Klarissenkloster/"Bickentorsammlung" Villingen 

Ortsbezüge:
Baujahr/Gründung: 1278 [1278]
Zerstörung/Aufhebung: 1782 [1782]
Beschreibung: Nach Angaben des Chronisten Bernhart Müller wurde im Jahr 1278 die Bickentorsammlung von Villinger Bürgern gestiftet, in welcher Kranke und Sterbende durch Jungfrauen und Witwen gepflegt wurden. 1305 vereinigten sich die Meisterin und die Schwestern aus Neuhausen mit der Sammlung und die neue Gemeinschaft übernahm die bisher in der Bickentorsammlung befolgte Regel und war eine "minron bruoder samenunge". Trotz der Vereinigung nannte sich der Konvent lange Zeit "Maistrinun vnt die Samenunge de vrowen von Nuwenhusen, die ze Vilingen sitzen" oder Meisterin und Sammlung des Klosters von Neuhausen "St. Claren Ordens gesessen ze Vilingen". 1380 wurde allerdings die alte Bezeichnung "minron bruoder samenunge" bestätigt. Die geistliche Betreuung lag bei den Franziskanern. Eine Altarweihe wurde 1389 erwähnt. Im 14. und 15. Jh. tätigte die Sammlung Käufe und Verkäufe und die Frauen hatten eigenes Vermögen, zumal angesehene Villinger Familien ihre Töchter dieser Gemeinschaft anvertrauten, die auf der geistlichen Bank der vorderösterreichischen Stände in den Jahren 1468 und 1469 vertreten war. Die angestrebten Reformen von 1465, die Bickentorsammlung in ein geschlossenes Kloster umzuwandeln, blieben zunächst ohne Erfolg. Durch die Bulle des Papstes Sixtus IV. hatte 1479 "bruder Hainrich Karrer sant Francissen ordens der myndern bruder provincial" die Aufgabe übernommen, die Sammlung in ein geschlossenes Kloster umzuwandeln. Aus dem Klarissenkloster in Valduna kam 1480 die Äbtissin Ursula Haider und sieben Mitschwestern in die Sammlung am Bickentor. Nur die Jüngste der Sammlungsfrauen trat dem Klarissenorden bei, die anderen Frauen erhielten ihr eingebrachtes Gut zurück. Zwischen 1480 und 1484 kamen elf Mädchen in die Obhut des Klosters. 1482 war die Umwandlung in ein geschlossenes Kloster ausgeführt und 1483 wurde es unter den Schutz der Stadt gestellt. Der Bischof konnte 1484 vier Altäre in der renovierten Kirche weihen. Die Äbtissin Ursula Haider war eine begnadete Mystikerin und schrieb ihre Betrachtungen über die Passion Christi sowie ihre mystischen Gedanken und Visionen teilweise selbst auf. Leider sind ihre Originalaufzeichnungen verschollen. Im Jahr 1489 erließ Papst Innozenz VIII. einen Jubiläumsablass, der beim Besuch der sieben Hauptkirchen Roms gewonnen werden konnte. Ursula Haider bemühte sich 1490, für ihr Kloster den Ablass zu erhalten, der 1491 durch Vermittlung des Paters Konrad de Bondorf, vom Papst gewährt wurde. Seine eigenhändige Unterschrift "fiat ut petitur" zeugt davon. Das Villinger Klarissenkloster erhielt als erstes Kloster 1491 den so genannten Kreuzwegablass, der beim Besuch der hl. Stätten Jerusalems gewonnen werden konnte. Die hl. Stätten wurden auf 210 Pergamenttafeln aufgezeichnet und um 1500 in Stein gehauen. Heute existieren noch circa 70 dieser Steintafeln im Kloster. Ursula Haider, durch schwere Krankheit belastet, hatte ihr Amt bereits 1489 an ihre Mitschwester aus Valduna Clara Wittenbach abgegeben. Vermutlich ließ die Äbtissin Clara Wittenbach (1489-1493) die Statue ECCE HOMO anfertigen, die bis 1679 in einer der Kapellen und dann in der Kirche aufgestellt wurde, wo sie sich heute noch befindet. 1491 wurde die Klosterkirche neu errichtet. Beide Äbtissinnen hatten für die wirtschaftliche Grundlage des Klosters gesorgt. Als Ursula Haider nach langer Krankheit starb, hinterließ sie ein vorbildlich geführtes Haus. Das Kloster hatte viele hervorragende Beichtväter und Prediger zur geistlichen Unterweisung. So war der in die Literaturgeschichte eingegangene P. Johannes Pauli von 1491-1495 Prediger, Beichtvater und Lektor im Kloster. St. Klara wurde von den Villinger Franziskanern geistlich betreut und unterstand dem Provinzial aus Straßburg. Die Klarissen dieser Zeit kamen meist aus begüterten Familien der Mittelschicht und des Kleinadels. Diese unterstützten das Kloster, überschrieben Ländereien, oder stifteten, wie die Familien Sattler von Croaria und Muntprat-Mötteli, wertvolle Teppiche, so dass die Vermögenslage des Klosters günstig war. Die einzelnen Schwestern besaßen kein privates Eigentum, wie es in der Regel der hl. Klara festgelegt ist. Die Verwaltung des Klosters lag bei der Äbtissin, der Schaffnerin, der Einzieherin und der Schreiberin. Für die Verwaltung des Vermögens, der Ländereien und Grundstücke standen drei von der Stadt eingesetzte Pfleger dem Kloster zur Seite. 1551 wurde das Klarissenkloster unter den besonderen Schutz des Hauses Österreichs gestellt. Schon zu Lebzeiten Ursula Haiders gab es im Kloster ein Skriptorium. 1495 haben fünf Schwestern "geschriben robriciert vnd geryssen dry Antyfoneer vnd nvwen gesangbücher och den newen Sequentzer". Durch die Jahrhunderte zeugen schön geschriebene Betrachtungsbücher, Antiphonarien (liturgische Bücher mit Wechsel- und Antwortgesängen für die Stundengebete), Prozessionsanleitungen und Gesangbücher von der Schreibkunst in St. Klara, wie z. B. der Bericht über die Gregorianische Kalenderreform von Sr. Euphrosina Some. Oft wurden Hymnen und Sequenzen aufgezeichnet, die in anderen franziskanischen Handschriften nicht vorkommen. Auch für Auftraggeber wurde geschrieben. Als Apollonia Moser (1591-1612) zur Äbtissin gewählt wurde, nahm sie vor allem die notwendigen baulichen Veränderungen in Angriff. Musik wurde in St. Klara schon zu Zeiten Ursula Haiders intensiv ausgeübt, so wurde 1580 "die hailigen mehs herlich gesungen mitt cimbalischlachen vnd fyguriren". Durch alle Jahrhunderte wurden Instrumente zur Reparatur gegeben. Auch zeugen viele Handschriften von der musikalischen Tradition. Eine Orgel wurde 1610 erwähnt. Als eine der bedeutendsten Äbtissinnen des Klosters gilt Juliane Ernstin (1655-65), die 1637 als Priorin die Chronik des Klosters und das Wirken Ursula Haiders aufgezeichnet hat und über die Wirren des 30-jährigen Krieges berichtet. Von der Energie und dem unerschütterlichen Glauben Juliane Ernstins zeugen die vielen Bettelfahrten, die sie als Priorin unternahm. Unter ihr wurde die im Krieg zerstörte Kirche 1655 wiederaufgebaut. Vor allem im 16. und 17. Jh. entwickelten sich die Herstellung von Handarbeiten (Weben, Stickerei, Nähen), von Heilmitteln aus Kräutern und Blumen sowie von Gebäck zu wichtigen Einnahmequellen, wobei vor allem die Lebkuchen großen Absatz fanden. Dafür wurden Backmodel erworben, die mit unterschiedlichen Symbolen versehen waren und teilweise von einem Villinger Bildschnitzer hergestellt wurden. In der zweiten Hälfte des 17. Jh. nahmen die Klarissen auch alleinstehende Frauen als Kostgängerinnen auf. Die ab 1677 regelmäßig und seit 1745 jährlich stattfindenden Visitationen wurden vom Provinzial der Franziskaner durchgeführt. Die Klosterbibliothek war beachtenswert und umfasste einige hundert Bände. Abgesehen von den eigenen Handschriften, gab es eine Taulerhandschrift, mystische Schriften des Otto von Passau und andere. Unter den Äbtissinnen Anna Cäcilia Weber (1699-1739) und Maria Viktoria Claudia zur Thannen (1739-1761) kam es zu zahlreiche Umbauten am Klostergebäude u. a. erfolgte 1732 wegen des Kirchenumbaus ein Durchbruch der Stadtmauer, um Platz für die Sakristei zu erhalten. Der Kirchturm wurde 1758 erneuert. Auch erhielt die Klosterkirche im selben Jahr eine neue Orgel. In der zweiten Hälfte des 18. Jh. zeigten sich, wie schon zuvor im 30-jährigen Krieg, finanzielle Probleme vor allem unter der Äbtissin Theresia Winterhalter (1761-1775). Nur durch Darlehen anderer Klöster war es möglich zu überleben: "anno 1776 haben mir die Vogtnei ausgelihen willen mir gar zutifst in Schulden waren... Convent die nothwendig nahrung nit mer hint bestreiten". Der letzten Äbtissin Karolina Wittum (1776-1782) gelang es die Schuldenlast nur langsam abzutragen. Als vorderösterreichische Stadt war Villingen von der klosterfeindlichen Politik Josephs II. betroffen. Auf kaiserlichen Befehl musste am 8. Februar 1782 ein Kommissar in die Klausur eingelassen werden, um das Kloster aufzuheben. Alle Schlüssel von Kirche, des ganzen Hauses und "vom Gewölb wo die Schriften sind" wurden verlangt. Am 11. Februar 1782 beschlagnahmten die Kommissare die 55 wertvollsten Bücher für die Hofbibliothek in Wien, der Großteil der Bücher wurde verbrannt. Die 18 Nonnen hatten innerhalb von 5 Monaten das Kloster zu verlassen. Nachdem sich die Klarissen mit den Dominikanerinnen in Villingen vereinigt hatten, genehmigte der Kaiser auf Bittschreiben der Stadtväter und der Schwestern die Fortführung des Klosters als Lehrinstitut der Ursulinen. "Wunderbarlich ist es, daß das Kloster St. Clara von Ursula heiderin gestiftet worden, und itzt wieder durch den Ursuliner Orden soll erhalten werden".
Autor: EDITH BOEWE-KOOB
Objekttyp: Kloster
Ordensregel:
  • Schwesternsammlung 1278-1479
  • Klarissen 1479-1782
Sonstiges: Bistum: Konstanz, ab 1821 Freiburg,
fiel an: Österreich (1782)
Weiter im Partnersystem: http://www.kloester-bw.de/?nr=443

Adresse Bickenstraße 23-25, Villingen-Schwenningen

Literatur:
  • Die Kunstdenkmäler des Kreises Villingen. Beschreibende Statistik. Bearb. v. F. X. Kraus (Die Kunstdenkmäler des Großherzogthums Baden Bd. II). Freiburg i. B. 1890. 129f.Archiv des Bickenklosters / Kloster St. Ursula X 2 (1389), DI/9 (1411), DII/9 (1411), X 4 (1479), X 5 (1479), X 9-11a (1482-1491), X 13 (1494), BB 2b (1480), BB 1 (1479-1498), BB 7 (1580), BB 8 (1589), BB 23a (1655 =Turmknopfurkunde), BB 23b (1758), Rechnungsbücher von 1500-1782, BB 9 (Chronik des Klosters St. Clara von 1776-1782).Stadtarchiv Villingen-Schwenningen, Bestand 2.1, EE 1 (1305); Bestand 2.1, EE 37d (1480-1777).W. MÜLLER: Das Bickenkloster. In: Die Villinger Frauenklöster des Mittelalters und der Neuzeit. In: 200 Jahre Kloster St. Ursula Villingen. Villingen-Schwenningen 1982, 24.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)