rindermarkt angekauft werden. Als wirtschaftliche Grundlage erhielten die Jesuitenpatres u. a. die Einkünfte der Kapellenkirche und den Großen und Kleinen Zehnten in Laufen o. R. Allerdings konnte nur ein Bruchteil der zugewiesenen Einkünfte wirklich aufgebracht werden, so dass die Patres aus wirtschaftlichen Gründen 1672 nach Rottenburg zurückkehrten. Nachdem zwischenzeitlich Benediktiner den Unterricht am Gymnasium versehen hatten, konnten die Jesuiten durch die Vermittlung des Schörzinger Pfarrers Michael Rebholz nach Rottweil zurückgeholt werden. Der Magistrat hatte die Zusage gemacht, ein städtisches Gelände zum Bau einer Residenz zur Verfügung zu stellen, Fronfuhren zum Bau zu leisten sowie Baukosten und Baulast für das ebenfalls geplante neue Gymnasiumsgebäude zu übernehmen. So kamen 1692 erneut vier Jesuitenpatres und ein Ökonom nach Rottweil. Der Stundenplan wurde um die akademischen Fächer Moraltheologie, Logik, Philosophie und Kanonisches Recht erweitert. Das Gymnasium wurde zum Lyzeum erhoben, die Zahl der Patres stieg auf neun. Im Jahre 1700 konnte mit Unterstützung durch Pfarrer Rebholz das Hofgut Hochmauren um 300 Gulden erworben und erweitert werden, nachdem bereits beim ersten Aufenthalt die Neckarburg in den Besitz der Jesuiten gekommen war. Für den Bau der Jesuitenniederlassung wurden - zum Teil gegen den Willen der Besitzer - acht Häuser und Hofstätten aufgekauft. Am 18. Mai 1702 wurde der Grundstein zum Bau gelegt. Die Stadt unterstützte die Baumaßnahme durch 1.500 Fronfuhren ihrer ländlichen Untertanen, der Abt von St. Blasien schickte 24.000 runde Fensterscheiben als Geschenk. 1712 war der Bau vollendet. Durch die Überbauung der Spitalgasse blockierte er aber nun den Zugang zur Johanniterkommende in der südöstlichen Ecke der Stadtummauerung, was zu einem langwierigen Prozess vor dem Reichskammergericht beziehungsweise dem Reichshofrat führte. 1717 wurde der Grundstein zum Bau des neuen Gymnasiums ebenfalls am Platz von ehemaligen Bürgerhäusern gelegt. Dieses Bauwerk war 1722 vollendet. Die Stadt übernahm die Baulast und die Versorgung der Schule mit Brennholz und subventionierte außerdem die regelmäßigen Theateraufführungen des Gymnasiums. 1720 kamen die Jesuiten in den Besitz des Eckhofs als Teil des Rotensteins, 1724 (bis 1727) kam das Gut Wildenstein als Legat an die Jesuiten. 1747 kauften die Rottweiler Jesuitenpatres das Hofgut Hohenberg um 12.000 Gulden, welches 1772 von Österreich aber wieder ausgelöst wurde. Die materielle Situation der Jesuitenniederlassung entwickelte sich anscheinend gut; 1731 wurde die Niederlassung zum Kolleg erhoben. Auch bei ihrem zweiten Aufenthalt in Rottweil wurde den Jesuiten die damals noch gotische Kapellenkirche ohne eigene Gemeinde zugewiesen. Nachdem das Chorgewölbe eingestürzt war, begannen die Patres 1726 mit der Barockisierung und Erweiterung ihrer Kirche. Im Oktober 1733 konnte die vom Jesuitenbruder Joseph Firtmair ausgemalte Kirche eingeweiht werden. Neben dem höheren Schuldienst und dem Gottesdienst an der Kapellenkirche übernahmen die Jesuiten - auch auf dem Land - seelsorgerliche und karitative Aufgaben wie Krankenfürsorge und die Betreuung von Sterbenden. Wenig aussichtsreich war der "heilige Krieg", den die Jesuiten gegen die Rottweiler Fastnacht führten. 1773 wurde die Gesellschaft Jesu von Papst Clemens XIV. aufgehoben; die päpstliche Bulle wurde in Rottweil aber erst im Februar 1776 vollzogen. Die Jesuiten konnten jedoch in der Stadt gehalten werden, um den Schuldienst am Gymnasium und den Gottesdienst an der Kapellenkirche weiterhin zu versehen. Die "klösterliche Ordnung" im Kolleg sollte nach dem Willen des Magistrats beibehalten werden. Das Professorenkolleg des Lyzeums stand aber nun unter Aufsicht einer aus Ratsmitgliedern gewählten Studiendirektion.
Autor: GERALD P. MAGER
Objekttyp: Kloster
Ordensregel:
  • Jesuiten 1652-1672
  • Jesuiten 1692-1776
Sonstiges: Bistum: Konstanz, ab 1821 Rottenburg-Stuttgart
Weiter im Partnersystem: http://www.kloester-bw.de/?nr=421

Adresse Johannsergasse 01, Rottweil

Literatur:
  • W. Zimmermann / N. Priesching (Hg.): Württembergisches Klosterbuch. Klöster, Stifte und Ordensgemeinschaften von den Anfängen bis in die Gegenwart. Stuttgart 2003. 424-426 (G. P. MAGER).Germania Benedictina, Bd. V: Die Benediktinerklöster in Baden-Württemberg. Bearb. v. F. Quarthal. Augsburg 1975. V, 552-555 (W. SETZLER).H. RUCKGABER: Geschichte der Frei- und Reichsstadt Rottweil Bd. 2. Rottweil 1838, 260ff.Dreihundert Jahre Gymnasium Rottweil 1630-1930. Rottweil 1930. - Die Chronik der Ex-Jesuiten von Rottweil 1773-1785. Hg. u. übersetzt v. D. SCHMID (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Rottweil 11). Rottweil 1987.Die Hauschronik der Jesuiten von Rottweil 1652-1773. Hg. u. übersetzt v. D. SCHMID (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Rottweil 12). Rottweil 1989.D. SCHMID: Das Rottweiler Jesuitenkolleg (1652-1671; 1692-1773). Ein Beispiel für Geschichte, Schicksal und Ende eines Kollegs im schwäbischen Raum. In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte. Hg. v. Geschichtsverein der Diözese Rottenburg-Stuttgart, 1 (1982) ff. 12 (1993) 131-143.Die Anfänge der Rottweiler Jesuitenresidenz. Die "Jesuitica" Nr. 2562 und 2561 des Bayerischen Hauptstaatsarchivs München. Hg. u. übersetzt v. D. SCHMID (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Rottweil Bd. 21). Rottweil 1997.
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