Benediktinerabtei Zwiefalten 

Ortsbezüge:
Baujahr/Gründung: 1089 [1089]
Zerstörung/Aufhebung: 1802 [1802]
Beschreibung: Gestiftet wurde die Abtei am 8. September 1089 von Graf Kuno von Wülflingen im Thurgau (+ 1092) und seinem Bruder Graf Liutold von Achalm (+ 1098), die sich als Parteigänger Papst Gregors VII. die Aufgabe, durch Aufhebung des Eigen- und Hausklosterwesens die "libertas monasterii" wiederherzustellen, zu Eigen gemacht hatten und darum dem Reformzentrum Hirsau verbunden waren. Liutold gehört zu den Zeugen des Hirsauer Diploms des Jahres 1075, mit dem Kaiser Heinrich IV. der Hirsauer Abtei die freie Wahl des Abtes und des Vogtes zusicherte. Ein Sohn Kunos namens Theoderich war unter Abt Wilhelm (+ 1091) Prior in Hirsau, von 1086 an Abt in Petershausen. Ein Bruder der beiden Stifter dagegen, Bischof Werner von Straßburg, Anhänger Kaiser Heinrichs IV., führte 1077 einen Feldzug gegen Hirsau an und fiel dabei in der Nähe von Pforzheim. Noch ehe der Gründungskonvent (12 Mönche, 5 Laienbrüder) am 29. September 1089 nach Zwiefalten aufgebrochen war, verzichteten die Stifterfamilie und deren Erben gemäß dem Hirsauer Diplom auf alle Rechte aus der Stiftung (Bempflinger Vertrag), so dass das Kloster von Anfang an dieselbe Rechtsstellung genoss wie das Mutterkloster Hirsau, das Recht auf Absetzung des Vogtes eingeschlossen. Ein Fürstentag in Rottenacker bestätigte 1093 diese Rechtsstellung ebenso wie Papst Urban II. Zum ersten Vogt wurde Herzog Welf IV. gewählt. Seinen Abt wählte der Konvent zum erstenmal im Jahr 1095, als der Bau einer Klosteranlage nach Abt Wilhelms Vorstellung längst im Gang war und ein Skriptorium schon begonnen hatte, einen Grundstock an Büchern für Liturgie und Studium herzustellen. Die Kirche wurde am 9. September 1109 geweiht. Von der folgenden langen Blütezeit des Klosters zeugen bis heute die große Zahl von illuminierten Handschriften des Skriptoriums, die vielen Schenkungen, der Erwerb von Reliquien (Stephanus-Hand), die Bautätigkeit und die dreimalige Besiedlung des 1108 gestifteten Klosters Kladrau in Westböhmen (1115, 1119 und 1130), auch die Tätigkeit der Mönche im Skriptorium des Klosters der hl. Hildegard auf dem Rupertsberg bei Bingen. Diese Kontakte belegen 13 erhaltene Briefe, aber auch der Besuch der großen Äbtissin in Zwiefalten zwischen 1170 und 1173. Zu dieser Blüte gehört auch die Stiftung eines Frauenklosters im Jahr 1111 durch Adelheid von Gammertingen, die es selbst 30 Jahre lang geleitet hat. Sie stammte aus der Familie der Grafen von Dillingen, war die Schwester des Konstanzer Bischofs Ulrich (1111 bis 1127), der 1121 die Kirche der Kranken in Zwiefalten weihte (auch Haus- oder Marienkapelle genannt), und starb drei Tage nach der Weihe der Kirche St. Johann Baptist des Frauenklosters am 6. Januar 1141 (heute Friedhofskapelle). Dieses erweckt den Eindruck eines adeligen Damenstifts mit hochgebildeten Bewohnerinnen, die in einem eigenen Skriptorium sich an der Buchproduktion des Männerklosters beteiligten und sich nicht weniger der Hirsauer Reformbewegung verpflichtet fühlten. 550 Nonnen weisen die Nekrologien auf, ehe das Frauenkloster im Jahr 1358 ein letztes Mal in Urkunden genannt wird. Die Zahl der Nonnen dürfte also die der Mönche zeitweise übertroffen haben. Gleichwohl überlebte es den sozialen Wandel im Spätmittelalter nicht. Das Gründungsgut der Abtei Zwiefalten bestand in Streubesitz zwischen Neckar und Donau mit Schwerpunkten im Raum um Zwiefalten und im Ermstal zwischen Urach und Metzingen, auf der Alb um Ennabeuren, aber auch am mittleren Neckar (Münchingen, Uhlbach, Untertürkheim, Eislingen) und zu Beginn auch in der Schweiz (Dietikon, Maienfeld, Buch am Irchel) und im Elsaß (Ebersheim). Ein solcher Streubesitz konnte von Zwiefalten aus nur schlecht verwaltet und von keinem Vogt allein hinreichend geschützt werden, vor allem seit die Familien der Grafen von Berg und die Herren von Steußlingen ausgestorben waren, die auch zu den Wohltätern gehörten, vollends nach dem Aussterben der Welfen. Nach einer schwierigen Zeit mit verschiedenen Unter- und Teilvögten übertrug die Abtei ihre Vogtei 1303 den Habsburgern, die sie vertragswidrig 1365 teilweise den Grafen von Württemberg überließen. Deren extensiv wahrgenommenen Rechte wurden zwar 1491 in einem Vertrag zu Nürnberg geregelt mit der Folge, dass die Abtei in Württemberg nicht landsässig wurde, zumal sie seit 1422 in der Reichsmatrikel genannt wird und Habsburg die Vogtei de iure behielt. Sie der Grafschaft bzw. dem Herzogtum einzugliedern und sie nach 1534 wie die 14 großen Männerklöster in Württemberg aufzuheben, blieb politisches Ziel der Herzöge. Erst der Erwerb der Vogtei durch die Abtei selbst im Jahr 1696 für 30 Jahre, 1726 für 40 Jahre, dann im Jahr 1750 für immer und zugleich der Erwerb der Reichsstandschaft schien ihre Existenz dauerhaft zu sichern. Und erst 1750 beginnt mit der Abtretung aller Güter im Ermstal und einiger auf der Alb (darunter Großengstingen und solche um Ennabeuren) die Geschichte eines geschlossenen Territoriums mit zuletzt 4.600 Einwohnern in 27 Dörfern und dem Reichsprälaten als Landesherrn. Für die innere Verfassung gilt 1474 als Jahr der Neugründung. Mit ihm beginnt die Amtszeit von Abt Georg Fischer (1474-1512), der die Abtei nicht nur wirtschaftlich sanierte, moderne Gemeinschaftsräume errichten ließ (Bibliothek, Dormitorium, Krankenhaus), sondern in Anlehnung an die Statuten der Bursfelder Reform für eine regelkonforme "vita communis", auch für theologische Bildung der Konventualen durch Studien an der 1477 gegründeten Universität Tübingen sorgte. Diesen Reformwillen zeigten auch seine Nachfolger, z. B. Nikolaus Buchner, der sich zwischen zwei Amtszeiten (1549-1555) auf dem Zwiefalter Hof in Reutlingen aufhielt, wo sich reichsstädtischer Protestantismus und monastischer Katholizismus begegneten. Nach dürftigen Jahren Ende des 16. Jh. sind die Reformbemühungen im Zusammenhang zu sehen zu der 1603 gegründeten oberschwäbischen Benediktinerkongregation und deren Bildungseinrichtungen. Mit dem Bau einer barocken Klosteranlage begann die Abtei nach den Folgen von Krieg und Pest erst 1668 (Westflügel mit Schulgebäude, vollendet 1673). In einem zweiten Bauabschnitt zwischen 1684 und 1688 (Ostflügel mit Haus- oder Marienkapelle und Bibliothek) und einem dritten zwischen 1693 und 1700 (Südflügel und Fraterbau unter Leitung ihres Baumeisters Franz Beer) entstand die heutige Anlage, jedoch mit dem alten romanisch-gotischen Münster im Norden, das zwischen 1739 und 1752/65 durch das neue barocke Münster mit seiner Rokoko-Ausstattung ersetzt wurde. Die Inneneinrichtung, auch den Bibliothekssaal, den Speisesaal im Westflügel und das Recreatorium im Südflügel verlor die Anlage im Lauf des 19. Jh., nachdem darin 1812 eine Irrenanstalt eingerichtet wurde, die sie ihren Bedürfnissen gemäß veränderte. Nachdem die Abtei außerhalb ihres Territoriums schon im 17. Jh. in Rottweil tätig geworden war (A. Sulger), wurde sie 1686 in Ehingen Träger eines Kollegiums, dem sie ein Lyzeum angefügte. Eine letzte Blüte erlebte die Abtei in der zweiten Hälfte des 18. Jh., und zwar in jeder Hinsicht. Es entstanden Dorfkirchen, die Wissenschaften blühten (T. Sartori, B. J. Neher, St. Hayd), die Musikpflege gedieh (E. Weinrauch), ein weiteres Armenhaus wurde errichtet. 20 Dorfschulen unterhielt die Reichsabtei. Dem Konvent gehörten bei der Besetzung durch württembergische Truppen am 9. September 1802 bei gesichertem Nachwuchs 51 Mönche an.
Autor: HERMANN JOSEF PRETSCH
Objekttyp: Kloster
Ordensregel:
  • Benediktiner 1089-nach 1358
  • Benediktiner nach 1358-1802
Sonstiges: Bistum: Konstanz, ab 1821 Rottenburg-Stuttgart,
fiel an: Württemberg (1802)
Weiter im Partnersystem: http://www.kloester-bw.de/?nr=534

Adresse Zwiefalten

Literatur:
  • M. Erzberger: Die Säkularisation in Württemberg von 1802 bis 1810. Ihr Verlauf und ihre Nachwirkungen. Stuttgart 1902, ND Aalen 1974. 215ff.W. Zimmermann / N. Priesching (Hg.): Württembergisches Klosterbuch. Klöster, Stifte und Ordensgemeinschaften von den Anfängen bis in die Gegenwart. Stuttgart 2003. 525-527 (H. J. PRETSCH).Germania Benedictina, Bd. V: Die Benediktinerklöster in Baden-Württemberg. Bearb. v. F. Quarthal. Augsburg 1975. V, 680-709 (W. SETZLER).Der Landkreis Reutlingen. Hg. v. der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Reutlingen (Kreisbeschreibungen des Landes Baden-Württemberg). 2 Bde. Sigmaringen 1997. II, 970-982.Die Kunst- und Altertumsdenkmale im ehemaligen Donaukreis. Oberamt Münsingen. Bearb. v. E. Fiechter u. J. Baum (Die Kunst- und Altertumsdenkmale in Württemberg. Hg. vom Württ. Landesamt für Denkmalpflege). Esslingen a. N. 1926. 134-174.H. J. PRETSCH (Hg.): 900 Jahre Benediktinerabtei Zwiefalten. Ulm 1989.H. SPILLING: Sanctarum reliquiarum pignera gloriosa. Bad Buchau 1992.I. BETZ-WISCHNATH / H. J. PRETSCH: Das Ende von Reichsabtei und Kloster Zwiefalten. Ulm 2001.H. WEINGARTEN: Herrschaft und Landnutzung. Zur mittelalterlichen Wirtschaftsgeschichte Kloster Zwiefaltens (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 57). Ostfildern 2006.
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